Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Regieren in Israel
Netanjahu sucht weitere Verbündete

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat derzeit nur eine knappe Mehrheit im Parlament. Offenbar um die weitere Arbeit auf eine breitere Basis zu stellen, sucht er nach weiteren Koalitionären. Einer könnte der frühere Außenminister Avigdor Liebermann sein, aber auch Oppositionsführer Jitzchak Herzog hat sich ins Gespräch gebracht.

Von Torsten Teichmann | 17.05.2016
    Israels Ministerpräsident Netanjahu
    Israels Ministerpräsident Netanjahu (picture alliance/dpa/Michael Kappeler)
    Israels Regierungschef Netanjahu hat einen neuen Namen ins Spiel gebracht. Er wolle den früheren Außenminister Lieberman auffordern, der Regierung beizutreten, versprach der Ministerpräsident am Wochenende. Und David Bitan, Mitglied der regierenden Likud-Partei, hält Lieberman für einen würdigen Partner: "Natürlich würden wir Avigdor Liebermann vorziehen, weil er uns politisch recht nahe steht. Außerdem ist der Preis, den man ihm für eine Koalition zahlen müsste, geringer. Er würde zwei Posten bekommen. Aber nicht mal über den Posten des Verteidigungsministers kann man sich mit ihm einigen. Wir reden also nur über Theorien."
    So theoretisch klingt das in Jerusalem derzeit gar nicht. Die vierte Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu ist seit gut einem Jahr im Amt. Aber Netanjahu verfügt nur über eine Stimme Mehrheit im Parlament. Deshalb bemüht er sich seit Beginn um einen weiteren, einen sechsten Koalitionspartner.
    Bisher war vor allem über Oppositionsführer Herzog spekuliert worden. Und tatsächlich: Herzog glaubt, es sei Zeit, die Opposition zu verlassen und in die Regierung zu wechseln. Mit akrobatischer Rhetorik versucht er seine Fraktion, die Zionistische Union zu überzeugen. "Ich erkenne eine seltene, regionale, diplomatische Gelegenheit, die vielleicht auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Ich sage das nicht einfach so. Ich weiß das. Die Gelegenheit ist unglaublich kompliziert. Es könnte sein, dass sie sich ausschließlich aufgrund einer Veränderung in der Zusammensetzung der Regierung ergibt. Und wenn man mit dem palästinensischen Präsidenten reden darf, darf man das auch mit Netanjahu. Das ist alles."
    Bis zu acht Regierungsposten soll Netanjahu Herzog und dessen Anhängern versprochen haben. Die Reaktionen sind heftig: Man diene sich Netanjahu nicht an, rufen Demonstranten am Wochenende vor Herzogs Haus in Tel Aviv. Abgeordnete seiner Fraktion protestieren lautstark im Fernsehen. Abgeordnete wie die Sozialexpertin Shaffir. "Allein die Tatsache, dass diese Verhandlungen geführt werden, die sich um nichts anderes drehen als politisches Business und die Verteilung von Jobs, ist schändlich und Verrat am Wähler."
    Der Eindruck entsteht, weil Herzog ums politische Überleben kämpft. Als Oppositionsführer hat er nichts erreicht. Seine Umfragewerte fallen. Und die eigene Partei will ihn als Vorsitzenden ablösen. Der Wechsel an die Macht scheint ihm und anderen die einzige Rettung.
    Die Opposition rutscht auf den Knien. Der Hinweis von Regierungschef Netanjahu, er könne auch Ex-Außenminister Lieberman ins Kabinett holen, wirkt wie eine weitere Demütigung.
    Was Netanjahu tatsächlich antreibt, ist weniger klar: Wird seine Regierung wirklich stabiler mit einem weiteren Koalitionspartner? Oder will er sein Kabinett allein mit dem Ausblick auf einen Beitritt von Lieberman oder Herzog disziplinieren? Vor der nächsten wichtigen Sitzungsperiode des Parlaments – die kommende Woche beginnt.