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Regierungskrise in Griechenland
Tsipras will Vertrauensfrage stellen

Wegen des Namenskompromisses ist Griechenlands Verteidigungsminister zurück getreten. Die Regierung von Alexis Tsipras steckt in der Krise. Der will nun die Vertrauensfrage im Parlament stellen.

Michael Lehmann im Gespräch mit Manfred Götzke | 14.01.2019
    Alexis Tsipras, griechischer Ministerpräsident (11.02.2017).
    Der griechische Premierminister Alexis Tsipras (AFP / Angelos Tzortzinis )
    Manfred Götzke: Erst am Freitag hat das mazedonische Parlament dem jahrelang ausgehandelten Kompromiss im Namensstreit zugestimmt. Und das Land in Nord-Mazedonien umbenannt. Jetzt steht die Einigung schon wieder auf der Kippe und nicht nur das: Die griechische Regierung die steht vor dem Aus. Panos Kammenos, Chef der rechtspopulistischen Anel-Partei hat am Sonntag seinen Rücktritt als Verteidigungsminister eingereicht. Und damit war es das wohl erstmal mit der links-rechts Koalition von Ministerpräsident Alexis Tsipras.
    Wie er mit dieser Regierungskrise umgehen will, möchte ich nun mit Michael Lehmann besprechen - er ist unser Korrespondent in Athen. Herr Lehmann, um Neuwahlen zu verhindern und seine Regierung zu retten, will Tsipras am Mittwoch die Vertrauensfrage stellen. Wird er die nötigen sechs Stimmen für eine Mehrheit bekommen?
    Michael Lehmann: Davon gehen die meisten Beobachter aus. Er hat ja 145 Stimmen aus dem eigenen Syriza-Lager und braucht sechs weitere Stimmen. Und interessanterweise haben aus der Partei der "Unabhängigen Griechen" vier Abgeordnete gesagt, dass sie es anders machen wollen als der Verteidigungsminister, der gestern zurückgetreten ist, der Chef der Partei. Die vier Abgeordneten wollen das Wort "unabhängig" wörtlich nehmen und für diesen Kompromiss stimmen. Dann fehlen noch zwei und da dürften dann zwei aus der kleinen Topotami-Partei kommen, so hat das ein Abgeordneter auch angekündigt. Das ist die so genannte Fluss-Partei eine eher bürgerliche Partei. Und eine unabhängige Stimme hat sich auch schon geoutet. Also es sieht ganz gut aus, dass Tsipras diese Vertrauensfrage somit gewinnen wird.
    Rechtspopulisten müssen Profil schärfen
    Götzke: Es wird auch vermutet, dass Kammenos den Namenstreit mit Griechenland nur als Vorwand genommen hat, um aus der Koalition mit Tsipras‘ Syriza-Partei auszusteigen - was ist da dran?
    Lehmann: Also, Kammenos hat ja in den letzten Wochen immer wieder heftigst gewettert gegen dieses Arrangement mit Mazedonien, das die griechische Regierung getroffen hat - allen voran Alexis Tsipras mit seinem sozialdemokratischen Amtskollegen in Skopje. Das hat ihm nicht gefallen und er hat auf der Pressekonferenz dagegen gewettert. Und deshalb ist auch der Außenminister Nikos Kotzias zurück getreten vor einigen Wochen, weil er diesen Ärger in der Regierung nicht mehr ertragen konnte. Kotzias gilt ja als Wegbereiter dieses Abkommens. Traurig für ihn, dass sein Widersacher jetzt auch raus ist, aus der Regierung. Aber natürlich müssen Kammenos und seine Unabhängigen Griechen sich auf die Wahl einstellen, die in diesem Jahr auf jeden Fall kommen werden, und da muss er sein eigenes Profil schärfen. Hätte Kammenos nochmal umgeschwenkt und für den Kompromiss gestimmt, gegen den er seit Monaten gekämpft hat, wäre er aus Sicht der Wähler unglaubwürdig geworden.
    Mazedonien-Kompromiss: in ganz Griechenland heftig umstritten
    Götzke: Anlass ist wie gesagt der Namenskompromiss mit Mazedonien das offiziell Nord-Mazedonien heißen soll. Bei Rechtspopulisten ist da von nationalem Verrat die Rede. Sieht das eigentlich nur eine kleine Minderheit so, oder ist der Kompromiss auch in weiten Teilen der Gesellschaft umstritten?
    Lehmann: Der ist heftigst umstritten, im letzten Sommer gab es auch eine große Demonstration, zu der Hunderttausende Menschen in Athen gekommen sind. Manche sagen, das ist einzigartig gewesen. Dieser Protest ist wirklich gewaltig. Und der geht Querbeet, das sind nicht nur Rechtspopulisten oder Ewiggestrige. Auch wenn ich ihnen zuhöre, kann ich nicht sagen, ihr seid völlig von gestern. Das sind berechtigte Sorgen, etwa dass Mazedonien dann doch am Ende Gebietsansprüche stellt. Es geht auch um viele Produkte die sich aus griechischer Sicht eben nicht mazedonisch nennen dürfen, weil Griechenland die Provinz Makedonier für sich beansprucht, und von dort viele Produkte verkaufen will. Es geht also auch um viel Konkretes, aber auch um Ängste, die sehr weit zurück reichen, bis zu Alexander dem Großen. Die können wir als Deutsche nicht wirklich verstehen.
    Götzke: Was passiert, wenn Alexis Tsipras wider Erwarten die Mehrheit verfehlt? Rasche Neuwahlen?
    Lehmann: Ja, es wird Neuwahlen geben, vor Oktober, da liegt der reguläre Wahltermin. Tsipras hat da gestern nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers auch kurz drüber gesprochen. Er wird dann eine gewisse Zeit noch weiter regieren. Das darf er auch in Griechenland, das ist anders als in Deutschland. Da müsste, wenn ein Koalitionspartner wegbricht, sofort ein neuer Koalitionspartner gesucht werden. Das muss Tsipras nicht, er kann sich durchlavieren, von Abstimmung zu Abstimmung, und wenn er die Vertrauensfrage nicht gewinnt, wird er das sicherlich tun. Und dann ist die große Frage, wann die vorgezogenen Neuwahlen kommen, da sind alle Termine möglich. Aber es muss zumindest einige Wochen noch dauern.
    Götzke: Griechenland steckt in der Regierungskrise wie es nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers weiter geht, hat uns Michael Lehmann gesagt.