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Reifung in der Petrischale

Kinderlose Paare, die eigenen Nachwuchs haben wollen, nehmen oft auch gesundheitliche Risiken in Kauf, um ihren Wunsch zu erfüllen. Für Frauen ist die Behandlung mit hoch dosierten Hormonen vor der eigentlichen künstlichen Befruchtung besonders belastend. An den Universitätskliniken Lübeck und Heidelberg haben Mediziner erstmals in Deutschland ein Verfahren erprobt, das ohne diese Hormontherapie auskommt: die so genannte In-vitro-Maturation.

Von Katrin Bohlmann | 17.01.2006
    Katja Wallinger und ihr Mann haben sich nichts sehnlicher gewünscht hat als ein Kind. Jahrelang hat es nicht geklappt. Die 34-Jährige hat dafür viel auf sich genommen. Immer wieder Arztbesuche, auch im Ausland, Hormonbehandlungen, dann eine Fehlgeburt und eine Eileiterschwangerschaft. Aber sie hat nie aufgegeben.

    " Kinder sind großartig und Kinder muss man haben, einfach, ... weil´s klasse ist. "

    Inzwischen ist sie glückliche Mutter eines fünf Monate alten Sohnes. Katja Wallinger hat die konventionelle Methode einer künstlichen Befruchtung genutzt, die In-Vitro-Fertilisation - kurz IvF. Die sei teuer und habe viele Nebenwirkungen, sagt Sören von Otte, Frauenarzt in der Universitätsklinik Lübeck.

    " Bei der werden nach hoch dosierter Stimulation Eizellen aus dem Eierstock reif entnommen und dann direkt befruchtet. "

    Im Gegensatz dazu reift bei der neuen Methode die Eizelle außerhalb des Körpers. Die Patientin muss somit keine hochdosierten Hormone einnehmen. Und die In-vitro-Maturation geht schnell - schneller als die herkömmliche Behandlung. In maximal 32 Stunden ist die Eizelle gereift.

    " Das sind so genannte Petri-Schalen, in denen werden die Eizellen mit Nährlösung, in Nährlösung kultiviert. Für die IvM-Methode sind spezielle Nährmedien erforderlich, in der werden dann die Eizellen gereift. Diese Medien enthalten u.a. diejenigen Hormone, die man normalerweise für die Überstimulation unter die Haut spritzen muss. Die werden in niedrigerer Konzentration den Eizellen direkt zugegeben. "

    Das Arbeiten an den Eizellen erwies sich zunächst als schwierig. Vor einem Jahr haben Sören von Otte und seine Kollegen mit den Versuchen begonnen.

    " Es hat am Anfang natürlich einige Übung benötigt, um überhaupt Eizellen zu gewinnen. Der wesentliche Unterschied ist ja, dass man Eibläschen punktiert, die erheblich kleiner sind als die normal großen Eibläschen nach der konventionellen Überstimulation. Das bedeutet, die Eibläschen, die wir punktieren, sind etwa 5-12 Millimeter groß im Vgl. zu 17, 18 19 Millimeter aufwärts bei der normalen Stimulationsbehandlung. Die Eierstöcker sind dementsprechend nicht vergrößert bei dieser IvM-Methode. "

    Insgesamt haben sich 35 Frauen an den Studien beteiligt. Die Bilanz: Fünf wurden schwanger. Aber: Es gab zwei Fehlgeburten. Doch zwei Schwangerschaften dauern noch an und vor einigen Wochen ist das erste Kind geboren worden. Die Mutter möchte anonym bleiben.

    " Das ist eine Patientin, die ist 31 Jahre alt, hatte seit drei Jahren unerfüllten Kinderwunsch, hatte mehrere andere Behandlungen hinter sich. Und sie hat dann von der Methode gehört, hatte auch schon gehört, dass es in anderen Ländern angewandt wird. Beispielsweise in Dänemark, Kopenhagen, die ja auch unser Vorbild, was diese Technologie betrifft, sind. Und hat dann einfach Interesse gehabt und wollte dieses Verfahren, zumal es bei uns als Studie angeboten wurde, auch hier mal ausprobieren. "

    Und die Patientin würde die IvM-Methode noch einmal nutzen. Denn sie wünsche sich noch weitere Kinder, so von Otte. Bei allem Mutterglück - es gibt auch Gefahren bei der neuen Behandlung.

    " Das Verfahren ist naturgemäß neu. Das heißt es gibt keine Langzeitdaten zu den Kindern, die nach dieser Methode gezeugt werden. Deswegen haben wir auch dieses Projekt in Kooperation mit unseren Kinderärzten initiiert und werden diese Kinder, die nach dem Verfahren geboren werden, engmaschig nachuntersuchen. Auch das ist mit den Eltern besprochen, das wissen sie. "

    Und: Die In-vitro-Maturation ist teuer. Eine Behandlung kostet zwischen 1500 und 1800 Euro. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen zur Zeit die Hälfte der Kosten - zumindest bei den ersten drei Versuchen. Katja Wallinger hat für die konventionelle künstliche Befruchtung aber noch mehr - fast das Doppelte bezahlt. Beim nächsten Mal würde sie auch die IvM-Methode nutzen.

    " Jede Methode, die uns empfohlen wird, um weitere Kinder zu kriegen. Ich kann es jedem nur empfehlen, der ein Kind oder Kinder haben möchte, diesen Weg zu gehen, denn wir sollten froh sein, diese Möglichkeit zu haben, die medizinische Möglichkeit. Einfach aufzugeben ist nicht der richtige Weg. "

    Allerdings sind nicht alle Frauen für die IvM-Behandlung geeignet. So dürfen die Patientinnen nicht älter als 37 Jahre alt sein. Nach Ansicht der Ärzte eignet sich die Methode auch für Frauen, die nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung sich ein Kind wünschen. Weltweit sind bereits 400 Kinder nach diesem Verfahren geboren worden. In Deutschland bieten die Unikliniken in Lübeck und Heidelberg die neue Behandlung an. Lübeck hat nun schon sein erstes IvM-Baby. Und die Heidelberger Kollegen erwarten im April ersten Nachwuchs: Zwillinge.

    Weitere Informationen:

    Uniklinik für Frauenheilkunde in Lübeck, Kinderwunsch-Sprechstunde. Die Telefon-Nr. lautet: 0451-500-4418.