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Reform der Gesundheitsberufe
Diätassistenten kämpfen um neues Image

Mit ihrer Berufsbezeichnung sind Diätassistenten unglücklich: Weder aus Sicht von Berufsanwärtern noch aus Sicht von Patientinnen und Patienten sei der Name glücklich gewählt, sagt ihr Dachverband. Das Bundesgesundheitsministerium wollte das reformieren – dann kam Corona.

Von Britta Veltzke | 01.06.2020
Nähwerttabelle auf einer Lebensmittelverpackung
Nährwerttabelle: Diätassistentinnen und Diatassistenten arbeiten in einem hochkomplexen Gebiet (imago images / blickwinkel)
Uta Köpcke liebt ihren Beruf. Nur dem Namen - dem kann die Präsidentin des Verbands der Diätassistenten so gar nichts abgewinnen.
"Ganz ehrlich: Der Begriff Diätassistent ist eine Abschreckung pur. Das ist ganz furchtbar für jemanden, sich ausschließlich mit dem Begriff Diät zu beschäftigen - Reduktionskost. Eine Unterstützung. Das hört sich an wie eine Einparkhilfe, wie ein Parkassistent."
Allerdings wird in den meisten Fällen gar nicht assistiert, sondern eigenverantwortlich gearbeitet. Und zwar laut Gesetz: dem Diätassistentengesetz von 1994. Und Patienten, die assoziierten mit dem Beruf in vielen Fällen nur Frühjahrskuren, Verzicht, Abnehmen. Die, die unbedingt Gewicht zulegen müssten, bezögen den Begriff Diät daher gar nicht auf sich, so Köpcke. Dabei machen Diätassistenten weit mehr als Kalorien zählen. Sie können im Versorgungsmanagement arbeiten. Sprich: Sie sind für die Verpflegung ganzer Kliniken verantwortlich. Oder sie päppeln Patienten nach Operationen auf, stellen künstliche Ernährung für Intensivpatienten zusammen. Das alles bilde der Begriff Diätassistent nicht ab. Und mehr noch, sagt Uta Köpcke:
"Tatsächlich schreckt er nicht nur Patienten ab, sondern er schreckt auch potenzielle Anwärter für diesen Beruf ab."
Name wirkt abschreckend auf Bewerber
Viele Bewerberinnen und Bewerber hätten Abitur. Die wollten nicht assistieren. Die Schülerzahlen sind zurückgegangen. Daher sind von mehr als 55 Ausbildungsstätten gerade einmal 30 übrig geblieben. Hervorgegangen ist der Beruf aus der Pflege. Sogenannte Diätschwestern kümmerten sich einst um schwache Patienten. Später wurde daraus der Ausbildungsberuf Diätassistentin/ Diätassistent.
"Es ist mittlerweile ein hochkomplexes Diätetikgebiet geworden, und wir haben den Sprung irgendwann verpasst, das auf hochschulische, aber immer noch sehr praxisorientierte Beine zu stellen."
Uta Köpcke ist der Meinung, dass die Ausbildung an die Hochschule gehört. So wie im Ausland in der Regel üblich. In Großbritannien oder Norwegen können sich Absolventen weiter entwickeln: vom Bachelor zum Master und sogar zum PhD, also Doktor. Dass das in Deutschland nicht möglich ist: Für Uta Köpcke ein weiteres Indiz für die Reformbedürftigkeit. Die einzige Möglichkeit hierzulande: ein fachähnliches Studium aufzusatteln. So hat es auch Lars Selig gemacht. Nach der Ausbildung zum Diätassistenten an der Berufsfachschule der Uniklinik Leipzig.
"Ich wollte mich akademisieren, wollte mich weiterbilden. Ich war sowieso schon in der Lehre tätig. War für die Ausbildung mit zuständig."
Da lag ein Studium der Medizinpädagogik nahe. Heute leitet Lars Selig das größte klinische Ernährungsteam in Deutschland. Für 14 Kollegen an der Uniklinik Leipzig ist der 36-Jährige verantwortlich. Im Fokus: mangelernährte Patienten.
"Der Begriff Diätassistent ist im klinischen Setting quasi nicht gegeben. Das hat nichts mit Diät zu tun. Gerade der Begriff Mangelernährung. Und deswegen arbeiten wir natürlich auch selten mit dem Begriff und stellt sich nicht vor: Guten Tag, meine Name ist Selig. Ich bin Diätassistent."
Forderung nach einer Namensänderung
Falsche Assoziationen will er lieber vermeiden. Seit Jahren setzen sich Verbandspräsidentin Uta Köpcke und ihre Kollegen für eine andere Berufsbezeichnung ein. Keine leichte Aufgabe. Immerhin gilt es, ein Bundesgesetz zu ändern. Als Alternative wünscht sich der Verband die Namen Ernährungstherapeut oder Diätologe. Darin steckt zwar auch die unliebsame Diät – andererseits wäre es eine Angleichung an die Kollegen in Österreich. Immerhin: Die bundespolitische Aufmerksamkeit ist da. Oder müsste man eher sagen: war da?! Uta Köpcke:
"Jetzt steht es aber tatsächlich im Koalitionsvertrag, dass die Gesetze der Gesundheitsfachberufe in Angriff genommen werden sollen. Und daraufhin hoffen wir auf eine gute Chance. Natürlich ist das durch das Coronavirus sehr in den Hintergrund getreten."
Dabei kommt es Uta Köpcke nicht nur auf die Namensänderung an. Das wichtigste ist ihr der Therapievorbehalt. Das Gesetz definiert zwar, dass Diätassistenten Ernährungstherapien anleiten dürfen, aber nicht, dass nur sie es dürfen.
"So ausdrücklich ist das im Moment nicht im Diätassistentengesetz geregelt. Und das ist für uns tatsächlich die oberste Priorität."
Ein Handwerker arbeitet an Badezimmer-Fliesen.
Wegen Corona-Pandemie - Azubis und Betriebe in Wartemodus
Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf die Berufsausbildungen aus. Die Zwischenprüfungen im März mussten schon abgesagt werden. Ob die Abschlussprüfungen überhaupt stattfinden, ist unklar. Für viele Auszubildende bringt das Probleme bei der anschließenden Jobsuche.
Noch Anfang März haben sich die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister von Bund und Ländern auf ein Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe verständigt. Insgesamt zehn Berufe sollen reformiert werden. Zu den Eckpunkten gehören unter anderem die Abschaffung von Schulgeld, aber auch die Akademisierung. Bis März stand der Berufsverband im Austausch mit den Ministerien. Doch dann kam Corona, sagt Uta Köpcke. Seit dem: "Absolute Funkstille."
Hat die Politik die Reform der Gesundheitsfachberufe noch auf dem Schirm? Ja, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme aus dem Bundesgesundheitsministerium. "Die Eckpunkte sind eine wichtige Maßnahme zur Umsetzung des Koalitionsvertrages. Trotz der Coronakrise wird weiter an der Umsetzung der Eckpunkte gearbeitet."
Die Präsidentin ist da skeptisch: "Ich glaube tatsächlich, dass es in dieser Periode nicht mehr abgeschlossen werden kann."