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Recycling
Schrott zu Gold - ein Schwabe hat die Ideen dazu

Notebooks, Fernseher, Handys – rund 44,7 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen jährlich rund um den Globus an. Ein Mittelständler aus Schwaben sucht in dem Elektromüll nach wertvollen Rohstoffen. Seinen Expertenrat suchen die größten Elektronikkonzerne der Welt.

Von Uschi Goetz | 07.12.2018
    Überall wird telefoniert und getippt. Flüsternd führt Armin Kienle durch die großzügigen, über zwei Stockwerke verteilten Büroeinheiten.
    "Tatjana macht die ganzen osteuropäisch, russisch, tschechisch, polnisch. Da hinten der Moritz macht die IT. Hier türkisch, da hinten ist spanisch…"
    Weltweites Recycling-Knowhow
    Im Industriegebiet von Holzgerlingen nahe Böblingen laufen viele Fäden aus der ganzen Welt zusammen. Hier geht es um Recycling und um Umweltvorschriften.
    "Theo, Servus! Bist auch mal wieder da?"
    Geschäftsführer Armin Kienle, wilde schwarzgraue Locken, Sweatshirt, pflegt einen lockeren Umgang mit seinen Leuten. Theo sitzt in Singapur und ist nur kurz im Schwäbischen.
    Elektroschrott wird bis heute zum größten Teil illegal entsorgt. Gelingt es jedoch, ausgediente Elektrozahnbürsten, Kühlschränke, Handys, Computer, auch Batterien, im Kreislauf zu halten, könnten Ressourcen geschont werden. Hierfür braucht es ein funktionierendes Recycling, das mehr Werte schafft, meint Firmenchef Kienle:
    "Das muss im Kreis funktionieren. Ich, als Hersteller, muss sofort mein Produkt wieder zurückbekommen, damit ich das zerlegen kann, in Einzelteile, Elemente, um daraus dann wieder neue zu bauen."
    Bei diesem Prozess unterstützen Kienle und seine Leute etwa Procter & Gamble, Hewlett Packard und andere große Unternehmen.
    Auch Prozesse brauchen Künstler
    Der Unternehmer mittleren Alters sitzt in einem Besprechungszimmer und trinkt Grüntee. Ein Geschenk von Geschäftsfreunden aus Asien sagt der Diplom Wirtschaftsingenieur, dessen Karriere bei HP angefangen hat:
    "Mein Glück, dass ich dort war, weil ich dort erkannt habe, dass ich Künstler bin, Prozesskünstler, ich konnte komplexe Prozesse so abbilden, dass sie sehr gut funktioniert haben."
    Im Erziehungsurlaub mit einer seiner zwei Töchter, beschloss Kienle sich selbständig zu machen. 2002 gründete er TechProtect. Das Unternehmen mit rund 65 Mitarbeitern berät seitdem Hersteller von Elektrogeräten dabei, wie sie ausgediente oder kaputte Geräte zurückbekommen können. Das Prinzip dabei:
    "Gebt doch auf das alte Produkt einen Discount, dann kauft der Kunde das neue von dir. Und das alte können wir dann nutzen, entweder zum Re-Use, also Wiederverwendung, wenn es noch gut ist auf einem Zweitmarkt, irgendwo außerhalb von Europa, vielleicht in Afrika oder Asien, oder man muss es recyceln und seitdem arbeiten wir daran, das zu optimieren."
    TechProtect organisiert dabei im Hintergrund auch noch die Logistik bei der Rücknahme der Geräte.
    Verkauf nur mit Rücknahme
    Der bestellte Drucker wird zum Beispiel geliefert, dabei nimmt die Spedition das alte Gerät vom Kunden gleich mit. Seit 2005 regelt europaweit das Elektro- und Elektronikgerätegesetz, kurz WEEE, die Elektronikschrottrücknahme. Seitdem sind die Hersteller ohnehin gesetzlich zur Rücknahme verpflichtet. Allerdings legt jedes europäische Land das Rücknahmegesetz anders aus.
    "Dadurch braucht jeder große Hersteller aus den USA, aus Korea, egal wo sie herkommen, müssen sich jetzt um diese 27 verschiedene Gesetze in Europa kümmern, weil es jeder anders interpretiert hat, diese eine EU-Direktive."
    So kam es neben TechProtect zur Gründung eines weiteren Unternehmens in Holzgerlingen: 1 CC genannt. Für die Beratung der weltweiten Kundschaft sind etwa 35 Mitarbeiter verantwortlich:
    "Heute betreut die 1cc nicht nur 27 Ländergesetze im Abfallbereich und im Produktbereich, sondern 81 Länder sind schon der EU gefolgt und haben ähnliche Gesetze gemacht, dass der Hersteller verantwortlich ist."
    Lotse durch den Dschungel der Recycling-Gesetze
    One CC hat alle dabei auf dem Schirm, etwa China zählt dazu auch einige US-Bundesstaaten. Alle haben die Vorgaben der EU im Kern übernommen, wonach der Hersteller von Elektrogeräten auch für das Recycling der Produkte verantwortlich ist.
    HP und Lenovo zählen zum Kundenkreis von One cc. Auch das chinesische Unternehmen Foxconn mit mehr als einer Million Mitarbeitern setzt auf das Knowhow aus Baden-Württemberg. Gibt es in einem der 81 Ländern keinen autorisierten Recycler, auch dann kommen die Schwaben zum Zug:
    "Dann gehen wir da mal vor Ort und bauen da mal einen auf, dass er die Standards erfüllt, die man dann ja braucht in der westlichen Welt hinsichtlich Business- Contacts, dass man auch sauber arbeiten, also keine Kinderarbeit, keine Ausbeutung, sauber Steuerzahlen und alles, was da dazu gehört einfach."
    Rumkommen, Geld verdienen, Welt verbessern
    Kienle steht schon an der Tür des Besprechungszimmers. Mit einem Partnerunternehmen habe TechProtect in den vergangenen zwei Jahren in Afrika die ersten Zerlegebetriebe für ausgediente Elektrogeräte aufgebaut, erklärt Kienle, der sich in seinem Heimatort auch kommunalpolitisch engagiert.
    "Es macht einen auch glücklich, wenn man in dem Umfeld arbeiten kann. Weil man tatsächlich versucht neue Wege zu gehen, mit dem, was man tut. Also versucht, der Nachwelt noch etwas zu hinterlassen, also auch für die Kinder und Kindeskinder, dass man mit den Ressourcen auf der Mutter Erde besser umgeht und nebenher noch ein bisschen Geld verdient und auf der Welt rumkommt. Das sind die schönen Sachen."