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Rechtstreit mit Erdogan
Böhmermann geht gegen "Schmähgedicht"-Urteil in Berufung

Jan Böhmermanns Anwalt Christian Schertz hat angekündigt, gegen das heute vom Hamburger Landgericht gefällte "Schmähgedicht"-Urteil Berufung einzulegen. Das Gericht habe die Bedeutung der Kunstfreiheit verkannt. Dem Urteil zufolge bleibt Böhmermanns Satire über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan in weiten Teilen verboten.

Von Axel Schröder | 10.02.2017
    ZDF-Neo-Moderator Jan Böhmermann
    Jan Böhmermann muss vorläufig auf die Wiederholung weiter Teile seines "Schmähgedichts" verzichten. (dpa / picture alliance / Henning Kaiser)
    Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan konnte sich mit seiner Unterlassungsklage gegen Jan Böhmermann nur teilweise durchsetzen. Die Vorsitzende Richterin am Hamburger Landgericht zitierte in ihrer Urteilsverkündung noch einmal die besonders vulgären Passagen mit eindeutig sexuellem Bezug aus der so genannten "Schmähkritik" des Satirikers. Diese Passagen stufte das Gericht als rechtswidrig ein. Jan Böhmermann darf sie nicht wiederholen. Andere Teile des Gedichts, in denen der türkische Präsident zum Beispiel als "sackdoof, feige und verklemmt" beschrieben wird, sind weiterhin zulässig.
    Kai Wantzen, der Sprecher des Gerichts erklärte, warum die Zivilkammer so entschieden hat:
    "Da hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die Meinungsfreiheit ganz besonders berücksichtigen muss, dass es sich bei dem Kläger um ein Staatsoberhaupt handelt, und dass die Meinungsfreiheit ihre Bedeutung aus der Machtkritik heraus hat. Und daraus rechtfertigt sich der Umstand, dass eben die Stellung des Klägers als Staatspräsident auch dazu führt, dass er sich mehr gefallen lassen muss als möglicherweise ein anderer."
    Erdogans Anwalt freut sich über den Urteilsspruch
    Mit dem Urteil folgt die Kammer der Linie, die es auch schon bei der einstweiligen Verfügung gegen den Satiriker im April vergangenen Jahres vertreten hatte. Dass die Mainzer Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Verfahren gegen Jan Böhmermann die Ermittlungen wegen Beleidigung eingestellt hatte, sei kein Grund gewesen, auch im zivilrechtlichen Verfahren die Unterlassungsklage des türkischen Staatspräsidenten zurückzuweisen, so Gerichtssprecher Kai Wantzen:
    "Diese Fragestellung war hier für diese zivilrechtliche Auseinandersetzung völlig unerheblich, weil es für den Unterlassungsanspruch gerade nicht auf ein subjektives Moment ankommt, sondern darauf, dass in objektiver Hinsicht eine Rechtsverletzung stattgefunden hat."
    Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger freut sich über den Urteilsspruch:
    "Ich bin mit dem Urteil zufrieden. Ich habe es jetzt auch vollständig vorliegen, und es langt mir."
    Dass nach wie vor Teile des Gedicht wiederholt werden dürfen, sei unerheblich, so der Anwalt:
    "Was will Herr Böhmermann mit diesem Rumpfgebilde? Damit kann er ja nichts anfangen."
    Böhmermann-Anwalt: "Gewiss, dass obere Instanzen in unserem Sinne entscheiden werden"
    Jan Böhmermanns Anwalt Christian Schertz kündigt an, gegen das Urteil Berufung einzulegen:
    "Ich bin auch sehr gewiss, dass die oberen Instanzen in unserem Sinne entscheiden werden, weil das Verfassungsgericht in den letzten Jahren nochmal eindeutig in verschiedenen Entscheidungen die Kunstfreiheit sehr gestärkt hat. Und auch nochmal zuletzt betont hat, dass Schmähkritik nur in ganz wenigen Ausnahmefällen überhaupt angenommen werden darf. Und das Verfassungsgericht hat auch noch mal betont im letzten Jahr in einer Parallelentscheidung, dass unbedingt der Kontext zu berücksichtigen ist. Und all dieses hat hier das Landgericht in erster Instanz verkannt."
    Die heutige Entscheidung wird aller Voraussicht nach vom Hanseatischen Oberlandesgericht überprüft werden. Der Streit Erdogan gegen Böhmermann geht in die nächste Runde.