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Reisen in Europa
Corona-Ampel soll mehr Klarheit bringen

Grün, gelb, rot: Auf Initiative der EU-Kommission soll eine Corona-Ampel künftig für mehr Klarheit im europäischen Reiseverkehr sorgen. Reisende könnten so schneller erkennen, ob ihr Ziel ein Risikogebiet ist. Kritiker sagen jedoch: Die EU-Kommission hätte mehr gekonnt, denn viele Fragen seien weiter offen.

Von Peter Kapern | 13.10.2020
Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, steht mit Mundschutz vor einer grün eingefärbten Karte des Landes. Daneben sind die Stufen zu sehen: Grün, gelb, orange, rot.
Eine digitale Karte soll künftig regelmäßig darüber informieren, welche Regionen Risikogebiete sind (dpa/APA/Hans Punz)
Manchmal sieht es so aus, als würde Europa in der Corona-Pandemie in die Ära der mittelalterlichen Kleinstaaterei zurückfallen. Ungarn verhängt Einreiseverbote für alle Ausländer – außer für die aus den anderen Visegrad-Staaten. Schleswig-Holstein sperrt die Einwohner von Kreuzberg und Neukölln aus. Und der Bürgermeister von Aalst, einer Gemeinde östlich von Brüssel, will keine Brüsseler mehr in den Krankenhäusern seiner Stadt behandeln. Aalst den Aalstern – so seine Parole. Obwohl 500 Aalster Bürger vor ein paar Monaten noch auf den Intensivstationen in Brüssel lagen.
Abschottung statt Zusammenhalt in der Krise
Je schneller die Infektionsraten steigen, desto schneller fallen die Schlagbäume – auf der Straße - und in den Köpfen. Wer überhaupt in der EU noch wohin darf – und unter welchen Bedingungen – das ist derzeit kaum noch verständlich, weiß auch Ursula von der Leyen:
"Es ist mittlerweile schwer zu durchschauen, wohin man reisen kann, welche Regeln man bei der Ankunft und dann wieder bei der Rückkehr nach Hause befolgen soll."
Und die EU-Kommissionspräsidentin fürchtet, dass es noch schlimmer kommen könnte. So wie im Frühjahr, als die Mitgliedstaaten die EU-Binnengrenzen fast komplett dichtmachten, kein Lkw, kein Dienstreisender und kein Urlauber mehr hin- und herkam. Die Partnerländer wurden häufig nicht einmal über die Grenzschließungen informiert, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt.
Corona-Ampel soll kommen
Um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt, machte die Kommission vor einem Monat einen Vorschlag: Auf der Grundlage gemeinsamer Daten über das Infektionsgeschehen sollte eine Corona-Ampel entwickelt werden. Grün, gelb und rot, je nach Infektionsgeschehen. Gemeinsame Farbcodes also, die deutlich machen, wohin man ohne Auflagen reisen darf – nämlich von grünen in grüne Gebiete. Kommt man aber aus einem Risikogebiet, oder will man in eines reisen, dann muss man Auflagen befolgen. Heute nun wird der Ministerrat eine solche Regelung beschließen. Und Ursula von der Leyen ist zufrieden:
"Dieses neue System wird den Bürgerinnen und Bürgern das Leben leichter machen. Und ich bin froh, dass wir diese Lösung gemeinsam gefunden haben."
Eigentlich aber müsste die Kommissionspräsidentin alles andere als zufrieden sein. Denn ihr Vorschlag ging viel weiter als das, was die Mitgliedstaaten heute nach Vermittlung der deutschen Ratspräsidentschaft unter Dach und Fach bringen. Einmal pro Woche wird die ECDC, die europäische Infektionsschutzbehörde, eine Karte veröffentlichen, die die Europäische Union in grüne, orange und rote Zonen einteilt.
Mitgliedsstaaten wollen selbstbestimmen
Grundlage dafür sind die Infektionszahlen der letzten zwei Wochen und der Anteil der positiven Ergebnisse an allen COVID-19-Tests. Diese Karte wird online stehen, jeder EU-Bürger kann also leicht sehen, wo eine Risikozone ist und wo nicht. Leider aber weiß er dann noch nicht, welche Auflagen er zu befolgen hat, wenn er in ein Risikogebiet reisen will. Und das unterscheidet den Beschluss des Ministerrats von den Vorschlägen der EU-Kommission. Die wollte nämlich einheitliche Bestimmungen über Quarantäne und Corona-Tests für alle Risikogebiete der EU. Dabei spielten aber die Mitgliedstaaten nicht mit. Sie bestanden darauf, selbst bestimmen zu können, welche Auflagen sie Einreisenden machen. Einer der Gründe dafür: Die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten sind in sehr unterschiedlichem Maße in der Lage, schwerkranke Corona-Patienten zu behandeln. Deshalb wollten einige Mitgliedstaaten strengere Auflagen bei der Einreise als andere. Mit dem Ergebnis ist die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini alles andere als zufrieden:
"Wir sind immer noch einen Riesenwesen, Flickenteppich, und das ist natürlich ein Problem für die Bürgerinnen und Bürger des stiftet Verwirrung. Es ist aber auch ein Problem für den Binnenmarkt und die Integrität der innereuropäischen Lieferketten."
Mehr Einigkeit wäre wünschenswert
Etwas weniger kritisch geht er CDU-Europaabgeordnete Peter Liese mit den Mitgliedstaaten ins Gericht. Er sagt, der heutige Beschluss sei immerhin ein erster Schritt, hofft aber, dass weitere folgen:
"Mehr Einheitlichkeit wäre wünschenswert, auch damit die Bürgerinnen und Bürger die Regeln besser nachvollziehen können. Aber der sollten wir Deutsche im wahrsten Sinne des Wortes uns zurückhalten, weil wir ja auch innerhalb Deutschlands überhaupt keine Einheitlichkeit haben."
Es bleibt also dabei: Wer in Corona-Zeiten in der EU unterwegs ist, muss mühsam recherchieren, ob er am Zielort in Quarantäne gehen muss, wenn ja wie lange, oder ob die Vorlage eines Corona-Tests ausreicht, und wie aktuell der sein muss.