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Reformliste aus Athen
Tsipras will viel Geld

Die Erleichterung in Brüssel dürfte groß gewesen sein, als Griechenland am Donnerstagabend in letzter Minute seine neue Liste mit Spar- und Reformvorschlägen vorlegte. Regierungschef Tsipras will mit Steuererhöhungen und einer Rentenreform die internationalen Gläubiger zu weiteren Milliardenhilfen bewegen. Jetzt müssen die Experten das Angebot prüfen. Manch ein Politiker ist jedoch skeptisch.

10.07.2015
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras im Europaparlament.
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras im Europaparlament. (picture alliance / EPA / Patrick Seeger)
    Pünktlich vor Ablauf eines Ultimatums schickte die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras am Donnerstagabend ihre Vorschläge an die Geldgeber. Vorgesehen ist demnach etwa, das Rentensystem und den Öffentlichen Dienst zu reformieren. Außerdem will die Regierung Steuernachlässe für die wohlhabendsten Inseln und die mit den meisten Touristen streichen und die Unternehmens- und die Luxussteuer erhöhen.
    Des Weiteren sollen die Militärausgaben sinken, allerdings nicht so stark wie zuletzt von den Geldgebern gefordert. Die Bekämpfung der Steuerflucht soll deutlich verstärkt werden. Das Papier enthält auch einen Zeitplan für die Privatisierung von Staatsunternehmen. Im Gegenzug verlangt Griechenland 53,5 Milliarden Euro, um bis 2018 seine Schulden bezahlen zu können.
    Kein Kommentar vom Eurogruppen-Chef
    Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem kommentierte die Liste zunächst nicht öffentlich. In einer Telefonkonferenz wollte er mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EZB-Chef Mario Draghi sowie der Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, zunächst zu einer gemeinsamen Einschätzung kommen. Sie wollen ihre Haltung dann den Finanzministern der Euro-Zone mitteilen, die am Samstag zusammenkommen. Die Finanzminister könnten empfehlen, Verhandlungen über ein Hilfspaket des europäischen Rettungsfonds ESM mit Griechenland aufzunehmen. Am Sonntag findet in Brüssel ein EU-Gipfeltreffen aller 28 Mitgliedsländer statt.
    Das Parlament in Athen soll bereits am Freitag über Sofortmaßnahmen abstimmen. Die Abgeordneten sollten der Regierung im Schnellverfahren die Vollmacht geben, am Wochenende in Brüssel eine Vereinbarung zu unterzeichnen, berichteten der staatliche griechische Rundfunk. Der Zeitpunkt der Abstimmung am Freitagabend sei noch unklar.
    Bereits am Vormittag kam die Fraktion der regierenden Linkspartei Syriza hinter verschlossenen Türen zusammen, um über den Maßnahmenkatalog zu beraten. Der linke Parteiflügel soll aufgebracht sein. Es gilt aber als sicher, dass das Parlament der Regierung die Vollmacht mit den Stimmen fast aller Oppositionsparteien geben wird.
    Nicht alle sind zufrieden
    Der französische Präsident Hollande lobte die griechischen Vorschläge als "ernsthaft und glaubwürdig". Die Griechen hätten "soeben ihre Entschlossenheit gezeigt, in der Eurozone zu bleiben". Es müsse nun alles getan werden, um eine gute Vereinbarung zu erzielen. Auch Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann betonte, es sei Zeit, die Chance für eine Einigung zu ergreifen. Italiens Regierungschef Matteo Renzi äußerte sich "optimistischer als vorher".
    Die Bundesregierung lehnte eine inhaltliche Bewertung bisher ab. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte lediglich, man nehme die Liste aus Athen "zur Kenntnis". Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider bezeichnete die neue Reformliste im Deutschlandfunk als ernsthaften Vorschlag mit Substanz. Es sei wichtig, dass das gewünschte Programm auf drei Jahre angelegt sei und dass Griechenland bald wieder auf eigenen Füßen stehen könne. Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, warf den Geldgebern dagegen Erpressung vor. Die von Athen vorgelegte Liste mit Reformvorschlägen entspreche weitgehend den Kürzungsplänen, die 60 Prozent der Griechen gerade im Referendum abgelehnt hätten. Offenbar sehe die griechische Regierung angesichts der Erpressung durch IWF, EZB und EU-Technokraten, geschlossener Banken und verzweifelter Menschen keinen anderen Ausweg mehr.
    Die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma sieht grundsätzlich Bedenken in ihrem Land für ein neues Hilfspaket. "Für mich wird es sehr schwer werden, das Parlament davon zu überzeugen. Und für das Parlament wird es schwer werden zuzustimmen", sagte sie in einem Interview des Deutschlandfunks. Sie sprach sich zudem gegen einen Schuldenschnitt für Griechenland aus.
    (pg/jasi/ nin)