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"Recherchescout"
Streit um journalistische Zulieferfirma

Viele Medienunternehmen bauen ihre Redaktionen ab. Wer übrig bleibt, muss häufig in derselben Zeit mehr schaffen. Auch freie Autoren haben immer weniger Zeit für Recherche. Das Münchner Unternehmen Recherchescout will die Lücken füllen. Was zunächst sinnvoll klingt, birgt für den unabhängigen Journalismus Gefahren.

Von Daniel Bouhs | 07.03.2015
    Mediziner sitzen vor zahlreichen Journalisten und Kameras.
    Journalisten bei einer Pressekonferenz: Nur duch eigene Recherchen können Journalisten unabhängig berichten. (dpa / picture-alliance / Yoan Valat)
    Ja, dieser Dienst wirkt praktisch. Recherchescout will eine Art Wundertüte sein: "Finden Sie als Journalist und Redakteur in kürzester Zeit Material und Ansprechpartner für eine schnelle und tiefgründige Recherche." Das Prinzip dahinter ist einfach: Der Journalist platziert seine Anfrage, der Dienstleister sucht nach Ansprechpartnern. Recherche auf Knopfdruck sozusagen. Das klingt verlockend. Und glaubt man den Machern, dann kommt ihre Plattform bei den Recherchierenden an:
    "Nachdem wir vor einem Jahr gestartet sind und sich inzwischen mehr als 1.500 Journalisten angemeldet haben, sehen wir, dass es bei den Journalisten durchaus den Bedarf gibt."
    Berichtet Martin Fiedler, der die Plattform mit gegründet hat. Er sagt aber auch: 1.500 Anmeldungen sind keine 1.500 Anfragen. Die bewegten sich wiederum im "dreistelligen Bereich" – was immer das konkret auch heißen mag.
    Für die Journalisten ist der Dienst jedenfalls kostenfrei. Zahlen muss, wer vermittelt werden und damit die Chance haben will, in Berichten vorzukommen – also Unternehmen oder Verbände.
    Die Hamburger Universität hat Recherchescout getestet. Journalistik-Professor Volker Lilienthal sprach anschließend von einer "Black Box": Man wisse gar nicht, welche Unternehmen bei einer Anfrage überhaupt berücksichtigt würden.
    Noch deutlicher wird Günter Bartsch vom Netzwerk Recherche:
    "Aus unserer Sicht ist das eigentlich das Gegenteil von Recherche, was da passiert, weil ich als Journalist stelle einfach nur eine Frage und bekomme dann Antworten von denen, die da drin vorkommen, aber eben nicht von all denen, die nicht drin vorkommen. Und insofern ist das für uns keine gute Recherchebasis."
    Unternehmen bezahlen für Auftritt in der Recherchescout-Datenbank
    Recherchescout wirbt wiederum eben nicht damit, die Grundlage der Recherche zu übernehmen. Man sei vielmehr ein ergänzendes Angebot. Damit hat Günter Bartsch grundsätzlich kein Problem, sagt er. Die Realität sehe aber doch in vielen Redaktionen anders aus. Da sei die Versuchung nun mal groß, ausschließlich auf einen Dienst wie Recherchescout zu setzen. Genau das sei dann eine Falle.
    "Bequem ist es zumindest vielleicht, aber die Auswahl ist schon mal begrenzt. Also ich habe irgendwo mal bei Recherchescout gelesen, dass es quasi mehr Quellen sind, die man dann zur Verfügung hat und so weiter. Die Grundmenge ist erst mal eine kleinere Zahl von Quellen."
    Recherchescout-Gründer Fiedler kontert. Journalisten würden heute meist vom Schreibtisch aus recherchieren und ein paar Stichwörter in Suchmaschinen eingeben. Dort sei die Menge der Treffer natürlich größer – eben ungefiltert. Dabei würden Journalisten allerdings von Informationen regelrecht überflutet. Vor allem aber setze sich am Ende doch auch hier längst durch, wer Geld in die Hand nehme und sich Präsenz erkaufe.
    "Derjenige, der sich in der Suchmaschinenoptimierung gut anstellt oder viel Geld da investiert, der ist dann in Google auf Seite eins oder zwei – und auf Seite zwei wird man schon kaum noch gefunden. Insofern muss man einfach sagen: Wir öffnen die Tür für kleine Unternehmen oder Selbständige, die bisher vielleicht gar keine Pressearbeit betreiben können, um auch denen zu bezahlbaren Möglichkeiten eine Chance zu geben, von Journalisten wahrgenommen zu werden."
    Ein Monat Präsenz in der Datenbank kostet Unternehmen 150 Euro. Verglichen mit klassischer Pressearbeit ist das tatsächlich nicht viel Geld. Die Macher werben dann auch mit ersten Kunden, mehr als Hundert seien es bereits:
    "Das sind zum Teil Großunternehmen, das sind aber auch sehr kleine Unternehmen, vor allen Dingen aus den Bereichen Energie, Gesundheit, Finanzen. Das sind Unternehmensberatungen, das sind auch öffentliche Einrichtungen wie Kommunen oder auch Stiftungen, Verbände, Vereine."
    Der Dienst funktioniert aber natürlich nur, wenn ihn auch möglichst viele Journalisten nutzen. Recherchescout wirbt dafür derzeit etwa in Newslettern für sich, die sich speziell an Medienmacher wenden garniert mit einem flotten Spruch: "Googelst Du noch oder recherchierst Du schon?"
    Für manch einen Rechercheur ist das eine Provokation. Am Ende kommt es aber ohnehin wie immer darauf an, dass Journalisten nicht nur einer Quelle vertrauen, sondern auch noch einen zweiten Weg einschlagen. Gute Recherche wird ein aufwändiges Geschäft bleiben – Recherchescout hin oder her.