Der Sprecher, ein zuvor zumeist schweigender, hat einen neuen Mund bekommen. Und dieser muss eingesprochen werden. Er muss die Vokale exerzieren und ihr Fehlen zu kompensieren lernen, denn: der Mund ist der Schlittenhund des Denkers und seiner Gedanken. Er wird eingesprochen nach allen Regeln der konkreten Poesie und des jandlschen Witzes. Dem Gedenken Ernst Jandls ist das Buch gewidmet. Und, soviel sei schon jetzt gesagt, Gert Jonke kann sich eine solche Zueignung leisten. Es ist eine Verbeugung auf gleicher Höhe. Der Mund hingegen kann mit solchen Feinheiten nichts anfangen. Sein Eigensinn zielt weniger auf den künstlerischen als auf den öffentlichen, den kommerziellen Erfolg. Und wenn ich jetzt sage, der Subtext dieser Sprechsonate ist der stets prekäre Versuch der Selbstfindung, dann ist dieser Satz angesichts der musikalisch durchgearbeiteten Eleganz der Sätze von Gert Jonke geradezu monströs, aber ganz falsch ist er nicht.
Der Mund ist, laut Jonke, ein ganz primitiver, wenn auch raffinierter Behauptungsaufsteller. Er kann sogar fiktive Straßenbahnenhaltegestelle aufstellen und kommt damit durch. Der Sprecher kämpf gegen den Mund mit Hilfe des Schreibens, er vertraut dem Stift. Der Mund schnappt nach dem Stift, er verweigert die Nahrungsaufnahme und dies öffentlich auf äußerst blamable Weise. Und dass diese internen Auseinandersetzungen, diese Slapstick-Kämpfe tränentreibend komisch sind, das kann ich Ihnen versichern.
Redner rund um die Uhr ist ein Versuch, sich selbst redend und schreibend wieder zusammenzusetzen, ein Versuch, sich selbst und das Kind, das man einmal war, wieder in Einklang zu bringen, wohl wissend, dass dies nicht geht, obwohl man es immer wieder versuchen muss. So wären dann Sprecher, Hörer und Mund verbunden zu einer Person, ebenso wie der Mann und das Kind, und alles wäre in Ordnung, wenn nicht zugleich nichts in Ordnung wäre.
Ich spüre, dass ich gleichzeitig als Kind woanders mir unerreichbar aufwachse und spüre, wie ich mir entgegenwachse als Erwachsener hier stumm und taub, ohne dabei sein zu können, eine Kindheit, die ich dennoch erlebe. - Bin mir unerreichbar fern.
Trauer und Komik wohnen nahe beieinander in der Melodie dieser Sprechsonate. Sie werden in ihr nicht aufgehoben, sondern in sie aufgenommen. Oder vielmehr: Sie sind Bestandteil dessen, was der Sprecher den Umbau seines Nervensystems in ein Musikinstrument nennt. Und in diesem Fall wird man Sprecher und Autor wohl in eins setzen dürfen, obwohl der Autor, im Gegensatz zum Sprecher, der dieses Instrument für sich allein behalten möchte, uns die Klänge seiner Nervenharfe nicht vorenthält, Gott sei dank. Denn nur so kann uns Lesern zu teil werden, was der Sprecher empfindet und der Autor mit seinem Stift in diesem Buch verbreitet: wehmütiges Glück und lachkrampfgeschüttelte Heiterkeit.
Am Ende dieses schmalen Buches wird der Sprecher, der nun ausgeredet hat, sich von seinem Mund trennen, und dieser wird im Gesicht des Hörers Platz nehmen. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass der Redner rund um die Uhr überdauern, die dickbäuchige Saisonware überleben wird. Dessen bin ich mir sicher. Denn, so lautet der letzte der schimmernden, sich je nach Lichteinfall verändernden Sätze Gert Jonkes: Denn alles andere wäre ja noch schöner!
Der Mund ist, laut Jonke, ein ganz primitiver, wenn auch raffinierter Behauptungsaufsteller. Er kann sogar fiktive Straßenbahnenhaltegestelle aufstellen und kommt damit durch. Der Sprecher kämpf gegen den Mund mit Hilfe des Schreibens, er vertraut dem Stift. Der Mund schnappt nach dem Stift, er verweigert die Nahrungsaufnahme und dies öffentlich auf äußerst blamable Weise. Und dass diese internen Auseinandersetzungen, diese Slapstick-Kämpfe tränentreibend komisch sind, das kann ich Ihnen versichern.
Redner rund um die Uhr ist ein Versuch, sich selbst redend und schreibend wieder zusammenzusetzen, ein Versuch, sich selbst und das Kind, das man einmal war, wieder in Einklang zu bringen, wohl wissend, dass dies nicht geht, obwohl man es immer wieder versuchen muss. So wären dann Sprecher, Hörer und Mund verbunden zu einer Person, ebenso wie der Mann und das Kind, und alles wäre in Ordnung, wenn nicht zugleich nichts in Ordnung wäre.
Ich spüre, dass ich gleichzeitig als Kind woanders mir unerreichbar aufwachse und spüre, wie ich mir entgegenwachse als Erwachsener hier stumm und taub, ohne dabei sein zu können, eine Kindheit, die ich dennoch erlebe. - Bin mir unerreichbar fern.
Trauer und Komik wohnen nahe beieinander in der Melodie dieser Sprechsonate. Sie werden in ihr nicht aufgehoben, sondern in sie aufgenommen. Oder vielmehr: Sie sind Bestandteil dessen, was der Sprecher den Umbau seines Nervensystems in ein Musikinstrument nennt. Und in diesem Fall wird man Sprecher und Autor wohl in eins setzen dürfen, obwohl der Autor, im Gegensatz zum Sprecher, der dieses Instrument für sich allein behalten möchte, uns die Klänge seiner Nervenharfe nicht vorenthält, Gott sei dank. Denn nur so kann uns Lesern zu teil werden, was der Sprecher empfindet und der Autor mit seinem Stift in diesem Buch verbreitet: wehmütiges Glück und lachkrampfgeschüttelte Heiterkeit.
Am Ende dieses schmalen Buches wird der Sprecher, der nun ausgeredet hat, sich von seinem Mund trennen, und dieser wird im Gesicht des Hörers Platz nehmen. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass der Redner rund um die Uhr überdauern, die dickbäuchige Saisonware überleben wird. Dessen bin ich mir sicher. Denn, so lautet der letzte der schimmernden, sich je nach Lichteinfall verändernden Sätze Gert Jonkes: Denn alles andere wäre ja noch schöner!