Montag, 18. März 2024

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Regierungskrise in Österreich
AfD kritisiert Veröffentlichung des Ibiza-Videos

Die Veröffentlichung des Videos von Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache habe gezeigt, dass der Informationsbeschaffung heute kaum noch Grenzen gesetzt würden, sagte der AfD-Politiker Armin-Paul Hampel im Dlf. Die Gesellschaft müsse darüber diskutieren, ob sie das akzeptiere.

Armin-Paul Hampel im Gespräch mit Dirk Müller | 20.05.2019
Hampel sitzt an einem Tisch, spricht und fasst dabei mit der rechten Hand an ein Mikrofon auf dem Tisch.
Nach Ansicht von Armin-Paul Hampel ist Vizekanzler Strache auch ein Opfer (imago)
Dirk Müller: Das war niederschmetternd für Heinz-Christian Strache, aber auch für Österreich, für die Regierung in Wien, für seine Partei, die FPÖ. Per Video, mit versteckter Kamera gedreht, redet und geriert sich der Vizekanzler Österreichs um Kopf und Kragen, bietet einer vermeintlichen Russin Staatsaufträge an, will die Kronenzeitung personell auf Vordermann bringen. Das alles im betrunkenen Zustand, wie er einräumt, wie er zugibt, vielleicht auch, wie er argumentiert. Vielleicht mildernde Umstände deshalb? – Wohl kaum! Heinz-Christian Strache bittet öffentlich um Verzeihung, entschuldigt sich, spricht aber auch von einem politischen Attentat gegen ihn.
Wie auch immer: Neuwahlen in Österreich, weil Sebastian Kurz dann die Reißleine gezogen hat. Schuld hat die FPÖ. Die FPÖ ist assoziierter Partner der AfD. Beide wollen nach den Europawahlen enger miteinander zusammenarbeiten.
Am Telefon ist nun der AfD-Politiker Armin-Paul Hampel, außenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!
Armin-Paul Hampel: Schönen guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Hampel, das Video von Ibiza, wie tief hat das bei Ihnen eingeschlagen?
Hampel: Wir müssen uns langsam Gedanken darüber machen, wie weit wir noch gehen wollen, um Informationen über Personen und deren Art zu denken oder deren Vorstellungen in welchem Zustand auch immer in die Öffentlichkeit zu zerren.
Müller: Wie meinen Sie das?
Hampel: Wir bewegen uns ja inzwischen auf einem Weg der Informationsbeschaffung, wo im Grunde genommen keine Grenzen mehr gesetzt sind. Ich komme ja aus Ihrer Berufssparte und habe das jahrelang betrieben. Natürlich hat man damals auch in Bonner Tagen eine Vielzahl von Informationen über Politiker gehabt, die man nicht verwendet hat, aus dem Privatleben schon gar nicht.
Ich kann mich an einen Bundespräsidenten erinnern - wenn Sie dessen Witze nachts um ein Uhr gehört haben, dann sind Sie schreiend weggelaufen, weil sie so schmutzig waren. Ich kann mich an eine Politikerin erinnern, die den Dienstflieger nach Berlin geschickt hat, um ihr Abendkleid zu holen. Das zum Beispiel ein Thema, das hätte thematisiert werden müssen. Ich hätte nur heimlich den Informanten filmen müssen, als er mir diese Information gesagt hat oder gegeben hat, und dann wäre wahrscheinlich diese Politikerin nicht mehr im Amt gewesen. Die Frage ist also, …
Müller: Jetzt hatten Sie keine Videokamera damals dabei.
Hampel: Pardon!
Müller: Jetzt hatten Sie ja keine Videokamera damals dabei.
Hampel: Doch, ich hatte sogar eine Kamera dabei. Ich war nämlich mit einem Kamerateam unterwegs. Aber das macht man nicht!
Was Politiker im betrunkenen Zustand an Fantasien entwickelt haben, übrigens auch Journalisten, da könnte ich Ihnen zwei Bücher drüber schreiben und habe das nicht gemacht.
Müller: Das könnten Sie doch tun, Herr Hampel. Aber reden wir noch mal über Strache.
Hampel: Ich habe ja nicht für die "Bild"-Zeitung gearbeitet.
"Machtfantasien von Politikern finden wir an jeder Ecke"
Müller: Ich habe Sie gefragt, wie tief hat das bei Ihnen eingeschlagen. Offenbar hat das sehr viel bewirkt bei Ihnen.
Hampel: Ja, natürlich, weil wir werden Verfehlungen und auch Machtfantasien von Politikern besonders im betrunkenen Zustand an jeder Ecke finden. Denken Sie nur mal daran, was wir in den 70er- und 80er-Jahren an Linken hatten, die noch vom staatsmonopolistischen Kapitalismus sprachen, die Allmachtsfantasien hatten, die Mao Zedong gut fanden, und vor gar nicht so langer Zeit hatten wir mal eine stalinistische Plattform. Ich hätte gerne mal privat gefragt, was stellt man sich darunter vor, den alten Stalin wieder aus der Kiste der Geschichte zu holen. Das alles könnten wir natürlich machen. Die Frage ist, wollen wir das. Dann könnten wir gleich den Bundesnachrichtendienst für alles einsetzen, und der lauscht in jeder privaten Ecke und hört sich die Fantasien von Politikern an. Das sind alles Menschen!
Müller: Reden wir, Herr Hampel, über Heinz-Christian Strache. Sie haben eben ganz kurz anklingen lassen, private Atmosphäre. Kann ein Vizekanzler privat über solche Dinge reden, ohne dass das rauskommen sollte, wenn man die Möglichkeit hat, es rauszugeben?
Hampel: Erst mal: Damals war er noch gar nicht Vizekanzler, sondern damals war er Kandidat und hat 2017 vor den Wahlen in Privatissime zusammengesessen.
Müller: Also es war privat?
Hampel: Na ja. Wenn das nicht privat war, was denn dann!
Müller: Und die Absichten waren auch privat?
Hampel: Nein, das nicht. Natürlich! Heinz-Christian Strache hat die Konsequenzen aus seinen Äußerungen gezogen, und das war auch richtig so. Nur die Frage ist, wie weit wollen wir gehen, um uns ein Bild von Menschen zu machen und Informationen zu beschaffen. Die Frage muss hier gestellt werden.
Müller: Nicht bei jedem, bei vielen Politikern, sagen Sie, ist die Diskrepanz so groß, wie wir bei Strache an diesem Wochenende vorgeführt bekommen haben?
Hampel: Herr Strache hat seine Konsequenzen aus seinen Äußerungen gezogen, und das war auch richtig so. Aber wir müssen uns doch die Frage stellen, in welcher Form wir heute eine Informationsbeschaffung, um überhaupt erst mal so etwas zu hören, tolerieren und akzeptieren. Und dann noch mal: Das Ende wäre George Orwell. Das Ende wäre ein Verfassungsschutz, ein Bundesnachrichtendienst, der in jeder intimen Ecke lauscht und hört, und wir im Grunde genommen, selbst wir beide, wenn wir dann irgendwo mal sitzen würden und uns über Politik unterhalten, das nicht mehr machen, weil ich nicht weiß, ob Sie mit Ihrem Telefon das aufzeichnen, eine Kamera irgendwo mitläuft und das wie selbstverständlich auch in den Medien verbreitet wird. Kein Mensch hat sich darüber aufgeregt, wie diese Informationsbeschaffung zustande gekommen ist.
Müller: Das ist auch noch nicht ganz klar. Wir haben heute Morgen auch versucht, da in Wien noch einmal nachzufragen. Da sind ja tatsächlich noch viele Fragestellungen offen.
Hampel: Na ja, es ist ja erkennbar, dass das von langer Hand vorbereitet wurde. Das ist jetzt schon erkennbar. So eine Räumlichkeit muss ja mit Mikrophon, mit Kameras und so weiter ausgerüstet werden. Das machen Sie nicht von jetzt auf gleich!
Müller: Herr Hampel, lassen Sie es mich anders herum noch einmal versuchen, jetzt losgelöst von der Beschaffungsart der ganzen Geschichte des Skandals, des Videos. Ist es jetzt gut für die Demokratie zu erfahren, was Strache damals gesagt hat?
Hampel: Ach, jetzt kommen wir gleich zu "ist das gut für die Demokratie".
Müller: Oder für das System, für die Wähler, für die Öffentlichkeit.
Hampel: Ich könnte Ihnen aus den vergangenen 30 Jahren unzählige Belege von politisch aktiven Personen nennen, wo Sie dann die Frage stellen, ist der dann jemand, der tragbar ist.
Müller: Ist ja interessant!
Hampel: Die hat man nur fair bekämpft. Wenn man das erkannt hat, dass einer solche Fantasien hatte, dann hat man alle legalen Möglichkeiten genutzt, um dieses Verhalten und diese Denke herauszustellen.
Hampel: Strache ist auch ein Opfer
Müller: Also reden wir über ein Opfer? Ist er Opfer?
Hampel: Ja, natürlich. Er ist beides! Er hat eine Ansicht geäußert, und noch mal: er hat seine Konsequenzen gezogen. Das ist richtig, das musste er. Aber noch mal: Ich glaube, dass wir uns, und zwar intensiv, Gedanken darüber machen müssen, welche Art der Informationsbeschaffung wir heute zulassen.
Müller: Sie waren jahrelang – Sie haben das ja eben selbst gesagt – öffentlich-rechtlich beschäftigt als Journalist, als Korrespondent. Sie waren viel im Fernsehen. Wenn Sie die Gelegenheit jetzt gehabt hätten zu dieser Möglichkeit, hätten Sie darauf verzichtet?
Hampel: Das habe ich nicht verstanden. Welche Möglichkeit jetzt?
Müller: Dieses Video zu drehen, wie auch immer, zugespielt zu bekommen, das zu veröffentlichen. Hätten Sie darauf verzichtet als Journalist?
Hampel: Ja, ja. Ich hätte mir die Personen gesucht, wie man das macht, die das belegen, dass Herr Strache diese oder jene Angaben oder Meinungsäußerungen gemacht hat, aber ich hätte das nicht so gemacht, nein. Dazu gab es Gelegenheiten genug, in vielfältiger Form. Dienstreisen waren spätestens in den Abendstunden häufig von Gesprächen getragen, die sie nicht in die Öffentlichkeit getragen haben.
Müller: Sie haben sich da immer zurückgehalten. – Ich habe jetzt noch eine andere Frage, habe ich jetzt ganz vergessen, weil wir bei diesem Punkt die ganze Zeit stehen geblieben sind. FPÖ, AfD – welche Konsequenzen hat das für die AfD?
Hampel: Gar keine. Die FPÖ ist von ihrer inhaltlichen Aufstellung unser Partner und daran wird sich nichts ändern. Sonst müsste ich ja mit jeder Vereinigung, in der einer mal gefehlt hat oder was gesagt hat, was wir nicht vertreten können, sofort den Kontakt beenden. Das ist ja absurd! Das ist ein singuläres Ereignis. Der Herr Strache hat da ja nicht für die FPÖ in toto gesprochen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.