Dienstag, 23. April 2024

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Religionen für den Frieden
„Religionen sind nicht per se gut oder böse“

Religionen seien wie Eisen: „Man kann aus ihnen Schwerter machen oder auch Pflugscharen“, sagt der Religionswissenschaftler Michael A. Schmiedel und Aktivist von „Religionen für den Frieden“ im Dlf. Mitglieder der Organisation aus 100 Ländern treffen sich am Bodensee.

Michael A. Schmiedel im Gespräch mit Gerald Beyrodt | 19.08.2019
Blaue Luftballons mit dem Symbol einer Friedenstaube schweben am 23.08.2014 in Letzlingen (Sachsen-Anhalt) in der Luft
„Wenn wir den Dritten Weltkrieg verhindern, ist schon viel gewonnen“, so Michael A. Schmiedel von „Religionen für den Frieden“ im Gespräch (picture alliance / dpa / Jens Wolf)
Keine Religion sei "per se gut oder böse". Religiöse Menschen ließen sich aber instrumentalisieren. "Man kann ihnen irgendetwas erzählen, beispielsweise dass die anderen vom Teufel geschickt seien", sagte der Religionswissenschaftler. Es gebe immer noch Menschen, die sich von solcher Propaganda einfangen ließen. Hochrangige Vertreter und Gelehrte der Religionen müssten die Gläubigen vom Gegenteil überzeugen: "Nicht die anderen reitet der Teufel, sondern uns alle reitet der Teufel, wenn wir uns auf diesen Konflikt einlassen." Wenn die Hierarchen in diesem Sinne Einfluss nähmen auf die einfachen Gläubigen, sei "viel gewonnen".
Religionswissenschaftler Michael A. Schmiedel im DLF-Studio
Religionsgelehrte müssten die Gläubigen zur Toleranz anhalten, findet Religionswissenschaftler Michael A. Schmiedel (Gerald Beyrodt / Deutschlandradio)
"Andere Religionen im Besitz von Teilwahrheiten"
Der flapsige Spruch "Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein", treffe auf die Religionen nur bedingt zu. Es sei schon wahr, dass Religionen diejenigen ausschließen, die dem jeweiligen Glauben nicht anhängen. Oft gestünden sie aber anderen Religionen einen Teilbesitz der Wahrheit zu. Demnach vertrete die eigene Gruppe die "ganze Wahrheit", aber andere seien im Besitz von Teilen dieser Wahrheit. So etwa sehe der Islam Christentum und Judentum, so sähen Christentum und Judentum die jeweils anderen Religionen.
Natürlich sei von dem Treffen am Bodensee nicht zu erwarten, dass plötzlich der Weltfrieden ausbreche. Doch es sei wichtig, dass Menschen verschiedener Religionen einander kennenlernen und anderen Mitgliedern ihrer jeweiligen Gemeinschaft von ihren persönlichen Kontakten mit Buddhisten, Muslimen oder Juden erzählen. "Das ist das, was realistisch geleistet werden kann", sagt Michael A. Schmiedel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.