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Rede zur Präsidentschaftskandidatur
Joe Biden will Amerikaner einen statt weiter zu spalten

Auf dem Parteitag der Demokraten in den USA hat Präsidentschaftskandidat Joe Biden versprochen, die Spaltung des Landes zu überwinden. Biden sagte, er wolle ein Präsident für alle Amerikaner sein. Mit US-Präsident Donald Trump ging er hart ins Gericht.

Von Thilo Kößler | 21.08.2020
August 20, 2020: Joe Biden hält seine Rede zur Präsidendschaftskandidatur
Joe Biden stand im Spagat zwischen Trump-Kritik und Hoffnung verbreiten (imago images /Zuma Wire)
Es war eine Nominierungsrede in schwieriger Zeit, inmitten einer multiplen Krise aus Pandemie, aus Selbstzweifeln im Zeichen der Rassismus-Debatte und unter dem Eindruck eines Präsidenten, dessen gesamte Amtszeit eine Belastungsprobe für das demokratische System war. Joe Biden stand im Spagat, den Amtsinhaber zu kritisieren und gleichzeitig Hoffnung zu verbreiten; die richtigen Worte der Trauer um 170.000 Corona-Tote zu finden und den Angehörigen gleichzeitig Trost zu spenden.
Das sei schwer, bekannte Biden, der selbst von schweren Schicksalsschlägen getroffen wurde – er habe die Erfahrung gemacht, dass die Toten zwar nicht mehr da sind, aber im Herzen lebendig bleiben.
Präsidentschaftskandidat Joe Biden vor der US-amerikanischen Flagge
Joe Biden - Leicht links von der Mitte
Joe Biden ist ein Politiker, der versucht, die US-amerikanische Gesellschaft zu versöhnen anstatt sie zu spalten. Seine Fähigkeit zur Empathie macht ihn zu einem gefährlichen Gegner für Donald Trump.
Emotionale Worte
Er habe in den Stunden tiefer persönlicher Not den Trost erfahren, dass man den Schmerz überwinden könne, sagte Biden, indem man sich Richtung, Sinn und Ziele gebe.
Der 77-jährige Joe Biden ist eine Präsidentschaftskandidat, der trösten und versöhnen möchte, der die zutiefst polarisierte amerikanische Gesellschaft einen will statt weiter zu spalten. Mit Donald Trump ging Biden hart ins Gericht – der Präsident sei in dieser Pandemie mehr mit sich selbst beschäftigt gewesen als mit allem anderen. Er habe die Amerikaner nicht vor der Pandemie geschützt – und das sei unverzeihlich, sagte Biden.
Biden trat mit dem Versprechen vor sein digitales Publikum, ein Präsident für alle Amerikaner zu sein – nicht nur für die, die ihn gewählt, sondern auch für die, die ihn dann nicht gewählt hätten.
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Geschickter Mix aus Bildern, Szenen, Statements
Es ist in diesen vier Tagen dieses digitalen Nominierungsparteitages gelungen, in einem geschickten Mix aus sensiblen Bildern, aus Alltagsszenen und Politiker-Statements ein realistisches Bild eines Landes in Not zu zeichnen. Die politischen Botschaften wurden in dieser innovativen Form eines Parteitags effektvoll zugespitzt werden. So machte sich die Sorge um den Fortbestand der Demokratie, ihrer Institutionen und der demokratischen Prozesse in all den Tagen immer wieder an Trumps Behauptung fest, dass die Wahl mit Betrug einhergehe, wenn viel Bürger ihre Stimme per Briefwahl abgeben.
Ihren Protest artikulierten viele Beteiligte – z.B. auch die Comedian Sarah Cooper, die Trump mit Lippen-synchronisierten Videos parodiert und damit viel Erfolg hat. Während einer dieser persiflierenden Einspielungen zu Trumps Behauptung der Wahlmanipulation gab Donald Trump zeitgleich und gewissermaßen synchron dem Sender Fox-News ein reales Telefoninterview. Seine Behauptung: die Wahlen würden manipuliert.
Die ganze Dramatik des Wahlkampfs
Während Sarah Cooper die Wähler aufforderte, ihr Wahlrecht wahrzunehmen und sich nicht irritieren zu lassen, erklärte Donald Trump die Wahlen vorab zum größten Betrug in der Geschichte und behauptete, die Demokraten würden den Republikanern die Stimmen klauen.
Barak Obama
Obama und Harris kritisieren Trump
In ihrer Antrittsrede hat Kamala Harris, frisch gekürte Kandidatin der US-Demokraten für die Vizepräsidentschaft, Donald Trump vorgeworfen, die Coronakrise für seine Zwecke zu missbrauchen. Barack Obama ging noch einen Schritt weiter.
So dokumentierte diese zeitgleiche Auseinandersetzung auf zwei Kanälen und auf unterschiedlichen Ebenen die ganze Dramatik dieses Wahlkampfs: Die Demokraten müssen den Behauptungen Donald Trumps und der Wirkungsmacht des Präsidenten ein Wahlkampfkonzept entgegensetzen, das auf die Wähler überzeugend wirkt.
Beim harten Kern der Trump-Anhänger wird die Botschaft der viertägigen Convention der Demokraten sicherlich kein Gehör finden – bei anderen Republikanern möglicherweise schon. Der 95-jährige Weltkriegs-Veteran Edward Good bekannte im Livestream der Demokraten, er habe als überzeugter Republikaner 2016 Donald Trump gewählt. Heute erkläre er ihn zum schlechtesten Präsidenten der US-Geschichte und sei froh, wenn er gehe.