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Religiöse Minderheiten
Bahai im Jemen unter Druck

Im Jemen herrscht seit mehr als zwei Jahren Bürgerkrieg. Schiitische Huthi-Rebellen kämpfen gegen Regierungstruppen. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung. Immer wieder wird gezielt gegen Andersgläubige vorgegangen. Dabei sieht sich vor allem die religiöse Minderheit der Bahai in Jemen zunehmend unter Druck.

Von Frank Aheimer | 31.05.2017
    Bahai protestieren am 3. April 2016 vor dem Gericht in Sanaa gegen die Festnahme von Hamed Haydara. Bild: EPA / Yahya Arhab
    "Seit Monaten gibt es immer wieder willkürliche Verhaftungen" (EPA / Yayha Arhab)
    Der Jemen ist ein zerstörtes Land: Das Bildungssystem und die Gesundheitsversorgung sind zusammengebrochen, staatliche Strukturen existieren kaum noch.
    "Letzten Endes kann man sagen, dass der Großteil der Dienstleistungen, die ein Staat zur Verfügung stellen sollte, nicht mehr zur Verfügung gestellt werden kann und dass anstatt dessen Bürger versuchen, sich selbst zu organisieren und versuchen, auf andere Art und Weise Dienstleistungen für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen", sagt Marie-Christine Heinze vom Zentrum für angewandte Orientforschung. Sie arbeitet mit verschiedenen jemenitischen Forschungsinstitutionen zusammen.
    Übergriffe von vielen Seiten
    Sie bestätigt den Eindruck der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, wonach das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Jemen eingeschränkt ist. Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Menschenrechts-Aktivisten und religiöse Minderheiten.
    "Hier haben vor allem die Huthi mit sehr, sehr harter Hand in den letzten zwei Jahren versucht, Opposition gegen ihr eigenes Vorgehen mundtot zu machen, indem sie Journalisten und zivilgesellschaftliche Akteure festgenommen haben oder haben verschwinden lassen. In anderen Landesteilen ist das zum Teil passiert, weil sich dort salafistische Gruppierungen, also eher extreme Gruppen aus der sunnitischen Ecke ausgebreitet haben, die zivilgesellschaftliches Engagement ablehnen – oder aber auch, in anderen Landesteilen, die Präsenz von Al-Qaida."
    Graffiti in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa: Eine Kamera und Stift und Papier sind wie auf einem roten Verbotsschild durchgestrichen
    Graffiti in Sanaa - ein Zeichen des Protestes gegen die Verhaftung von Journalisten (AFP)
    In der Stadt Sanaa im Nordjemen, über die die international anerkannte Regierung von Präsident Hadi die Kontrolle verloren hat, ergingen Mitte April Haftbefehle gegen 25 Angehörige der Bahai-Religion. Sie wurden gezwungen, ihrem Glauben abzuschwören.
    "Ich kenne die Bahais vor Ort sehr gut. Die meisten, die auch inhaftiert sind, persönlich, durch meine Zeit, als ich dort vor Ort in der Bahai-Gemeinde war", sagt Erfan Diebel.
    Er lebte bis 2011 im Jemen - als Mitarbeiter der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, einer staatlichen deutschen Entwicklungshilfeorganisation.
    "Seit Monaten – in Einzelfällen auch schon seit Jahren – gibt es immer wieder willkürliche Inhaftierungen. Es gibt keine fairen Gerichtsprozesse. Oftmals weiß man nicht genau, warum die Bahais verhaftet wurden, aber in den meisten Fällen ist es ganz klar, dass es aufgrund der Religionszugehörigkeit ist."
    "Menschenunwürdige Bedingungen"
    Bereits seit 2013 sitzt Hamed bin Haydara in Haft. Er wartet bis heute auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung. Im August vergangenen Jahres gab es eine Massenverhaftung von 60 Teilnehmern eines Bildungsprojektes, von denen die Hälfte Bahai waren; und am 5. April diesen Jahres wurde ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Sanaa aufgrund seines Glaubens verhaftet – auch er ein Bahai.
    "Ein guter Freund von mir, Kaiwan Qaderi, wurde im Rahmen einer Verhaftungswelle letzten Sommer inhaftiert. Über einen Freund, der mit inhaftiert wurde, aber freigelassen werden konnte, habe ich erfahren, unter welchen Bedingungen die dort inhaftiert wurden. Und zwar wurden sie von einem Gefängnis zu einem anderen verlegt, oftmals unter menschenunwürdigen Bedingungen."
    Huthi-Rebellen in der jemenitischen Stadt Sanaa im September 2014
    Die Huthi-Rebellen kontrollieren Sanaa (imago stock&people)
    Die Vorfälle im Jemen erinnern an das Vorgehen gegen die Bahai im Iran, schreibt Ahmed Shaheed, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Religionsfreiheit, in seinem Bericht vom 22. Mai:
    "Die anhaltende Verfolgung der Bahai-Gemeinde in Sanaa spiegelt die Verfolgung der im Iran lebenden Bahais wider. Viele jemenitische Bahai-Familien haben ihre Häuser verlassen und leben in ständiger Angst."
    "Die Motive der Bahais sind absolut rein!"
    Ahmed Shaheed fordert den Jemen auf, alle Bahai umgehend freizulassen und die Vorfälle zu untersuchen.
    Erfan Diebel sagt: "Wie mit den Bahais im Jemen umgegangen wird, ist für mich ein Indiz, wie auch mit anderen Gruppierungen umgegangen wird. Man muss sich klarmachen, dass die Bahais keine Partei ergreifen – sie sind politisch nicht einer bestimmten Richtung angehörig, sondern in allen Bemühungen geht es eigentlich nur darum, zu schauen, wie man der jemenitischen Gesellschaft helfen kann. Und ich kann nur sagen: Die Bahais, die ich dort vor Ort kenne, deren Motive sind absolut rein. Sie wollen wirklich versuchen, den Menschen vor Ort zu helfen. Und das ist natürlich unter den jetzigen Bedingungen sehr schwer."