Freitag, 29. März 2024

Archiv


Regierungskrise in Nordirland

Am 10. April 1998 unterschrieben die irischen und britischen Konfliktparteien das "Karfreitagsabkommen". Auf der Grundlage dieses Abkommens wurde eine nordirische Selbstverwaltung eingesetzt, die im Oktober 2002 wieder suspendiert werden musste, erneut schien es so, als wenn Nordirland nie selbständig würde. Nun hat Irland seit 2007 eine Regierung in der sich die ärgsten Feinde, die DUP, die Partei der protestantischen Briten und Sinn Fein, der politische Arm der IRA, zusammen gerauft haben, berichtet Martin Zagatta.

16.09.2008
    Aus heiterem Himmel kommt die Regierungskrise nicht. Der Bürgerkrieg in der Unruheprovinz ist zwar vorbei. Aber die so lange bitter verfeindeten Parteien tun sich schwer, in einem Kabinett zusammenzuarbeiten - so wie sie das in den Friedensabkommen für Nordirland vereinbart haben. Gestritten wird immer noch darum, wann die derzeit noch von London ausgeübte Kontrolle über die Polizei und die Justiz den Nordiren übertragen werden soll. Peter Robinson, der Chef der Regionalregierung, und die von ihm geführte protestantische DUP zögern, die Polizei der Aufsicht auch ehemaliger Terroristen zu unterstellen, ihrem Koalitionspartner, der katholischen Sinn Fein, dem politischen Flügel der ehemaligen Untergrundorganisation IRA.

    "Von uns, von Sinn Fein die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Polizei zu verlangen und uns die dann zu verwehren", könne nicht angehen, beschwert sich Martin McGuinness, heute stellvertretender Regierungschef und früher ein Kommandant der IRA. Seine Partei, so argumentiert er, habe ihren Teil der Vereinbarungen erfüllt. Sinn Fein hat, wie von ihr gefordert, im vergangenen Jahr die nordirische Polizei offiziell anerkannt. Kein leichter Schritt - schließlich wirft die für die Vereinigung mit der Republik Irland kämpfende Partei der Polizei vor, noch bis in die 90er Jahre hinein an der Tötung von Katholiken beteiligt gewesen zu sein. Die DUP wiederum erinnert an die Ermordung von Polizisten durch die IRA. Dass die Untergrundorganisation ihren bewaffneten Kampf für beendet erklärt hat, reicht den Protestanten nicht aus. Die DUP fordert, dass der "Armeerat" seine formelle Auflösung erklären müsse, das militärische Führungsgremium der IRA, das allerdings gar nicht mehr existieren soll.

    Der Armeerat funktioniere nicht mehr. Die IRA habe ihre Terrorstrukturen aufgelöst. Zu diesem Ergebnis ist jetzt auch eine unabhängige Kommission gekommen, die in der vergangenen Woche ihren Bericht vorgestellt hat. Eine Untersuchung, die die britische und die irische Regierung in Auftrag gegeben hatten. Damit wird der Druck auf den nordirischen Regierungschef Robinson noch erhöht, nun endlich auch die Verantwortung für die Polizei zu übernehmen. Stimmt er zu, unterwirft er den Sicherheitsapparat damit auch der Mitkontrolle durch die Sinn Fein. Lehnt er das weiterhin ab, so warnen jetzt katholische Politiker, dann seien sie gewillt, das Regierungsbündnis platzen zu lassen. Das Kabinett tagt wegen dieses Streits schon seit Monaten nicht mehr, und die Protestanten drohen ihrerseits den Sinn-Fein-Ministern jetzt mit ernsten Konsequenzen, sollten sie an einer in dieser Woche geplanten Sitzung wiederum nicht teilnehmen. Bewegung in die festgefahrenen Fronten könnten nun allerdings die britische und die irische Regierung bringen, die sich wieder einmal als Vermittler versuchen.

    Jetzt sei es an der Zeit, die letzten Schritte des Friedensprozesses zu unternehmen, die Übertragung der Polizei- und Justizkompetenzen abzuschließen, fordert Gordon Brown. Der britische Premierminister will bei einem Besuch in Belfast heute die Protestanten offenbar zum Einlenken bewegen. Ein möglicher Kompromiss: der künftige Polizei- und Justizminister könnte von der überkonfessionellen Allianz-Partei gestellt werden. Politische Beobachter in Belfast geben sich jedenfalls noch gelassen. Eine Rückkehr zur Gewalt gilt als ausgeschlossen - und die Nordiren sind es schon gewohnt, dass nach Drohungen und Ultimaten politische Übereinkünfte erst im letzten Moment getroffen werden.