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Regulierung Sozialer Medien
Lehren aus dem Facebook-Skandal

Das britische Unternehmen Cambridge Analytica hatte im Vorfeld der US-Wahlen Facebook-Nutzerdaten missbraucht und zu Wahlwerbungszwecken in die USA verkauft. Im Mai musste es Insolvenz angemeldet. Doch jetzt geht das Geschäft mit Daten zur Manipulation von Wahlen weiter.

Von Thomas Reintjes | 11.07.2018
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    Mark Zuckerberg hat viele Fragen zum Datenmissbrauch bis heute nicht beantwortet. (imago stock&people / Maciej Luczniewski)
    Mitte April wurde Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu Anhörungen vor den US-Kongress geladen. Er sollte erklären, wie die Daten von Millionen US-Bürgern in die Hände von Unternehmen gelangen konnten, die sie unter anderem dazu benutzten, Wähler zu manipulieren. In der fünfstündigen Anhörung vor dem Senat hatte Zuckerberg jedoch nicht immer eine Antwort parat.
    Mark Zuckerberg:
    "Herr Vorsitzender, mein Team wird die Informationen nachreichen."

    "Mein Team wird gerne mehr Informationen nachreichen, falls das hilft."

    "Senatorin, ich kann auf jeden Fall mein Team bitten, genaueres nachzureichen."

    "Mein Team wird Ihnen die Informationen geben."
    Senator:

    "Okay, ich habe mir schon gedacht, dass das die Antwort sein würde."
    Bei 50 Fragen hat Zuckerberg gesagt, dass sein Team die Antworten nachliefern werde. Gut zwei Monate später liegt erst die Hälfte der Antworten vor, schreibt die Washington Post. Und das Wall Street Journal berichtet, dass immer noch unklar ist, was bei den 200 Unternehmen, die massenhaft Facebook-Daten abgeschöpft haben sollen, passiert ist. Zuckerberg hatte versprochen, mit viel Aufwand nachzuforschen, wohin die Daten geflossen sind. Aber anscheinend antworten viele Unternehmen einfach nicht. Sie haben auch wenig zu befürchten, schließlich ist Facebook kein Strafverfolger. Die Aufklärung stockt also und die Frage bleibt: Wie groß war der Einfluss von Cambridge Analytica und anderen Unternehmen auf die amerikanische Präsidentschaftswahl?
    Weiterentwicklung von Algorithmen könnte Situation verschlimmern
    Die Tatsache, dass das immer noch eine ungeklärte Frage ist, sei das Problem, sagt Justin Hendrix. Er ist Gründer der Initiative "Regulate Social Media", die sich für eine Regulierung sozialer Medien einsetzt. Die Vergangenheit sei das eine, sagt er, aber in Zukunft könnten Firmen mit weiterentwickelten Personalisierungs- und Empfehlungsalgorithmen noch Schlimmeres anrichten, befürchtet Hendrix.
    "Man fragt sich, an welchem Punkt sie genug Informationen über jemand haben werden um praktisch eine Kopie der Psyche einer Person anfertigen zu können. Das klingt vielleicht weit hergeholt, aber darauf läuft es hinaus. Man will einem Modell eine Frage stellen und eine Antwort bekommen, die dem entspricht, was eine bestimmte Person geantwortet hätte. "
    Bei Cambridge Analytica gab es offenbar Vorläufer solcher Methoden. Dass das Unternehmen inzwischen insolvent ist, ändert wenig. Die Journalistin Wendy Siegelman hat ein ganzes Geflecht von weiteren Datenanalyse-Firmen identifiziert, die mit Donald Trump und Cambridge Analytica verwickelt sind: Philometrics, Cloud Commerce oder Genus AI in den USA, Psyche-Group und Black Cube in Israel, die Internet Research Agency in Russland und viele mehr. Eines der jüngsten Unternehmen ist Data Propria. Geleitet wird es von Matt Oczkowski. Zuvor war er Produktchef bei Cambridge Analytica - und damit Chef der Datenanalysten, die für den Trump-Wahlkampf gearbeitet haben. Jetzt hat er Aufträge von Republikanern für den US-Wahlkampf 2018, die Mid-terms. Die Presseagentur Associated Press will erfahren haben, dass Data Propria auch schon Kampagnen für die Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump im Jahr 2020 vorbereitet. Das bestreitet Matt Oczkowski allerdings. Er dementiert auch Informationen wonach Data Propria wie zuvor Cambridge Analytica an Psychogrammen von Wahlberechtigten arbeitet.
    Data Propria das neue Cambridge Analytica?
    "Solche Firmen gibt es auf allen Seiten des politischen Spektrums, in den USA und weltweit. Die werden tun, was sie können, um ihren Kunden einen Vorteil zu verschaffen - hoffentlich in einem legalen Rahmen. Und den müssen wir ändern."
    Europa sieht Hendrix mit der Datenschutzgrundverordnung schon gut aufgestellt. Einen ähnlichen Rechtsrahmen wünscht er sich, um die Daten von US-Bürgern zu schützen. Aber zur Regulierung Sozialer Medien sollte seiner Meinung nach auch gehören, dass die Unternehmen transparenter werden. Bisher braucht das FBI einen Durchsuchungsbeschluss, um Informationen von Facebook ausgehändigt zu bekommen - beispielsweise über mehr als 3500 Werbe-Anzeigen und 80.000 Posts, die Fake News kolportierten, bei Facebook eingestellt von einer russischen Firma.
    Unternehmen sollten für "sozialen Schaden" zahlen
    "Wir haben nur ein unvollständiges Bild davon, was um die Wahl von 2016 herum passiert ist. Wir wissen nur, was die Technologie-Unternehmen gezwungen wurden, offenzulegen. Und, was unabhängige Ermittler und Forscher herausfinden konnten. Das sollte nicht sein. Wir sollten genauer wissen, was da vor sich gegangen ist, und das gilt auch für die Zukunft."
    Die Aktivisten von Regulate Social Media wünschen sich, dass Forscher in Zukunft direkten Zugriff auf Daten bekommen, um die Regeln zu verstehen, nach denen in diesen neuen öffentlichen Räumen Meinungsbildung stattfindet. Eine weitere Forderung von Justin Hendrix: Unternehmen sollten für entstandenen "sozialen Schaden" bezahlen müssen, genau wie traditionelle Industrie für Umweltschäden aufkommen muss.