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Reaktionen auf Sicherheitskonzept
Viele Meinungen, aber bislang kein Konsens

Kritik am Alleingang des Innenministers, das ungelöste Problem der "Home Grown"-Terroristen - das neue Sicherheitskonzept von Thomas de Maizière sorgt weiter für Diskussionen. Laut Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen wird die Beobachtung der Szene immer schwieriger, weil diese sich zunehmend diversifiziere.

Von Falk Steiner | 07.01.2017
    Ahmed Abdelasis A. alias Abu Walaa von hinten bei einer Video-Botschaft.
    Ahmed Abdelasis A. (32), alias Abu Walaa, ein Prediger der radikalen deutschen Salafisten-Szene, der sein Gesicht nicht öffentlich zeigt. Für seine Anhänger ist eine Ideologie mit klarer Ansage attraktiv. (dpa / Screenshot)
    Die Bundespolitik beschäftigt sich weiter mit der Frage, wie mehr Sicherheit in Deutschland hergestellt werden kann. Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer zeigt sich in einem Interview mit der Zeitung Die Welt überrascht von der Tonalität mancher Kritik an Thomas de Maizières Vorschlägen: Zwar halte er eine Auflösung der Landesämter für Verfassungsschutz "derzeit nicht für geboten", so Mayer, aber viele Punkte brächten eine Verbesserung der Sicherheitslage in Deutschland.
    Vorstoß im Alleingang
    Der sächsische Innenminister Markus Ulbig, CDU, zeigt sich grundsätzlich über Inhalte gesprächsbereit. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz kritisiert aber de Maizières Stil: Er hätte sich gewünscht, so Ulbig zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass "dieses Papier vorab im Kreise der Innenminister besprochen worden wäre." Der Vorstoß im Alleingang habe die Diskussion erschwert.
    Home Grown-Terrorismus
    Im Interview mit dem Magazin Der Spiegel bekräftigt derweil der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel seine Kritik an de Maizières Vorschlägen. Er warnt davor, die Debatte auf Gesetze, ausländerrechtliche und polizeiliche Maßnahmen zu beschränken. Das Problem seien gerade nicht Terroristen, die als Flüchtlinge getarnt einreisten, sondern der sogenannte Home Grown-Terrorismus. Gegen den helfe Strafrecht nur begrenzt:
    "Es braucht die Verbindung von Prävention, Stabilität in der Gesellschaft und der Arbeit von Polizei, Nachrichtendienste und Justiz", so Gabriel. Er fordert in diesem Zusammenhang ein Verbot von salafistischen Moscheen und die Auflösung von Gemeinden sowie die Ausweisung von Predigern.
    Wagenknecht: "Es gibt Gesetze, die werden überhaupt nicht angewandt"
    Die Forderung unterstützt auch Sahra Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei. Im Interview der Woche des Deutschlandfunks sagt sie:
    "Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb man es zulässt, dass islamistische Hassprediger – da gibt es ja viele auch in der Salafisten-Szene beispielsweise – in Deutschland völlig legal tätig sind, teilweise auch instruiert werden zum Beispiel von türkischen Behörden, vom türkischen Despoten Erdoğan, ihm direkt unterstehen und dann hier in Deutschland ihre Hassbotschaften verbreiten."
    Die Vorschläge des Innenministers sind für Sie ungeeignet:
    "Wie konnte es sein, dass jemand wie dieser Attentäter, von dem im Grunde schon lange klar war, dass er hochgefährlich ist, dass er einen Anschlag plant, dass der so lange unbehelligt nicht nur sich in Deutschland aufhielt, sondern auch noch quer durch Deutschland gereist ist. Das hätte überhaupt nicht sein dürfen. Und da gibt es längst Gesetze, die das auch verhindert hätten. Also, was ich de Maizière vorwerfe ist, dass er auch so tut, dass man jetzt alles neu umstrukturieren muss, um bestimmte Fehlentwicklungen zu verhindern. Teilweise gibt es Gesetze, aber die werden überhaupt nicht angewandt."
    Ideologie mit klarer Ansage
    Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen spricht von 9.700 Salafisten in Deutschland, über 1.200 würden dem islamistisch-terroristischen Spektrum zugerechnet. Das Wachstum liege an verstärkter Werbung und der Attraktivität, vor allem für junge Männer, die zum Teil aus dem allgemeinen kriminellen Milieu kämen. "Diese Gruppe sucht eine Ideologie, die eine klare Ansage macht, was schwarz und was weiß ist", so Maaßen.
    Die Szene habe sich zudem diversifiziert, so Maaßen im dpa-Interview, sie würde immer regionaler und lokaler, was die Beobachtung erschwere. Im Fall Amri könne er bisher keine Fehler der Verantwortlichen erkennen – es hätte nach Kenntnislage keinen Grund gegeben, ihn in Haft zu nehmen.