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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (23)

Rabbinerin Elisa Klapheck, Fernsehjournalist Peter Hahne und die katholische Theologin Johanna Rahner kommentieren Luthers 23. These.

19.07.2017
    These 23: "Wenn überhaupt irgendein Erlass aller Strafen jemandem gewährt werden kann, dann ist gewiss, dass er nur den Vollkommensten, das heißt den Allerwenigsten gewährt werden kann."
    Elisa Klapheck, Rabbinerin: "Wir wissen nicht genau, was gut oder böse ist, was Schuld oder Unschuld ist. Es gibt Menschen, die sind Arschlöcher im alltäglichen Leben. Im Arbeitsleben zum Beispiel. Und es kann trotzdem sein, dass sie sehr viel Gutes bewirkt haben. Und es gibt solche sogenannten Gutmenschen, die ihr ganzes Leben sich bemüht haben, vollkommen zu sein, die aber wie Elefanten im Porzellanladen lauter Unheil angerichtet haben. Wir können also hierüber nicht sagen, wem die Strafen erlassen werden und wie die Strafen beschaffen sein werden."
    Peter Hahne, Fernsehjournalist: "Vollkommen ist eben keiner. Durch Beichte und Buße kommt man ja nicht im Salonwagen zum Straferlass und zur Vergebung. Das ist harte Arbeit, auch am eigenen Leben. Jesus Christus hat das ja vorgemacht. Und er selbst sagte in seiner Verzweiflung: 'Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?' Aber dann sagte er das Entscheidende zum Schluss, bevor er am Kreuz starb: 'Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist.' Also mein ganzes Leben, auch meine ganze Unvollkommenheit. Aber eben in Deine Hände, dessen Liebe ich gewiss bin."
    Johanna Rahner, katholische Theologin: "Luther kritisiert die anstößige Ablasspraxis und vor allem das falsche Verständnis von Gewissheit, das die Ablassprediger bei den Gläubigen erzeugen. Salopp gesprochen: Wer meint, Versicherungspolicen für das Jenseits verkaufen zu können, ist offensichtlich ein Gauner."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern