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Rekommunalisierung
Vattenfall will Stromnetz an Land Berlin verkaufen

Berlin und Vattenfall streiten seit Jahren vor Gericht um das Stromnetz. Das Land will die Privatisierung schon seit Jahren wieder rückgängig machen. Nun hat der Energiekonzern angeboten, das Stromnetz an den Berliner Senat zu verkaufen. Der Verkaufspreis ist noch offen.

Von Sebastian Engelbrecht | 23.10.2020
Ein schwarzer Stecker vor einer weißen 220-Volt-Steckdose aufgenommen am Dienstag (19.09.2006) in Hamburg.
Vattenfall versorgt 1,6 Millionen Kunden in Berlin mit Strom und Gas (picture-alliance / dpa / Sebastian Wimann )
Die Entscheidung des schwedischen Stromversorgers Vattenfall kommt überraschend. Denn in dem juristischen Streit mit dem Land Berlin um die Verstaatlichung des Berliner Stromnetzes hatte Vattenfall zuletzt mehrere Erfolge gefeiert. Das Landgericht Berlin hatte Vattenfall im November vergangenen Jahres recht gegeben. Das Stromunternehmen hatte gegen die Entscheidung des Senats geklagt, das Stromnetz künftig an einen landeseigenen Betrieb zu vergeben. Erst Ende September dieses Jahres hatte sogar das Berliner Kammergericht das Urteil bestätigt.
Vattenfall vs Berlin - ein langjähriger Streit
Der Streit zwischen Vattenfall und dem Senat begann schon 2014. Damals war die Konzession der Stromnetz Berlin GmbH formell ausgelaufen. Sowohl Vattenfall als auch der Berliner Senat wollen diesen langjährigen juristischen Streit jetzt beenden. Für Vattenfall sagte Pressesprecher Stefan Müller dem Deutschlandfunk:
"Wir haben uns jetzt zu diesem Schritt entschlossen, weil wir einen Ausweg aus der verfahrenen Situation finden müssen, und wir wollen die Kooperation mit dem Land Berlin auf eine neue Ebene heben. Es ist aus unserer Sicht keine Alternative, jetzt viele weitere Jahre in Auseinandersetzung mit dem Land Berlin zu sein und mit dem Land Berlin über die Stromkonzessionierung zu streiten."
Müller: weiterer Schritt in Rekommunalisierungs-Strategie
Vattenfall versorgt 3,8 Millionen Kunden in Deutschland mit Strom und Gas, davon 1,6 Millionen in Berlin. Zudem beliefert das Unternehmen 1,3 Millionen Haushalte in der Stadt mit Wärme. Dabei soll es bleiben. Nur das Stromnetz übernimmt künftig ein landeseigener Betrieb – und damit auch etwa 1.500 Mitarbeiter von Vattenfall. Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, sagte, die Übernahme des Stromnetzes sei Teil der Rekommunalisierung, die der Senat auch durch den Rückkauf von Wohnungen und der Wasserversorgung betreibe.
"Wir wollen ganz klar in den Bereichen der Daseinsvorsorge, in den für die Berlinerinnen und Berliner zentralen und sensiblen Bereichen, wollen wir Verantwortung, mehr Verantwortung übernehmen und wollen direkt entscheiden können. Wie wichtig das ist, sieht man gerade auch jetzt in der Pandemie. Mit Vivantes und Charité haben wir zwei öffentliche Partner, zwei kommunale Partner, mit denen wir direkt verabreden können, wie die Gesundheitsversorgung in unserer Stadt aussehen soll."
Verkaufspreis für Stormnetz noch offen
Ob der Senat gerade im Corona-Zeitalter über genügend Mittel verfügt, das Stromnetz zu kaufen, bleibt offen. Finanzsenator Matthias Kollatz sagte, über den Preis werde noch verhandelt.
"Wir haben uns, wenn Sie so wollen, auf ein Bewertungsverfahren verständigt, und das wird jetzt dann durch einen unabhängigen Gutachter, wird dann aus diesem Bewertungsverfahren, auf das wir uns verständigt haben, wird dann ein Preis gemacht. Und natürlich muss man sich dann auch darüber einigen. Aber dieses Verfahren ist, das gewählt ist, ist das Konfliktpotenzial da ausgesprochen gering."
Schon 2013 hatten bei einem Volksentscheid in Berlin 83 Prozent für die Verstaatlichung der Berliner Energieversorgung gestimmt. Da sich aber weniger als 25 Prozent der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt hatten, war der Volksentscheid gescheitert.