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Reiz für Investoren
Renditeobjekt Pflegeheim

Alten- und Pflegeheime werden für Finanzinvestoren zu immer interessanteren Objekten. Jetzt hat eine amerikanische Gesellschaft den sechstgrößten deutschen Heimbetreiber aufgekauft.

Von Michael Braun | 14.08.2017
    Demenzzentrum der Vitanas-Gruppe in Magdeburg
    Demenzzentrum der Vitanas-Gruppe in Magdeburg (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
    Ganz vollzogen ist das Geschäft noch nicht. Aber wenn sich morgen der Deutschland-Chef des amerikanischen Finanzinvestors Oaktree zur Betriebsversammlung beim Hamburger Seniorendienstleister "Pflegen & Wohnen" angesagt hat, darf man wohl damit rechnen, dass eine weitere große deutsche Alten- und Pflegeheim-Kette an internationale Finanzinvestoren geht. Diesmal ist es die mit gut 7.700 Pflegeplätzen sechstgrößte Einrichtung dieser Art, die Vitanas Holding, die abgegeben wird. Verkäufer ist die Unternehmerfamilie Burkart. Nichts Ungewöhnliches in der Branche, solches Interesse aus dem Ausland, weiß Claus Bölicke, Abteilungsleiter Gesundheit, Alter, Behinderung beim Arbeiterwohlfahrt Bundesverband:
    "Man beobachtet das jetzt eben zunehmend, dass auch Immobilienfirmen oder andere Finanzinvestoren insbesondere in den stationären Markt einsteigen."
    8.300 Plätze gehören zum Unternehmen
    Oaktree übernimmt nicht nur die Vitanas Holding, sondern eben auch die Hamburger Pflege & Wohnen, insgesamt mehr als 8.300 Plätze. Auch zusammen würden sie damit den sechsten Rang unter den deutschen Anbietern halten, knapp hinter dem Berliner Unternehmen Kursana mit seinen gut 9.000 Residenzplätzen. Kursana gehört zur Berliner Dussmann Gruppe. Die marktführenden Ketten Curanum und Casa Reha mit knapp 25.000 Pflegeplätzen in 221 Heimen gehören der börsennotierten französischen Korian. Der nächstgrößere Rivale, Alloheim Senioren-Residenzen mit Sitz in Düsseldorf, 143 Heimen und gut 14.000 Plätzen, gehört dem Finanzinvestor Carlyle, der aber schon wieder einen neuen Eigentümer sucht.
    Rendite dank Pflegeversicherung
    Dass ausländische Investoren hier zugreifen, hat auch mit der guten sozialpolitischen Infrastruktur zu tun, namentlich mit der Pflegeversicherung. AWO-Manger Bölicke vermutete als Gründe für das ausländische Interesse an hiesigen Heimen:
    "Sicherlich relativ günstige Preise. Und das andere Element ist sicherlich auch eine relativ gesicherte Finanzierung über die Pflegeversicherung oder gegebenenfalls den Eigenanteil auch dann über den Sozialhilfeträger. Und was wir von ausländischen Pflegeanbietern, die sozusagen hier Fuß gefasst haben, in Deutschland, gehört haben, das sie eben auch tatsächlich sehr überrascht waren, wie schnell das erste Geld fließt, dadurch dass einfach mit den Pflegekassen und auch den Eigenanteil mit den Bewohnerinnen und Bewohnern monatlich abgerechnet wird."
    Demografische Entwicklung sorgt für wachsende Nachfrage
    Auch die demografische Entwicklung sorgt für wachsende, mindestens stabile Nachfrage. Die Menschen werden älter, pflegebedürftiger. Und auch wenn sie so lange wie möglich zu Hause bleiben wollen, also erst dann ins Heim wechseln, wenn hoher Pflegebedarf besteht, schreckten Investoren vor den damit verbundenen Kosten nicht zurück:
    "Personalkosten sind der größte Kostenanteil im Dienstleistungsbereich. Aber die werden ja so oder so finanziert über die Pflegeversicherung, über den Eigenanteil, den der Bewohner zahlen muss und so weiter. Insofern spielt, glaube ich, die Höhe der Kosten relativ wenig eine Rolle."
    Oft sind Investoren aber, gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase, vor allem an den Immobilien interessiert und geben die Pflege an Betreiber ab. Dann müssen die sehen, wie sie die Kosten auffangen. Bei "Pflege & Wohnen" in Hamburg soll die Stimmung jedenfalls gespannt sein. Das "Abendblatt" berichtet, die Betriebsversammlung morgen könne "turbulent" werden. Viele Mitarbeiter fürchten, unter dem neuen Eigentümer könne sich ihre Lage verschlechtern.