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Regierungskrise in Österreich
Für Kurz könnte es eng werden

Beim bevorstehenden Misstrauensvotum ist der österreichische Kanzler Sebastian Kurz auf die Stimmen der FPÖ und der Sozialdemokraten angewiesen. Nur wenn er von ihnen Stimmen bekommt, kann er sich im Amt halten. Entschieden haben sich beide Parteien noch nicht.

Von Srdjan Govedarica | 22.05.2019
Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, läuft im Rahmen seiner Stellungnahme zu neuen Entwicklungen in der Koalition im Bundeskanzleramt. Im Hintergrund sind die österreichische und die EU-Flagge zu sehen.
Kanzler Sebastian lässt die FPÖ-Minister vorübergehend durch Minister ersetzen (Herbert Neubauer / APA / dpa )
Ein aufregender Tag geht mit einem moralischen Appel zu Ende. Ausgesprochen zur besten Sendezeit von Bundepräsident Alexander van der Bellen:
"Jetzt ist nicht die Zeit für Wahlkampfreden. Ich appelliere an alle Verantwortungsträger in diesem Land, die politische Verantwortung auch für dieses Land zu tragen. Denken Sie bitte jetzt nicht daran, was sie für ihre Partei kurzfristig herausholen können, sondern denken sie daran, was sie für Österreich tun können."
Van der Bellen entschuldigte sich bei seinen Landsleuten für das Bild, das die Politik in den vergangenen Tagen bei ihnen hinterlassen haben könnte. Mit Blick auf die kommenden Tage sagte er:
"Nur Mut und etwas Zuversicht. Wir kriegen das schon hin. Wir haben das in der Vergangenheit auch immer geschafft, das ist ja etwas typisch Österreichisches"
Minister sollen durch Experten ersetzt werden
Auch Tag fünf der Krise in Österreich war ereignisreich. Im Mittelpunkt stand die Wiener Hofburg, der Amtssitz des Bundespräsidenten und die Frage, wie die Übergangsregierung bis zur Neuwahl im September aussehen soll. Alexander van der Bellen erklärte, dass ihn Heinz-Christian Strache nun schriftlich um Entlassung gebeten habe, außerdem habe ihm Bundeskanzler Kurz vorgeschlagen Innenminister Kickl zu entlassen, woraufhin ihn alle FPÖ-Minister um Amtsenthebung gebeten haben:
"Ich beabsichtige allen diesen Gesuchen zu entsprechen"
Außenministerin Karin Kneissl hingegen soll im Amt bleiben. Sie ist parteilos, wurde aber von der FPÖ nominiert. Jetzt ist Sebastian Kurz am Zug.
"Der Bundespräsident hat mich daher beauftragt nach den Rücktritten und Entlassungen eine funktionierende Bundesregierung zusammenzustellen und die frei werdenden Positionen mit Expertinnen und Experten aufzufüllen"
Kurz sagte dem Präsidenten zu ihm möglichst schnell Vorschläge zu präsentieren. Van der Bellen wird dann Gespräche mit den Kandidaten führen und diese dann die Personen – nach Gesprächen mit ihnen – ernennen. Er formulierte auch einige Auswahlkriterien:
"Insbesondere für das Innenressort, aber auch für alle anderen Personen gilt, dass die vorzuschlagenden Personen fachlich über die Parteigrenzen hinweg anerkannt und integer sein müssen"
Sondersitzung des Parlaments am Montag
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz steht weiterhin ein Misstrauensantrag in Raum. Er wird wahrscheinlich bei einer Sondersitzung des Parlaments zum Ibiza Video gestellt werden, die am kommenden Montag stattfinden wird. Die Opposition wollte einen früheren Termin, doch Parlamentspräsident Wolfang Sobotka, ein Politiker der Kanzlerpartei ÖVP hat eine andere Entscheidung getroffen:
"Es geht nicht um europäische Themen, sondern um innenpolitische Themen und mein Vorschlag wird lauten und die Einberufung der Sitzung für Montag den 27. Mai festzusetzen"
Die Initiative für den Misstrauensantrag stammt von der keinen Oppositionspartei Liste Jetzt. Sie hat sieben Abgeordnete in Parlament, die gegen Kurz stimmen werden. Klar ist auch, dass die 61 Abgeordneten der Kanzlerpartei ÖVP und die liberalen NEOS - sie haben zehn Mandate - dem Antrag gegen Kurz nicht zustimmen.
Diese 71 Stimmen sind allerdings zu wenig, um Kurz im Amt zu halten. Es kommt also auf die Stimmen der FPÖ und der Sozialdemokraten an. Die beiden Parteien wollen erst in den kommenden Tagen entscheiden, was sie in der Sondersitzung tun werden. Österreich stehen also spannende Tage bevor – das sagt auch Politikwissenschaftler Peter Filzmeier im ORF-Fernsehen:
"Wie sind mittlerweile in einer Ausnahmesituation wo die Bundesverfassung zwar gute und tägliche Steuerungsinstrumente vorgibt, wir aber in ungewohnten Gewässern steuern müssen. Denn es gab nie eine Expertenregierung, es gab noch nie die Entlassung eines Ministers und es gab noch nie einen erfolgreichen Misstrauensantrag. All das ist jetzt möglich"