Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Reaktorexperte zweifelt an dauerhaftem Einsatz eines Schutzwalls für Fukushima

Damit aus den Fukushima-Reaktoren kein radioaktiv belastetes Wasser weiter in den Pazifik fließt, soll ein Schutzwall um die Anlage gebaut werden. Die Technik sei nicht neu, sagt Sven Dokter von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Köln. Allerdings sei das Verfahren sehr aufwendig und nicht innerhalb weniger Monate fertigzustellen, ergänzt er.

Sven Dokter im Gespräch mit Susanne Kuhlman | 04.09.2013
    Susanne Kuhlmann: Im Osten Japans bebte heute die Erde, was auch im rund 600 Kilometer entfernten Tokio deutlich zu spüren war. Tokio hofft übrigens, in ein paar Tagen den Zuschlag für die Olympischen Spiele des Jahres 2020 zu bekommen. Währenddessen bessert sich die Situation in der Gegend um das Kernkraftwerk von Fukushima, zerstört von einem Erdbeben und Tsunami vor zweieinhalb Jahren, offenbar überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Regierung hält die Betreibergesellschaft TEPCO für unfähig und will die Probleme dort jetzt selbst lösen.

    Seit zwei Jahren strömen täglich 300.000 Liter radioaktiv belasteten Wassers in den Pazifik, jetzt stärker belastet, als bisher vermutet wurde. Ein Schutzwall aus gefrorenem Erdreich soll um die Reaktoren eins bis vier gelegt werden, auch um den Zufluss von Grundwasser zu stoppen.
    Am Telefon ist Sven Dokter von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Köln. Guten Tag!

    Sven Dokter: Guten Tag, Frau Kuhlmann.

    Kuhlmann: Ein fachkundiger Blick, wenn auch aus erheblicher Ferne, Herr Dokter. Was halten Sie von dieser Technik, die ja aus dem Tunnelbau stammt?

    Dokter: Ja. Die Technik als solche ist, wie Sie sagen, schon etabliert. Es ist im Prinzip nichts Exotisches. Man weiß auch, dass das ganz gut funktioniert. Das heißt, wenn man Erdreich gefriert, verhindert man auch, dass Wasser da durchgelangt. Die Frage ist, ob das in der Größenordnung, wie das da geplant ist, und vor allen Dingen auch über die Dauer, die dort möglicherweise benötigt werden wird, aufrechterhalten werden kann. Das ist auf jeden Fall sehr aufwendig und das wird auch nicht innerhalb weniger Monate fertigzustellen sein.

    Kuhlmann: Wie muss man sich ein solches Verfahren denn vorstellen?

    Dokter: Da werden bis zu einer gewissen Tiefe Kühlschleifen, also Leitungen in die Erde eingebracht, senkrecht von oben in die Erde rein, und durch diese Leitungen werden dann Kühlmittel gepumpt. Das kann Sole sein, also Salzwasser, die wird dann auf etwa Minus 30 bis 40 Grad abgekühlt. Das kann in Extremfällen, was ich mir aber da nicht vorstellen kann, auch flüssiger Stickstoff sein. Das hat man hier in Köln beispielsweise nach dem Einsturz des Stadtarchivs gemacht.

    Kuhlmann: Ein Teil des belasteten Kühlwassers wird ja dekontaminiert, also von einem Teil der Radioaktivität befreit. Wie funktioniert das?

    Dokter: Da werden am Tag so 800 bis 1000 Kubikmeter Wasser aus den Tiefgeschossen der Reaktorgebäude beziehungsweise der Maschinenhäuser neben den Gebäuden abgepumpt und die werden dann durch so eine mehrstufige Anlage geschleust. Da gibt es Ölabscheider, da gibt es Entsalzungsanlagen und vor allen Dingen wird da das Cäsium dem Wasser fast vollständig entzogen. Das Problem ist, dass insgesamt aber so viele radioaktive Stoffe in dem Wasser enthalten sind, dass auch nach dieser Behandlung die Belastung des Wassers noch viel zu hoch ist, als dass man es ins Meer leiten könnte.

    Kuhlmann: Letzter Ausweg Pazifik – wenn technische Maßnahmen wegen der schieren Menge des Wassers nicht ausreichen, was passiert dann im Meer rund um die Katastrophenregion?

    Dokter: Wie Sie es in der Anmoderation sagten, haben wir ja schon die Situation, dass seit wahrscheinlich schon zwei Jahren kontinuierlich da radioaktives Wasser ins Meer gelangt. So wie sich das bislang darstellt, anhand der Daten, die man da sehen kann, sind die Auswirkungen im Moment noch eher lokal begrenzt.

    Das heißt, man kann an der Anlage im Meer bis zu einer Entfernung von einigen Hundert Metern relativ hohe Konzentrationen messen. Das setzt sich im Meeresboden ab, das lagert sich an in Fischen, die dort vor Ort sozusagen ortsfest leben, in den ganzen Pflanzen, die ja auch Teil der Nahrungskette sind. Wenn man dann ein bisschen weiter außerhalb misst, beispielsweise in etwa drei Kilometern Entfernung, da ist es bislang noch so, dass man beispielsweise Cäsium nicht mehr messen kann. Das hängt aber natürlich entscheidend davon ab, wie viel Wasser dann möglicherweise irgendwann eingeleitet wird.

    Kuhlmann: Soweit Sven Dokter zu den Plänen der japanischen Regierung, die Probleme in Fukushima in den Griff zu bekommen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.