Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Religion auf der Bühne
Von Gangsta-Rappern und Dschihadisten

Hip-Hop und Islam: Viele prominente Rapper bekennen sich zum Islam, in ihren Texten rufen sie Allah an und manche bezeichnen den Islam sogar als Religion des Hip-Hop. Lassen sich junge Muslime durch die Musik mit ihren gewaltverherrlichenden Texten radikalisieren? Auch darum geht es in einem Tanztheaterstück, das jetzt in Bochum zu sehen ist.

Von Hüseyin Topel | 09.03.2016
    Szene aus dem Tanztheaterstück "Basmala – Freund oder Feind"
    Das Tanztheaterstück "Basmala – Freund oder Feind" (Deutschlandradio/Hüseyin Topel)
    Fünf professionelle Hip-Hop-Tänzer stapfen und wirbeln über die Bühne, kräftige Männer der sogenannten Renegade Company. Sie bewegen sich synchron, formieren sich wie ein Fischschwarm. In der nächsten Szene marschieren sie wie Soldaten über die Bühne, provozieren Blickkontakte mit ihren Zuschauern. Mit diesen Episoden will Regisseur Neco Celik Lebenssituationen muslimischer Männer darstellen. Er habe dieses Theaterstück nicht nur, aber vor allem für Muslime inszeniert, sagt Çelik:
    "Weil wir Muslime verantwortlich sind für unser Scheiß-Image. Wir sind sowas von verantwortlich dafür! Dann sind wir aufgerufen, das auch zu korrigieren. Gott wird es nicht korrigieren."
    Er wolle das in Europa oft vermittelte Bild des muslimischen Mannes auf den Kopf stellen, erzählt Celik. Die Künstler der international zusammengesetzten Tanzgruppe bedienen dabei einige gängige Klischees, mit teilweise dunkler Haut und langen Bärten.
    "Es war schwierig einen Titel für so ein Stück zu finden. Typische Wörter wie Jihad, oder Al Kaida, oder ISIS, oder alles eben, was wir in unserem Alltag hören. Es musste was Neues her. Und dann kam uns die Idee, womit es alles beginnt und das war dann 'Basmala'. Jede Sure beginnt damit."
    Die Segensformel Basmala aus dem Koran kennt jedes muslimische Kind. Auch nicht besonders religiös lebende Muslime gebrauchen diesen Segensspruch ganz selbstverständlich. Das Theaterstück bringt die Bitte um den göttlichen Segen und den Hip-Hop zusammen. Neco Çelik erklärt, wo für ihn hier der Bezug zum Islam besteht.
    "Viele Leute, die das untersucht haben, erkennen, dass die inoffizielle Religion des Hip-Hop der Islam ist. Wir wissen, dass viele prominente schwarze Superstars Muslime sind; das nicht vielleicht vor sich hertragen und es zeigen, oder erwähnen. Aber in so einer politischen Zeit wird das auch sehr oft benutzt."
    Der türkischstämmige Çelik, ein ehemaliger Sozialarbeiter, will mit seinem Tanz-Theaterstück in Bochum vor allem die Gefühle muslimischer Jugendlicher durch Hip-Hop zum Ausdruck bringen.
    Hip-Hop als Musikrichtung, die in den Gettos der Schwarzen in den USA entstanden ist, dient auch heute vielen Jugendlichen als Protestkultur, als Möglichkeit, tatsächliche oder vermeintliche Missstände in der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Manchen Hip-Hop-Musikern wird allerdings vorgeworfen, mit ihren Songs und gewaltverherrlichenden Texten zur Radikalisierung von Jugendlichen beizutragen.
    "Ich glaube Hip-Hop ist nicht das Mittel, um radikal zu werden. Aber was zu beobachten ist, natürlich, dass radikale Muslime die Jugendkultur missbrauchen, für ihre Zwecke."
    Ein Beispiel ist der ehemalige Berliner Rapper Denis Cuspert, bekannt als "Deso Dogg", der später als islamistischer Prediger in Erscheinung trat. Er schloss sich dem sogenannten Islamischen Staat an, im Oktober vergangenen Jahres soll er in Syrien getötet worden sein. Vom Gangster-Rapper zum Terroristen - ein Vorbild für Jugendliche?
    "Ich glaube nicht, dass die Deso Dogg als Vorbild nehmen. Jeder, der mit ihm zu tun hatte in Berlin, in Kreuzberg hat ihn schon irgendwie ausgestoßen. Keiner würde sich mit dem identifizieren. Es hat das Gegenteil ausgelöst. Eine viel größere Gefahr ist Pierre Vogel, der eine auf Jugendkultur macht und die Leute mit Dingen impft, die wenig mit dem Islam zu tun haben."
    Pierre Vogel ist der wohl bekannteste Salafistenprediger in Deutschland, der vor allem bei jungen Muslimen ankommt. Für Regisseur Neco Çelik sind aber nicht nur die Salafisten oder andere radikale Gruppen im Islam ein das Problem. Er beobachtet grundsätzliche Defizite in der muslimischen Gemeinschaft.
    "Was die muslimische Radikalisierung betrifft, wer ist schuld daran? Ich würde sagen, wir Muslime haben die meiste Schuld. In Sachen Organisation, in Sachen Verarbeitung, in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. In diesen Dingen sind wir nicht organisiert. Es gibt unglaublich gute Leute, aber jeder macht so sein Ding. Man kann nicht sagen, dass wir irgendwie eine Kraft sind, um gegen Radikalität vorzugehen. "
    Das Tanztheaterstück Basmala spricht diese grundsätzlichen Probleme an, aber auch aktuelle Themen, wie zum Beispiel die Diskussion über die Silvesternacht in Köln, als hunderte Frauen angegriffen und belästigt wurden – von Männern, die überwiegend aus muslimischen Ländern stammen sollen. Neco Çelik befürchtet, dass durch diese Übergriffe das Misstrauen gegenüber Muslimen in Deutschland noch zunehmen wird.
    "Wir haben in unserem Stück auch diese Nacht. Es gibt sozusagen eine Zäsur. Misstrauen war noch nie so groß wie nach der Silvesternacht."
    Die Uraufführung des Tanztheaterstücks "Basmala – Freund oder Feind" ist am 10. März in der Zeche 1 in Bochum.