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Religiöse Minderheit
Todesurteil für Bahá'í im Jemen

Im Iran werden Bahá'í seit mehr als hundert Jahren verfolgt. Jetzt ist offenbar auch im Jemen die Jagd auf die religiöse Minderheit eröffnet: Hamed bin Haydara wurde dort vor einem Sondergericht zum Tode verurteilt. Menschenrechts-Organisationen und die Bahá'í-Gemeinde selbst sind entsetzt.

Von Frank Aheimer | 25.01.2018
    Das Bild zeigt jemenitische Bahá'í, die im April 2016 mit Blumen in den Händen vor dem Gericht in Sanaa gegen den Prozess gegen Hamed bin Haydara protestieren
    Die Bahá'í im Jemen werden vom Regime systematisch unterdrückt (Picture Alliance / EPA / Yahya Arhab)
    Das Urteil wurde in Sanaa gesprochen - der jemenitischen Hauptstadt im Norden des Landes, dem Landesteil, der nicht mehr dem Einfluss der international anerkannten Regierung von Präsident Hadi untersteht. Es war der zweite Januar. An jenem Dienstag wurde Hamed bin Haydara vor einem Sondergericht zum Tode verurteilt. Der Vater von drei Kindern gehört zu religiösen Minderheit der Bahá'í. Ingo Hofmann, Menschenrechtsbeauftragter der deutschen Bahá'í-Gemeinde:
    "Der Richter vor diesem Gericht hat auch eine öffentliche Hinrichtung angeordnet. Allerdings ist der Zeitpunkt der Hinrichtung nicht festgelegt worden. Dieses Urteil wirft natürlich die Frage nach der Zukunft der ganzen jemenitischen Bahá'í-Gemeinde auf. Wir reden hier von einigen Tausend. Die große Sorge ist, dass diejenigen, die derzeit in Haft sind - es sind also sechs weitere Bahá'í noch in Haft und die Gemeinde insgesamt ist einem sehr großen Druck ausgesetzt - und die Sorge ist, was ist die Zukunft dieser Bahá'í?"
    "Das ist ein Willkür-Urteil"
    Denn im Jemen sind fortan alle demokratisch gewählten Bahá'í-Institutionen verboten. Mit dem Urteil wurde auch das Eigentum von Hamed Bin Haydara beschlagnahmt. Seine Frau und seine Kinder sind damit mittellos. Das Verfahren löste internationale Proteste aus. Auch arabische Medien sprachen von einer klaren Menschenrechtsverletzung. Wolfgang Büttner von Human Rights Watch:
    "Wir können nicht von einem rechtsstaatlichen Prozess in diesem Fall sprechen. Herr Haydara wurde in Haft misshandelt, gefoltert. Er hatte kaum Zugang, beziehungsweise nur sehr eingeschränkt Zugang zu einem Anwalt. All das schließt aus, dass man von einem rechtsstaatlichen Verfahren sprechen kann. Das heißt, hier ist ein Willkür-Urteil gefallen und dieses Willkür-Urteil darf auf keinen Fall vollstreckt werden!"
    Hamed bin Haydara wurde bereits im Dezember 2013 verhaftet. Sein Vater, ein angesehener Arzt im Jemen, kam in den 1940er-Jahren aus dem Iran. Als Anerkennung seines Einsatzes für die Armen im Land wurde ihm die jemenitische Staatsbürgerschaft verliehen. Hamed bin Haydara selbst ist im Jemen geboren und genießt, wie sein Vater, hohes moralisches Ansehen. Ingo Hofmann:
    "Stimmen aus dem Jemen anerkennen auch die Rolle, die die Bahá'í-Gemeinde im Jemen in der jetzigen Zeit spielt. Obwohl es eine relativ kleine Gemeinde ist, mit wenigen Tausenden, setzten sich die Bahá'í dort ein für den Aufbau der Gesellschaft. Sie setzt sich ein für Bildung für Kinder und Jugendliche. Sie unterstützt UN-Programme vor Ort und generell ist zu sagen, dass sich die Bahá'í als loyale Bürger ihres Landes verstehen und sich fernhalten - nach ihrer Überzeugung - von allen politischen Lagern."
    Verbindungen in den Iran
    Bahá'í glauben daran, dass es nur einen Gott gibt, dass alle Religionen und Menschen eine Einheit bilden, gleich welcher Nation oder Kultur sie angehören. Sie kennen keinen Klerus, Männer und Frauen gelten als gleichwertig. Das Todesurteil ist der vorläufige Höhepunkt der Schikanen gegen die Bahá'í im Land. Erfan Diebel hat mit seiner Familie bis 2011 im Jemen gelebt und für eine deutsche Entwicklungshilfe-Organisation gearbeitet. Er kennt viele der Bahá'í dort gut und ist mit ihnen befreundet.
    "Seit Jahren gibt es immer wieder willkürliche Inhaftierungen. Es gibt keine fairen Gerichtsprozesse. Oftmals weiß man nicht genau, warum die Bahá'ís verhaftet wurden, aber in den meisten Fällen ist es ganz klar, dass es aufgrund der Religionszugehörigkeit ist."
    Ein Kämpfer der schiitischen Huthi-Rebellen sitzt am 05.12.2017 in Sanaa (Jemen) in einem Pick-up Truck, der auf der Straße patrouilliert, die zum Haus von Jemens Ex-Präsident Saleh führt. 
    Die schiitischen Huthi-Rebellen haben sich in Sanaa die Macht übernommen - dem Iran wird vorgeworfen, sie zu unterstützen (dpa / picture alliance / Hani Al-Ansi)
    Die Vorfälle im Jemen erinnern an die Situation der Bahá'í im Iran. Als die größte religiöse Minderheit werden sie seit Jahrhunderten verfolgt. Allein in den Jahren nach der islamischen Revolution 1979 wurden über 200 Bahá'í hingerichtet, Tausende inhaftiert und gefoltert. Ingo Hofmann sagt:
    "Es gibt eine Fülle von Hinweisen darauf, dass der Iran auch in dem speziellen Fall von Herrn Haydara seinen Einfluss geltend macht. Die Anklagepunkte spiegeln wider, was im Iran seit Jahrzehnten gegen die Bahá'í gerichtet wird, nämlich die Verbindung mit Israel. Wobei diese Verbindung ja absurd ist. Es sind rein historische Gründe, warum das Weltzentrum der Bahá'í in Israel beheimatet ist. Im Jahr 1991 wurde ja in dem sogenannten Golpaygani-Memorandum festgehalten, dass die Bahá'í ausgegrenzt werden müssen. Dass sie keine Rechte in Anspruch nehmen dürften, nicht nur im Iran, sondern auch im Ausland."
    Die UN kritisieren das Urteil
    Bereits im Mai vergangenen Jahres hatte Ahmed Shaheed, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Religionsfreiheit auf diesen Zusammenhang hingewiesen und die sofortige Freilassung aller Bahá'í im Jemen gefordert. Das jetzt gefällte Todesurteil wird von Shaheed und vom UN-Menschenrechtsrat scharf verurteilt. Auch Human Rights Watch fordert sofortiges Handeln. Wolfgang Büttner sagt:
    "Erstmal ist ganz wichtig, dass sich die Bundesregierung jetzt für den Bahá'í im Jemen einsetzt. Dass das Todesurteil nicht vollstreckt werden darf! Es ist auch ganz wichtig, dass es keine Waffen-Exporte mehr aus Deutschland an die Konflikt-Parteien im Jemen gibt, dass die humanitäre Hilfe in das Land sichergestellt wird, dass die UN-Untersuchungskommission Zugang in das Land hat, damit langfristig diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden können, die für schwerste Verbrechen verantwortlich sind."