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Reihe: Wahlversprechen
Wo CDU-Frau und AfD-Mann koalieren

Die CDU will nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Im Gemeinderat des pfälzischen Frankenstein tut sie es trotzdem: Beide Parteien sind dort so weit abgeschlagen, dass Monika Schirdewahn (CDU) ohne ihren Ehemann Horst Franz Schirdewahn (AfD) keinen Fraktionstatus hätte.

Von Anke Petermann | 21.08.2019
Ortseingangsschild von Frankenstein, Gemeinde im Landkreis Kaiserslautern, Deutschland, Rheinland-Pfalz
In Frankensteiner Gemeinderat hat die CDU wie die AfD nur einen Sitz - und bildet gegen den Willen der Parteiführung eine Fraktion mit dem politischen Gegner, der zugleich der Ehemann ist (blickwinkel / imago)
Im Gemeinderat von Frankenstein sitzt mit Monika Schirdewahn eine Christdemokratin und mit ihrem Ehemann Horst Franz Schirdewahn ein AfD-Politiker.
Damit die beiden Fraktionsstatus erreichen und der Freien Wählergemeinschaft FWG in dem 1.000-Einwohner-Ort Paroli bieten können, schließen sie sich zu einer Gemeinschaft zusammen. Offiziell bekannt geben wird Frankensteins Bürgermeister Eckhard Vogel von der FWG die neue zweiköpfige Fraktionsgemeinschaft von CDU und AfD erst im September auf der Gemeinderatssitzung. Dann wird er den Eheleuten Schirdewahn anbieten, die beiden getrennten Tische mit je einem CDU- und einem AfD-Schild hinten im Saal zusammenzuschieben.
"Die dürfen gern nebeneinander rücken", sagt der Bürgermeister von der FWG, die mit zehn Sitzen die Mehrheit stellt. Den Namen der neuen Fraktion bringt Eckhard Vogel aber noch nicht über die Lippen. "Fortschritt Frankenstein" soll sie heißen. Doch Bürgermeister Vogel glaubt, dass die neue CDU-AfD-Gemeinschaft den Gemeinderat für ihre Privat-Interessen kapern will - darin kann er absolut keinen Fortschritt erkennen.
Zwei "Geduldete" kämpfen um Wasseranschluss
Das Ehepaar Schirdewahn lebt in der Ferienhaussiedlung Schliertal. Diese ist eigentlich nicht fürs dauerhafte Wohnen gedacht. Deshalb sind auch die Schirdewahns nur "geduldete" Dauerbewohner, sagt Ralf Leßmeister, Kaiserslauterer Landrat von der CDU. Die Anträge, die Ferienhaus-Siedlung ans öffentliche Wasser- und Abwassernetz anzuschließen, füllen Bände im Rathaus von Frankenstein. Bis vors Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ist das Ehepaar gezogen – und abgeblitzt. Jetzt führt es den Kampf politisch weiter.
"Die Menschenrechtsverletzung auf Trinkwasser-Versorgung und Schmutzwasserbeseitigung im Schliertal kann nur die Ortsgemeinde (…) Frankenstein beheben", schreibt Monika Schirdewahn. Ein Interview hatte sie zunächst zu-, dann wieder abgesagt. Doch verweigert die Gemeinde Frankenstein den Schirdewahns und anderen Schliertalern tatsächlich das Menschrecht auf Wasser? Bürgermeister Vogel schüttelt den Kopf.
"Natürlich hat man ein Menschenrecht auf Wasser. Jeder darf sich auch - wie das Gericht geurteilt hat, Wasser in Zisternen sammeln. Er kann sich Trinkwasser in Flaschen oder sonstiger Form besorgen. Sie haben nur kein Anrecht auf leitungsgebundene Erschließung, um das geht es ja."
"Nur als Fraktionsgemeinschaft kommen wir in alle Ausschüsse"
Nur die AfD, und zwar in Gestalt ihres Ehemanns Horst Franz, hilft Monika Schirdewahn bei dem, was sie als Kampf gegen Menschenrechtsverletzung sieht. Deshalb hält die CDU-Politikerin eine Fraktionsgemeinschaft mit der AfD für unabdingbar. Dabei haben ein Bundesparteitag und das Präsidium der CDU klar festgelegt: Keine Koalition und keine Kooperation mit der AfD. Monika Schirdewahn ist das offenbar egal:
"Nur als Fraktionsgemeinschaft kommen wir in alle Ausschüsse, unter anderem zur Ortsentwicklung. Zu diesen Ausschusssitzungen erhält man Einsicht in Gutachten und Pläne, darf Fragen und Anträge stellen, sowohl mündlich als auch schriftlich. Man darf sich an der Diskussion beteiligen und Empfehlungsbeschlüsse mit fassen für den Ortsgemeinderat."
CDU-Kreischef Marcus Klein: "Es gab mehrere Hinweise an Frau Schirdewahn, wenn sie diese Fraktionsbildung mit der AfD weiter betreiben möchte, ihre Mitgliedschaft zu beenden, darauf ist sie nicht eingegangen. Und deshalb kam es jetzt zu dem Antrag, ihre Mitgliedschaft durch ein Parteigericht beenden zu lassen."
Parteiausschlussverfahren gegen Koalitionärin
Und zwar, so CDU-Kreischef Marcus Klein, wegen parteischädigenden Verhaltens. Parteischädigend sei, befand der CDU-Kreisvorstand Kaiserslautern Land, eine solche Fraktionsgemeinschaft gegen den ausdrücklichen Willen des zuständigen Kreisverbands einzugehen. Marcus Klein: "Eine Zusammenarbeit mit der AfD, so wie sie sich jetzt darstellt, ist nicht möglich und auch nicht zulässig. Daran hat sich jedes Mitglied, das in ein Gremium gewählt ist, auch zu halten."
In erster Instanz urteilt nun das unabhängige Bezirksparteigericht Rheinhessen-Pfalz. Klein: "Ich rechne mit einer ersten Entscheidung im Herbst dieses Jahres, und dann wird man sehen, ob sich Frau Schirdewahn gegen diese Entscheidung wehrt in nächster Instanz."
Bis vors Bundesverfassungsgericht
Doch die hat bereits angekündigt, für ihre CDU-Mitgliedschaft notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Einen Partei-Ausschluss will sie auf keinen Fall hinnehmen. Keine Zusammenarbeit von Christdemokraten und AfD – ob CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer ihr Versprechen einhalten kann, liegt ab jetzt in den Händen der Justiz.