Freitag, 29. März 2024

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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (13)

Der Humanist Frieder Otto Wolf, der islamische Theologe Mouhanad Khorchide und Rebecca Lühmann von der Evangelischen Jugend kommentieren Martin Luthers dreizehnte These.

05.07.2017
    These 13: "Sterbende lösen mit dem Tod alles ein; indem sie den Gesetzen des Kirchenrechts gestorben sind, sind sie schon deren Rechtsanspruch enthoben."
    Frieder Otto Wolf, Humanist: "Das scheint mir eine Binse zu sein. Dass Sterbende nichts mehr schulden, das ist sozusagen der Grundgedanke des Schuldrechts. Es gibt einfach keine Subjektivität der Toten und von da aus können sie auch nicht Rechteinhaber oder Pflichteninhaber sein. Und von da aus hat Luther erst mal einfach recht, wenn er ex-est-Konstruktionen des Kirchenrechts gegenüber darauf besteht."
    Mouhanad Khorchide, islamischer Theologe: "In der islamischen Ideengeschichte gibt es einen Streit: Wie sieht es da aus im Jenseits? Hat man nur die Möglichkeit, im Diesseits Reue zu zeigen, alles wieder gut zu machen, oder geht das weiter? Und da gibt es eine Strömung, die dem jetzt widerspricht. Die sagt: 'Moment, auch die Sterbenden werden vor Gott stehen. Dann sieht man, was man alles angestellt hat, wie viele Menschen man verletzt hat.' Und das soll dazu führen, dass der Mensch sich weiter vervollkommnet im Jenseits, um in Gottes Gegenwart zu kommen."
    Rebecca Lühmann, Evangelische Jugend: "Um heutzutage einen Platz in der Gesellschaft zu bekommen, muss man immer mehr Leistung bringen und eine Traumkarriere vorweisen oder oder oder. Und Luther sagt, wir sind frei. Wir müssen uns nicht diesem Erfolgsdruck unterordnen und sollen das auch gar nicht. Lasst uns doch viel lieber eine Gesellschaft leben, in der jede und jeder einen würdigen Platz hat."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern