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Reise in die Unsterblichkeit

Grabfunde zeugen von den menschlichen Fantasien den Tod zu überwinden. Vor allem die Ägypter haben eine über 3500-jährige Tradition von Totenkulten und Jenseitsvorstellungen. Das Archäologische Museum Frankfurt am Main zeigt die Ausstellung "Reise in die Unsterblichkeit".

Von Barbara Weber | 03.11.2011
    "Zuerst ziehen sie mit einem gekrümmten Eisendraht durch die Nasenlöcher das Gehirn heraus. Sodann schneiden sie mit einem scharfen Stein den Leib an den Weichteilen entlang und holen das ganze Eingeweide heraus. Sodann füllen sie die Bauchhöhle mit unvermischter zerriebener Myrrhe, Kasia und den übrigen Spezereien und nähen sie wieder zu. Wenn sie das gemacht haben, balsamieren sie die Leiche mit Natron ein und verwahren sie siebzig Tage. Nach Ablauf der siebzig Tage waschen sie die Leiche, umwickeln den ganzen Körper mit Streifen von Leinwand. Dann übernehmen die Angehörigen die Leiche."


    "Die Vorstellung der alten Ägypter war, dass der Tod nicht das Ende des Lebens ist, sondern dass der Tod nur eine Phase des Übergangs ist","

    Kim Hofmann, Archäologin, Archäologisches Museum Frankfurt,

    ""von der der Lebende übergeht ins Jenseits. Damit die Seele weiterleben konnte."

    Und in den Körper zurückkehren konnte, musste dieser erhalten werden und wurde einbalsamiert.

    "Diese für uns doch etwas morbide Vorstellung und Praktik mit den Verstorbenen umzugehen hat ja doch eine gewisse Parallelität in unserem mittelalterlichen Reliquienglauben, der Reliquienpraxis","

    meint Prof. Egon Wamers, Leitender Direktor des Archäologischen Museums Frankfurt.

    ""Auch da haben wir eine außergewöhnliche Fixierung auf die Reliquien, die Überreste der Verstorbenen, die eine besondere Wirkkraft noch besitzen. Das ist einer dieser Parallelen, die wir etwa vom altägyptischen Toten- und Jenseitskult bis in das mittelalterliche, in das christliche Europa ziehen können, und beiden liegt im Grunde zugrunde, die Vorstellung eines Leichnams, der noch nicht tot ist, eines lebenden Leichnams. Das sind magische Vorstellungen, die im Grunde fast allen Menschen zu eigen sind, weil man sich ungern vorstellen mag, das, was da bis vor kurzem noch dein Liebster, dein Kind, deine Mutter war, ist auf einmal verschwunden."

    "Mit dem Tod des Körpers löste sich die Seele aus dem Körper und kam dann in die sogenannten elysischen Gefilde. Das stellten sich die Ägypter als eine Reihe von Feldern vor, die von Flüssen und Kanälen durchzogen waren. Bevor die Seele dahin kommen konnte, musste sie eine ganze Anzahl von Prüfungen bestehen, zum Beispiel das sogenannte Totengericht vor dem Gott Osiris, bei dem das Herz des Verstorbenen auf eine Waage gelegt wurde und gegen die Feder der Göttin Maat gewogen wurde. Und wenn der Tote in seinem Leben die Wahrheit gesagt hatte, dann war das Herz leichter als die Feder und seine Seele durfte ins Jenseits ziehen, wenn es schwerer war, wurde es von einem Ungeheuer gefressen, und damit war jegliche Existenz der Seele zerstört und somit auch die Möglichkeit, im Jenseits weiter zu leben."

    Auch der Gott Osiris, der mythische Herrscher des Totenreiches, wird als Mumie dargestellt. Das hat seine Ursache in der Geschichte, die mit ihm verbunden ist:
    Osiris wurde von seinem Bruder Seth aus Eifersucht getötet und zerstückelt.

    "Seine Gattin Isis hat ihn ja wieder zusammengefügt, und dann, mit diesem zusammengefügten Leib, den wichtigen Sohn Horus gezeugt, dass dieser Mythos zum Zentrum der ägyptischen Mythologie wurde, nachdem man ja in der frühen Zeit den Sonnenkult mit Re als Sonnengott als die zentrale kosmologische Mythologie hatte. Das ist also jetzt die völlig neue Situation spätestens ab dem Mittleren Reich","

    etwa ab 2100 vor Christus,

    ""dass man sich viel stärker dem Tode zuwendet und all dem, was damit zusammenhängt."

    Um dem Verstorbenen ein angenehmes Leben zu ermöglichen und in der Hoffnung, dass Osiris sein Herz nicht für zu schwer befindet, wurden den Toten zahlreiche Gegenstände des Alltags mitgegeben:

    "Praktisch alle Gegenstände des täglichen Lebens, weil man sich dieses Leben als eine Fortführung unter leicht veränderten Grundbedingungen des diesseitigen Lebens vorstellte, musste der Tote auch mit allem ausgestattet werden, was man sich für ein solches Leben vorstellte."

    Neben Lebensmitteln, Tiegeln und Töpfen versorgte man die Toten auch mit Kleidungsstücken:

    "Man erkennt quasi erst mal eigentlich nur die Sohle aus Pflanzenfasern geflochten und dann umringt von einer engeren Flechtung, vorne leicht spitz zulaufend und dann mit einem Band, das man sich ähnlich vorstellen kann wie bei modernen Flipflop oder Sandalenschuhen, das über den Fuß ging und so diese Sohle, diese Pflanzensohle am Fuß gehalten hat. Wir haben einen jener typischen vierbeinigen Hocker, mit Füßen in Form von Katzen, in Form von Löwenkatzen vermutlich. Es ist ein prachtvolles Stück, hochqualitätsvoller Schnitzkunst und Holzbearbeitungstechnik. Das ist eine kleine Tonstatuette, die mit einer grünen Glasur bezogen ist, man sieht sehr schön die vor der Brust überkreuzen Arme, die landwirtschaftliches Gerät halten. Und man erkennt über den gesamten unteren Bereich eine Anzahl von Hieroglyphen, eine Inschrift, die vermutlich neben dem Namen des Verstorbenen, dem diese Uschebti -Figur dienen sollte, auch den Aufruf aus dem Totenbuch nennt, nämlich dass der Uschebti die Arbeit des Toten übernehmen soll im Jenseits."

    Natürlich zeigt die Ausstellung auch kunstvoll gearbeitete Kultgegenstände, Amulette, Papyri, Gefäße, Mumien, Sarkophage und Instrumente, die zur Einbalsamierung genutzt wurden.

    Die ganze Pracht diente nur einem Zweck: der Hoffnung auf ein ewiges Leben.

    "Ein Ende der Mumifizierungspraxis kam sicher mit dem Aufkommen des Christentums. Schon Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus kann man viele christliche Gemeinden am Nil nachweisen. Das war auch die dominierende Religion im Ägypten bis ins 7. Jahrhundert. Und ein definitives Ende der Praxis der Mumifizierung ist dann sicher mit der arabischen Eroberung Ägyptens 641 nach Christus. Die alte ägyptische Kultur lebte aber fort in der dann gewandelten christlichen Variante bei den Kopten. Die Kopten haben nicht nur die Sprache der Ägypter erhalten in gewandelter Form, mit Hilfe der koptischen Sprache konnten ja dann auch die Hieroglyphen entziffert werden, sondern sie haben auch in ihrem Volksnamen Kopten den alten Aigyptoi – wie die Griechen sie nannten – Namen behalten, nämlich den zweiten Bestandteil, aus gyptoi wurden dann Kopten."