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Reform der NS-Raubkunst-Kommission
"Je unabhängiger, desto besser"

Seit ihrer Gründung hält die Kritik an der "Beratenden Kommission" für NS-Raubkunstfälle an. Nun hat der Bundestag Geld für Reformen bereitgestellt. Der Kunsthistoriker Stephan Klingen sieht positive wie negative Auswirkungen.

Stephan Klingen im Gespräch mit Anja Reinhardt | 18.11.2019
Goldene Bilderrahmen hängen an einer Wand
Leere Rahmen: Mindestens 600.000 Kunstwerke sollen Deutsche zwischen 1933 und 1945 gestohlen haben (picture alliance / Daniel Kalker )
Einen "Schritt in die richtige Richtung" nennt Klingen die geplanten Änderungen. Er gehe davon aus, dass die "Beratende Kommission" eigenständiger werden soll. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte am späten Freitagabend Geld unter anderem für eine organisatorische Reform, aber auch für zusätzliche wissenschaftliche Kräfte genehmigt. "Je unabhängiger die Kommission handeln kann", kommentierte Klingen, der im "Zentralinstitut für Kunstgeschichte" mit zahlreichen NS-Raubkunstfällen befasst war und ist, "umso besser."
Er sei sich allerdings nicht sicher, ob die nun beschlossenen Änderungen dafür ausreichen werden: "Man stelle sich nur mal vor, die Kommission müsste tatsächlich mal in relevantem Umfang Fälle entscheiden – im Moment sind es ja bestenfalls mal zwei oder drei im Jahr. Dann kommen auch die beiden neu angestellten Mitarbeiter schnell an ihre Grenzen." Zwei Stellen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen dem Vernehmen nach eingerichtet werden, um exklusiv für die "Beratende Kommission" nach innen wie nach außen zu wirken.
Die "Limbach-Kommission"

Offiziell heißt sie "Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz". Nach wie vor sprechen viele Beteiligte aber, wenn es um strittige Fälle von in der NS-Zeit geraubten, enteigneten oder erpressten Kulturgütern geht, lieber kürzer von der "Limbach-Kommission". Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, war die erste Vorsitzende der im Juli 2003 eingerichteten Expertengruppe, die sich als "völlig unabhängiges reines Beratungsgremium" versteht und Empfehlungen ausspricht.
Kritik an der Kommission gab es seit ihrer Gründung: Zu viele Juristinnen und Juristen, zu wenige Vertreterinnen und Vertreter der Opferseite, lauteten die Vorwürfe. Das Gremium agiere intransparent, veröffentliche keine ausführlichen Begründungen und keine Dokumente, die zu ihren Empfehlungen geführt hätten. Vor allem aber sei ein kardinaler Gründungsfehler, dass beide Seiten – die geschädigten Sammler und die betroffenen Museen – einer Anrufung zustimmen müssten. Entsprechend wenige Fälle hatte die Kommission bislang: in 16 Jahren gerade einmal 15.
Und: Nur Museen, Archive und Bibliotheken in öffentlicher Trägerschaft sind überhaupt von den Empfehlungen der "Beratenden Kommission" betroffen. Auf private Institutionen und Sammlerinnen können die zurzeit zehn Mitglieder keinen Einfluss ausüben. An einigen Punkten wurde die Kommission im November 2016 reformiert. Die Kritik von außen an ihrer Arbeit und von innen an den Arbeitsbedingungen hält trotzdem an.
Auch einen eigenen Internetauftritt der Kommission halte er im Sinne von Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen für sinnvoll, sagte Stephan Klingen in "Kultur heute": "Eine gewisse Sichtbarkeit der Kommission ist auf jeden Fall zu begrüßen. Was das Budget angeht, muss man einfach sehen, wozu das eigentlich eingeplant ist. Man könnte sich ja vorstellen, dass über dieses Budget vielleicht auch Gutachten zu bestimmten Sachverhalten angefordert werden sollen und dass die Kommission selber entscheiden kann, wen sie da fragt und wie sie da beraten werden will." Dass es einen Beratungsbedarf gibt, habe die letzte Entscheidung der Kommission gezeigt, bei der es ein Mehrheits- und ein Minderheitsvotum, aber keine einstimmige Entscheidung gab.
In einem verbindlichen Restitutionsgesetz, das auch jetzt wieder nicht beschlossen wurde, sähe Klingen auch verbesserte Chancen für NS-Opfer, die "Beratende Kommission" auch ohne Zustimmung der betroffenen Museen anzurufen: "Ein erster Schritt wäre, ein Restitutionsgesetz, so wie es Österreich auch gemacht hat, im Hinblick auf die öffentlichen Hände, die im Besitz von möglicherweise geraubten Kunstwerken sind – dass man das durchbringt. Es ist klar, dass dann immer noch die Verpflichtung für die Privaten vermutlich aus grundsätzlichen juristischen Überlegungen nicht in dieses Gesetz einbezogen werden könnte. Aber es würde auf jeden Fall, was die öffentlichen Hände angeht, eine gewisse Klarheit in die Verfahren bringen."
Die Experten für Provenzienzforschung im Museum Wiesbaden, Miriam Merz und Peter Forster, untersuchen am 10.12.2013 im Landesmuseum Wiesbaden (Hessen) die Rückseite eines Bildes. Das Museum Wiesbaden hat 1999 begonnen, alle zwischen 1933 und 1945 erworbenen Kunstwerke auf ihre Herkunft zu überprüfen.
Rückgabe von NS-Raubkunst - Endlich ernsthaft diskutieren Die Limbach-Kommission zur Rückgabe von NS-Raubkunst muss effektiver werden. Ihr Leiter Hans-Jürgen Papier will das durch ein Gesetz erreichen. Die FDP forderte im Kulturausschuss des Bundestags eine komplette Neuorganisation.