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Reihe: Das Frau-Holle-Business - Teil 3
Die Schneegiganten aus Sterzing

Bison, Husky, Leitwolf: Die Südtiroler Firma Prinoth ist seit über 50 Jahren im Geschäft. Allerdings nicht mit dem Handel wilder Tiere, sondern mit der Produktion und dem Vertrieb von Pistenfahrzeugen. Die exportiert das ursprünglich als Autowerkstatt gegründete Unternehmen weltweit - sogar bis in die Antarktis.

Von Klaus Lockschen | 22.12.2017
    Ein Pistenfahrzeug der Firma Prinoth im Einsatz
    Ein Pistenfahrzeug der Firma Prinoth im Einsatz (Prinoth)
    Malerisch eingebettet in die Südtiroler Alpen liegt die 7.000-Seelen-Gemeinde Sterzing zwischen Jaufen- und Brennerpass. Malerisch sogar deren Industriegebiet. Da tobt auf der angrenzenden Weide eine stattliche Herde von Haflinger-Ponys. Und wenige Schritte davon entfernt dreht sich alles um Husky, Bison und Leitwolf. Kein Mini-Zoo, keine Geschöpfe aus Fleisch und Blut, sondern Gebilde aus Stahl und Hydraulik. Produkte, die die Firma Prinoth hinter der lang gestreckten Alu-Fassade fertigt und denen sie Tiercharaktere zuspricht. Prinoth ist neben Kässbohrer einer der beiden Global Player bei Pistenraupen, die sich den Weltmarkt mit der Nachfrage aus geschätzten 4.000 Skigebieten fast vollständig teilen.
    "Weltweit kann man davon sprechen, dass der Pistenfahrzeugmarkt für Neufahrzeuge sich zwischen 900 und 1.000 Fahrzeuge pro Jahr in etwa einpendelt – natürlich mit ein bisserl Schwankungen, je nach Wetterlage",
    sagt Produkt-Chef Andreas Muigg. Er führt durchs Werk. Längs unter der Decke der fußballfeldgroßen Halle ist eine wuchtige Krananlage montiert. Grau lackiert sind Boden und Wände. Alles clean. Man sieht, hier wird nicht geschweißt, geflext, hier wird montiert. Über 95 Prozent der Teile kommen von Zulieferern. Acht Stationen braucht es, um aus diesen Einzelteilen eine Pistenraupe zu bauen.
    "Wir erhalten den Hauptrahmen als stahlgeschweißtes, lackiertes Element und bauen dann Schritt für Schritt Hydraulikleitungen, Fahrwerkskomponenten, die Endgetriebe, die Spannachse für die vordere Achse auf, dann wird der Motor mit dem entsprechenden Verteilergetriebe und den Antriebspumpen eingesetzt.
    Und somit wird Schritt für Schritt das Fahrzeug aufgebaut bis zu dem Zeitpunkt, wo nur noch die Kabine fehlt. Die wird dann aufgesetzt, wird dann sowohl elektrisch als auch von den Verschlauchungen mit dem Rest des Fahrzeugs verbunden. Und dann ist man bereit, um in die Prüfkabine einzutreten."
    Als Gesprächsort dient statt eines Büros die Kabine eines Leitwolfs, der kurz vor seiner Endabnahme steht. Das Modell ist das Flaggschiff, 14 Tonnen schwer, über 500 PS stark, von mächtigen Ketten angetrieben, vorne Schild, hinten Fräse und endmontiert so breit, wie ein Pkw lang ist. Der Einstieg in die geräumige Kanzel bedeutet klettern. Drei Sitze, der mittlere ist der Fahrerplatz, riesige Frontscheibe, und für die rechte Hand einen Joystick, mit dem Schild, Fräse und Winde bedient werden, mit der linken wird mit zwei Hebelchen gelenkt. Ein Touchscreen dient zum Feintuning von Fräsdrehzahl, Schnitttiefe und Anpressdruck.
    "Prinoth ist im Jahr 1957 gegründet worden, allerdings als Automobilwerkstatt. Der Ernst Prinoth war aber auch Rennfahrer und ein technischer Tüftler und war fasziniert von Schneefahrzeugen. Und hat dann im Jahr 1962 den ersten Prototyp auf den Markt gebracht. Und zwei Jahre später ist er dann auch in die Serienproduktion gegangen."
    Ab September ist Hochsaison
    Die Initialzündung gelang. Große internationale Skiwettkämpfe waren sofort bedacht auf gute Pistenpräparation und kurbelten das Geschäft schnell an.
    Pistenraupen sind natürlich Winterware – da schneit es auch die meisten Bestellungen ins Haus. Für viele der 650 Mitarbeiter heißt es dann: Sonderschichten.
    "So richtig spannend wird’s eigentlich ab September bis Weihnachten. Und dann wird´s normalerweise ein wenig ruhiger, aber wir beginnen dann meistens schon wieder Ende Januar, Anfang Februar mit dem Folgejahr."
    In der ersten Jahreshälfte wird auf Verdacht gebaut, Standardkonfigurationen. So an die 80 bis 100 Raupen auf Halde, die in Vollausstattung bis zu einer halben Million Euro kosten, das Einstiegsmodell Husky ist immerhin noch so teuer wie ein sehr gut ausgestatteter Porsche, sagt der 36-Jährige.
    "Wir wissen ja grundsätzlich in etwa, wie viele Fahrzeuge wohin gehen, und wir wissen ja auch aus der Historie, was sind die gängigsten Konfigurationen. Und genau diese werden am Anfang des Jahres gebaut, wo wir wissen, da bleiben wir auf denen nicht sitzen, sondern die werden definitiv im Laufe des Jahres auch bestellt."
    Die Produktionslinien in Sterzing und im kanadischen Quebec sind flexibel ausgelegt.
    "Montagearbeiter am Band sind so weit geschult, dass sie jedes Fahrzeug und an jedem unterschiedlichen Montageschritt zusammenbauen können, um eine gewisse Flexibilität zwischen unterschiedlichen Modellen, aber auch bei unvorhergesehenen Wechseln im Montageablauf kompensieren zu können."
    Gerade durchläuft eine Raupe ihren Leistungs-Check und wird in einer Testkammer nach einem standardisierten Ablauf auf Touren gebracht. Danach wird die Fräse justiert.
    "Jetzt verstellt er die Fräse hinten, schaut, ob da die Funktion passt: Seitenflügel heben, senken, Schnittwinkelverstellung und das Kalibrieren der Fräse, dass die auch entsprechend der Zieleinstellung genau den Boden berührt, wo es sein soll, um entsprechende Aufbautoleranzen zu kompensieren".
    Und dann ab auf die Piste mit der Hoffnung auf viel Schnee unterm Schild.
    "Wir spüren direkt, wenn die vorherige Wintersaison schneearm war, dass die Investitionen vom Skigebiet in die Beschneiung gehen und eher die Investitionen im Präparationsbereich verschoben werden."
    Auch in der Antarktis werden Schneeraupen gebraucht
    Dank der globalen Aufstellung ließen sich diese Effekte aber meist gut kompensieren, sagt Andreas Muigg. Rund 450 Raupen im Wert von gut 200 Millionen Euro liefert Prinoth jährlich aus, selbst in die unwirtliche Antarktis. Dort fahren gut 20 Stück, sei es etwa für den Gütertransport zwischen Schiff und Station oder für Landefeldpräparation. Eher schwierig sei dort aber eines: der sonst übliche Reparaturservice binnen 24 Stunden.