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Reiseverbot für den Künstler im Pelzrock

Dürer bleibt in München: Der Streit über die Ausleihe des "Selbstbildnis im Pelzrock" ist beendet. "Nicht reisetauglich" lautet das Urteil von Restauratoren. "Hätten wir das vor zwei Jahren gewusst, dann hätten sich ganz viele Dinge erübrigt", sagt Daniel Hess vom Germanischen Nationalmuseum.

Daniel Hess im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 15.02.2012
    Burkhard Müller-Ullrich: Zunächst geht es aber noch mal um "Dürer im Pelzrock". Um dieses mehr als 500 Jahre alte Bild hat es in den letzten Wochen einen lustigen Streit gegeben zwischen der Bayerischen Staatsgemäldesammlung in München und dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, einen Streit, der dann zum Politikum wurde und als Krach zwischen Bayern und Franken eskalierte. Ausgangspunkt war gewesen, dass die Franken von den Bayern dieses in München verwahrte Selbstbildnis des in Nürnberg gebürtigen Albrecht Dürer für eine Ausstellung im kommenden Sommer ausleihen wollten, die Bayern dies aber verweigerten – unter anderem, weil die Nürnberger das Bild vor 41 Jahren schon mal ausgeliehen und dann beschädigt zurückgegeben hätten. Letzteres stimmt nicht, so viel steht heute fest. Die Schäden stammen bereits aus den 30er-Jahren, wie eine gemeinsame Untersuchung des Gemäldes durch Fachleute sowohl der Bayerischen Staatsgemäldesammlung als auch des Nürnberger Nationalmuseums ergab. Sie ergab aber auch, dass das Bild wegen seines fragilen Zustands wirklich nicht ausgeliehen werden kann. - Frage an den Projektleiter der geplanten Ausstellung in Nürnberg, Daniel Hess: Ist das jetzt nicht ein bisschen peinlich? So viel Wirbel um ein Bild, das Sie, wie sich nun herausstellt, zu Recht nicht kriegen?

    Daniel Hess: Wir haben versucht, bedeutende Werke hier für die Ausstellung zusammenzubringen, um unsere neuen Erklärungsansätze deutlich zu machen. Wir haben aus München, weil die Selbstbildnisse eine ganz, ganz zentrale Rolle spielen, bis am Freitag nicht gewusst, wie der konservatorische Zustand dieses Gemäldes tatsächlich ist. Hätten wir das vor zwei Jahren gewusst, dann hätten sich ganz viele Dinge erübrigt – das ist richtig.

    Müller-Ullrich: Wenn Sie sagen, Sie haben es nicht gewusst – es steht ja das Werk auf einer Embargoliste, die ja nun tatsächlich den konservatorischen Zustand reflektiert, oder?

    Hess: Die Embargoliste ist nicht zwingend durch den konservatorischen Zustand definiert. Es sind keine konservatorischen Argumente bis am Freitag in der ganzen Diskussion gewesen. Es waren die Argumente der Liste und es war das Argument quasi der Unersetzbarkeit im Sinne einer Mona Lisa.

    Müller-Ullrich: Ja also in den Medien jedenfalls wurde Ihnen schon vor Wochenfrist vonseiten der Pinakothek das Argument des Erhaltungszustands entgegengehalten.

    Hess: Das ist richtig, aber das war vor zwei Wochen oder vor anderthalb Wochen.

    Müller-Ullrich: Genau.

    Hess:Die Leihverhandlungen laufen seit mehr als zwei Jahren.

    Müller-Ullrich: Was haben Sie denn vorgehabt, weil Sie sagen, Sie wollten da einen neuen Erklärungsansatz bieten? Worin besteht der und wie wichtig war genau dieses Dürer-Bildnis dann dafür?

    Hess: Wir wollen zeigen, dass erstens die Selbstbildnisse in einem ganz spezifischen kulturellen Kontext entstanden sind, und zwar in einem Kontext der uns von sogenannten Egodokumente, Selbstzeugnissen in ganz verschiedener Art. Warum malt er diese Selbstbildnisse mit einer fast, ja, nicht mehr zu überbietenden Perfektion und Ambition? Im Zusammenhang mit diesen ganzen kulturgeschichtlichen Wechselwirkungen lernen wir, dass die Selbstbildnisse offenbar so eine Art Ausweis der künstlerischen Fähigkeiten waren – unter anderem, um eine Werkstatt zu gründen, zum anderen aber auch, um eine absolut perfekte Kunst zu definieren. Bislang war beim frühen Dürer immer die Frage, alles, was nicht jetzt Topqualität ist, hat man dann der Werkstatt zugeschrieben oder sonst welche Erklärungen gefunden, und wir wollen da den Blick öffnen, ob wir nicht von ganz unterschiedlichen Ausführungsqualitäten ausgehen müssen, um Dürers frühes Werk zu verstehen.

    Müller-Ullrich: Und das alles hing an diesem einen Bild, das Sie da zeigen wollen?

    Hess: Wir brauchen, oder wir hätten gerne gehabt, dass wir eines dieser Selbstbildnisse zeigen können, weil nur am Original lässt sich diese absolut stupende malerische Qualität und Perfektion nachvollziehen.

    Müller-Ullrich: Wenn es denn nicht der Erhaltungszustand war, wenn es keine konservatorischen Gründe waren, welche Gründe haben Sie denn dann vermutet, als Ihnen schon eine Absage erteilt wurde?

    Hess: Wir mussten da gar nichts vermuten. Es hieß, dieses Gemälde ist auf einer Liste von 114 Gemälden, die die Pinakothek nicht verlassen dürfen und dieses Gemälde gehört zu den Top-Stücken, die der Besucher, wenn er nach München kommt, dort erwartet. Und da diese Liste mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst aufgesetzt wurde – das Ministerium ist auch für uns zuständig -, war unser Versuch, dieses Listenargument, wenn das nur am Argument dieser Liste hängt, dann eben das Gemälde ausgeliehen zu bekommen.

    Müller-Ullrich: Und da schaltet man dann die Presse und die Politik ein?

    Hess: Ich darf da vielleicht daran erinnern, dass die Presse… Es wurde ja zu einem gewaltigen Selbstläufer. Es gab ein Interview in der "Süddeutschen Zeitung" vom Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums. Und was dann losging, das haben wir nicht mehr – erstens nicht beeinflusst und zweitens hätten wir das auch gar nicht unter Kontrolle halten können.

    Müller-Ullrich: Würden Sie sagen, dass es das im Rückblick dann vielleicht nicht wert war?

    Hess: Ich glaube, diese Diskussion zeigt, dass wir noch viel mehr über die Frage nach Sinnfälligkeit von großen Ausstellungen fragen müssen. Es ist ja auch darüber jetzt einiges nachzulesen. Die Presse beurteilt Ausstellungen bislang (natürlich auch immer die Qualität von Ausstellungen) an der Menge der hochkarätigen Objekte, die auf Ausstellungen vertreten sind. Wenn diese Diskussion dazu beiträgt, dass vielleicht ein Bewusstsein in diesem ganz schwierigen Abschätzen zum einen der Erhaltung der Kunstwerke, auf der anderen Seite aber auch der öffentlichen Verantwortung, die wir mit diesen Kunstwerken haben – und zwar nicht nur sie der Öffentlichkeit zu entziehen, sondern sie auch immer wieder, den kulturellen Wert deutlich zu machen, nachhaltig zu machen, damit die Öffentlichkeit, der diese ganzen Werke gehört, auch in zwei, drei Generationen noch bereit ist, dafür Geld auszugeben in Form von Museen, die sich um diesen Kulturbesitz kümmern -, dann braucht es wahrscheinlich auch Ausstellungen. Die Diskussion hat vielleicht weitere Diskussionen ausgelöst, wo wir erst am Anfang stehen.

    Müller-Ullrich: So hat das Schlechte sein Gutes und das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung der Kunst wird geschärft durch den Ärger um ihre Nichtausleihe wegen Nichttransportierbarkeit. Das war Daniel Hess, er ist der Projektleiter der geplanten Dürer-Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.