Mittwoch, 24. April 2024

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Reformversuche in der katholischen Kirche
"Stoppschilder sind deutlich sichtbar aufgestellt"

Die Bischofskonferenz möchte gemeinsam mit dem Zentralkomitee der Katholiken einen Reformprozess beginnen, etwa zu Fragen der Sexualmoral oder des Zölibats. Doch es gibt Gegenwind aus Rom und "einen offenen Konflikt innerhalb der deutschen Bischofskonferenz", sagt Dlf-Redakteurin Christiane Florin.

Christiane Florin im Gespräch mit Monika Dittrich | 18.09.2019
Eine Weggabelung inmitten saftig grüner Wiesen.
Alle Hoffnung ist grün. Oder in jedem Ende liegt ein Anfang. (imago images / Photocase)
Monika Dittrich: Katholische Priester, Diakone und Ordensleute haben sich in Deutschland an tausenden Kindern vergangen. Es hat sehr lange gedauert, bis diese Verbrechen ans Tageslicht kamen und von Kirchenfunktionären anerkannt wurden. Im Frühjahr haben die deutschen katholischen Bischöfe versprochen, aus dem Missbrauchsskandal Konsequenzen zu ziehen, gemeinsam mit den katholischen Laien haben sie einen Reformprozess angekündigt, den sogenannten "Synodalen Weg". Ziel ist es, bestimmte katholische Wertvorstellungen zu überdenken - zum Beispiel die Sexualmoral, den Zölibat und die Position der Frauen. Darüber werden die Bischöfe auch nächste Woche bei ihrer Vollversammlung sprechen, und wohl auch über die scharfe Rüge des Papstes. Die deutschen Katholiken könnten keine Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf die ganze Weltkirche hätten, heißt es nämlich aus dem Vatikan. Der synodale Weg der katholischen Kirche, das ist das Thema eines Features, das heute Abend im Deutschlandfunk zu hören ist. Die Autorin ist Christiane Florin und sie ist jetzt bei mir im Studio.
- Frau Florin – zunächst einmal, was genau ist überhaupt mit dem Begriff "synodaler Weg" gemeint?
Christiane Florin: Tja, das wüsste der Papst wohl auch gern. Also: Es soll irgendetwas Gemeinsames sein, es soll irgendetwas vorangehen, es soll irgendein Ziel geben – die katholische Kirche liebt ja Slogans vom Unterwegssein, gemeinsam, miteinander. Aber Sie merken schon an meiner vagen Wortwahl, wo das Problem liegt: Es gibt so etwas im Kirchenrecht bisher noch nicht. Es gibt, wenn etwas verändert werden soll, geregelte Verfahren: eine Synode zum Beispiel oder ein Konzil, das verbindliche Beschlüsse fasst.
Aber ein synodaler Weg – das ist eine Kompromissformulierung. Die wurde vor einem halben Jahr gefunden. Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat hier in der Sendung vor einigen Wochen gespottet:
"Wie heißt das? Synodaler Weg. Der Begriff ist schon schwierig. Synodos heißt ja schon Weg, also gemeinsamer Weg-Weg".
Dittrich: Aber der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Marx, muss doch eine Vorstellung davon haben, was der synodale Weg sein soll.
Zwischen Stillstand und Aufbruch
Florin: Hat er auch sicherlich. Anfang Juli dieses Jahres gab es eine etwas skurrile Pressekonferenz auf einem Bonner Parkplatz, eingeladen hatten Reinhard Marx und der Präsidenten des Zentralkomitees der Katholiken. Parkplatz - das ist eine Äußerlichkeit, aber zugleich symbolisch für diese Mischung aus Beharren, Stehenbleiben und Aufbruchsbekundung. Bei dieser Pressekonferenz hat Reinhard Marx den synodalen Weg so definiert:
"Es ist keine Synode im klassischen kirchenrechtlichen Sinne. Wir bewegen uns aber auch nicht außerhalb des Kirchenrechts. Aber wir brauchen Absprachen. Ein synodaler Weg bedeutet, dass auch viel miteinander in guter Weise gerungen wird. Synode ist keine Parteitagsveranstaltung, kein einfaches parlamentarisches Verfahren. Es bedeutet Austausch, kontroversen Austausch, aber doch in einem Horizont der Evangelisierung."
Dittrich: Kirchenvertreter sprechen von einem Reformprozess. Ist es das wirklich, wird man wirklich mit Reformen in der Katholischen Kirche rechnen können?
Florin: Im Reformlager wird eher gehofft als gerechnet. Zunächst einmal wurden vier Bereiche identifiziert, in denen Reformen angebracht sein könnten: Macht, Sexualmoral, priesterliche Lebensform und Frauen in Ämtern der Kirche. Es wird aber weder das Frauenpriestertum eingeführt noch die Zölibatsverpflichtung abgeschafft – das ist schon klar, bevor überhaupt irgendein Schritt getan ist. Die Stoppschilder sind deutlich sichtbar aufgestellt.
Es haben zu diesen vier Themen Vorbereitungsforen getagt, diese haben Arbeitspapiere veröffentlicht, darin werden Probleme offen angesprochen. Wenn man schon offene Worte als Reform bezeichnen will, wenn man so bescheiden ist, dann ist es eine.
Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, umarmen sich
Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, und Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln (Rolf Vennenbernd/dpa)
Aber es gibt nicht nur ein Lager, das auf Reformen hofft, es gibt auch diejenigen, die Reformen fürchten. Die sagen: Wir brauchen keine strukturellen Veränderungen, wir brauchen mehr Glauben, wir brauchen mehr Gehorsam. Das ist, legt man Umfragen zugrunde, eine Minderheit, aber eine einflussreiche, mächtige Minderheit. Dazu zählen Bischöfe wie der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, dazu zählt der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki. Die warnen vor Abbruch, Zerstörung und einem deutschen Sonderweg.
Es gibt einen offenen Konflikt innerhalb der deutschen Bischofskonferenz, der wird auch über Rom gespielt. Auch das ist ein offner Konflikt. Der Präfekt der Bischofskongregation hat Kardinal Marx in einem Brief wissen lassen, dass bei einem solchen synodalen Weg nichts Verbindliches beschlossen werden kann, dass Amtsträger wichtiger sind als Laien. Man sieht: Dieser Weg ist beleuchtet von Warnlampen, bis hin zur Andeutung einer Vollsperrungen.
Ende der Franziskus-Romantik
Dittrich: Und was ist mit der Kritik des Papstes – werden die Bischöfe sich darüber hinwegsetzen, oder doch eher klein beigeben?
Florin: Der Papst hat sich Ende Juni mit einem langen, schwer verständlichen Brief zu Wort gemeldet, aus dem sich die verschiedenen Lager das Passende rausgezogen haben. Er ist nicht Absender des jüngsten Briefes aus Rom, das war der Präfekt der Bischofskongregation. Aber für Franziskus-Rest-Romantik so nach dem Motto – wenn das der Papst wüsste – gibt es keinen Anlass. Zu Beginn seiner Amtszeit hat Franziskus die Bischöfe ermutigt, frei zu denken, synodale Lösungen zu suchen, das ist bei ihm nicht mehr erkennbar. Die Zeit dieses freiheitsliebenden Franziskus ist vorbei. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz und auch der Präsident des ZdK haben gesagt, sie wollen den Weg gehen, sie wollen klärende Gespräch führen. Sie wollen sich von dem Schreiben aus Rom nicht beirren lassen. Aber klar ist auch: Es gibt mächtige Widersacher in der Bischofskonferenz und auch der Vorsitzende Marx kann keinen seiner Amtbrüder zu etwas zwingen.
Dittrich: Also doch wieder nur viel Papier und warme Worte – ohne echte Veränderungen?
Florin: Veränderungen gehen eher selten von Päpsten und Bischöfen aus. Die Engagierten, die Treuesten, sind in Proteststimmung. Die sind nicht begeistert von dem synodalen Weg. Aber sie sagen: Wenn nicht jetzt, wann dann? Die Vorsitzende des Bundes der Katholischen Jugend BDKJ Lisi Maier sagte mir in einem Interview:
"Mich ärgert das wirklich sehr, dass man alles, was im September 2018 von wissenschaftlicher Seite benannt worden ist, dass man jetzt ein Jahr später auf den Trichter zurückkommt, das man gar nichts verändert, sondern sagt: Wir müssen nur mehr glauben oder beten."
Aber die katholische Kirche ist eine Klerikerkirche, so ist sie verfasst. Sie kann auch nur mit Amtsträgern auskommen, ganz ohne Volk.
Dittrich: "Aufbruch, Aufstand, Abstand - die katholische Kirche auf dem synodalen Weg", so heißt ihr Feature zum Thema, heute Abend zehn nach acht hier im Deutschlandfunk.