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Reaktionen auf Polizistenmord
Berlin will "Reichsbürger" besser überwachen lassen

Der Einsatz eines Sondereinsatzkommandos der Polizei in Mittelfranken endete gestern mit dem Tod eines Beamten und mehreren Verletzten. Ein sogenannter Reichsbürger hatte auf die Polizisten gefeuert, als diese seine Waffen beschlagnahmen wollten. In Berlin diskutieren Vertreter der Bundestagsfraktionen nun darüber, ob die Gefährdung durch "Reichsbürger" bisher unterschätzt wurde.

Von Nadine Lindner | 20.10.2016
    Der Reichstag spiegelt sich in einer Regenpfütze.
    Über dem Reichstag in Berlin hängen Regenwolken. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Eine der ersten Reaktionen kam am Morgen aus dem Bundesinnenministerium. Der Tod des Polizisten sei eine entsetzliche Nachricht. Die zunehmenden Angriffe von Extremisten seien unerträglich und inakzeptabel, erklärte der CDU-Politiker Thomas de Maizière schriftlich.
    Vor der heute stattfindenden Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses äußerten sich Vertreter aller Bundestagsfraktionen. Neben der Trauer gab es auch unterschiedliche politische Bewertungen.
    Armin Schuster, Obmann der CDU, der ebenfalls Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium ist, sagte dass er die Entwicklungen genau beobachte:
    "Wir machen uns Sorgen. Und ich kann ihnen versichern, es gibt nahezu keine Sitzung hier zum Thema Innere Sicherheit, wo wir nicht permanent die Frage beantworten, ob die Möglichkeit existiert, das sich etwas bildet, wie wir es mit dem NSU-Terror-Trio hatten…"
    Michael Frieser (CSU): "Keinen Zugang zu irgendwelchen Waffen"
    Der Unions-Abgeordnete Schuster hoffe auf die Überwachung der Reichsbürger durch den Verfassungsschutz. Der Vorfall gestern erleichtere einen solchen Schritt.
    Konkrete Schritte fordert auch Michael Frieser von der CSU-Landesgruppe, alle Reichsbürger müssten jetzt genau überprüft werden:
    "Alle, die wir im Blickfeld haben, von den Landes- und Bundesbehörden deutlich zu überwachen, dort klar machen, dass es hier keinen Zugang zu irgendwelchen Waffen gibt."
    Bei diesen Waffenprüfungen dürften die Ordnungsämter nicht allein gelassen werden, das Landeskriminalamt müsse helfen, da die Gewaltbereitschaft hoch sei.
    Uli Grötsch (SPD): "Waffenbesitzkarte entziehen"
    Rechts-Terrorismus könne er hier aber nicht erkennen, sagte der CSU-Abgeordnete Frieser, der seinen Wahlkreis bei Nürnberg, also nahe dem Tatort hat.
    "Terrorismus ist sicherlich mehr. Terrorismus ist das verbinden, das Netzwerken, das ist das Netzwerken, das ist das Durchsetzen mit Gewalt einer bestimmten Ideologie. Das sehe ich bei den Reichsbürgern eher nicht."
    Schärfer äußerte sich Uli Grötsch, Obmann der SPD im NSU-Untersuchungsausschuss und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium. Neonazis dürften keine Waffen tragen:
    "Wir fordern als SPD-Bundestagsfraktion schon seit geraumer Zeit, dass amtsbekannten Neonazis und Rechtsextremisten die Waffenbesitzkarte entzogen werden muss."
    Petra Pau (Die Linke): "Umgang mit Waffen wurde heruntergespielt"
    Die Linken-Politikerin Petra Pau beklagt, dass der Staat zu lange beim Thema "Reichsbürger" und Waffenbesitz durch Rechte zu lange weggesehen habe, Gewalttaten, sogar Morde habe es in der Vergangenheit bereits gegeben:
    "Es ist leider keine neue Qualität. Aber es zeigt sich, wie sehr in den letzten Jahren, wie der Besitz und der Umgang mit Waffen durch Rechtsextreme bagatellisiert und heruntergespielt wurde."
    Auch die grüne Innenpolitikerin Irene Mihalic beklagt den bisher zu laxen Umgang mit dieser Gruppe. Sympathisanten seien eher als Spinner abgetan worden:
    "Insgesamt muss ich aber sagen, dass die Reichsbürger-Bewegung sehr sehr lange von der Bundesregierung, vom Verfassungsschatz lange unterschätzt wird."
    Auch die Gewerkschaft der Polizei zeigte sich erschüttert über den Tod des 32-Jährigen. Der menschenverachtende Angriff sei der traurige Höhepunkt der absurden Umtriebe der "Reichsbürger"-Bewegung. Die Gewerkschaft forderte, die Umtriebe der "Reichsbürger"-Bewegung, dass der Staat die Bewegung in die Schranken verweisen müsse.
    Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigt sich heute übrigens mit dem Tod von Michèle Kiesewetter. Die Polizistin wurde 2007 in Heilbronn erschossen, das Verbrechen wird der rechten Terror-Zelle NSU zugeordnet.