Freitag, 29. März 2024

Archiv

Religionen in China
Angst vor Gott?

Eigentlich herrscht in China Religionsfreiheit. Aber die Volksrepublik geht systematisch gegen Religionen vor. Sie sollen „der sozialistischen Gesellschaft angepasst“ werden. Vor allem Muslime und Christen bekommen das zu spüren. Ihr Eindruck: Es wird immer schlimmer.

Von Axel Dorloff | 19.10.2018
    Die Frauenmoschee in Guyuan und der Provinz Ningxia beherbergt auch ein Internat mit Koranschule für Mädchen.
    Die Frauenmoschee in Guyuan und der Provinz Ningxia beherbergt auch ein Internat mit Koranschule für Mädchen. (Ruth Kirchner / für Deutschlandradio)
    Hong Guang hat in dieser Moschee viel erlebt: die neue gegründete Volksrepublik, die Kulturrevolution, die Öffnung. Er ist 76 Jahre alt und ging schon als Kind in den 50er Jahren in die Niujie-Moschee, die älteste Moschee in Peking. Gelegen in der Niujie, übersetzt Rinderstraße. Auch an diesem Freitag sind es hunderte Muslime, die zum Freitagsgebet gekommen sind. Und wie jede Woche ist auch Hong Guang dabei, mit Stock und Gebetskäppi:
    "Vor ein paar Jahren haben wir noch selbst die Koranschule für unsere Kinder organisiert. Wir hatten Klassenzimmer in der Moschee, völlig normal für Muslime. Aber dann kam die Polizei, sie haben die Zimmer versperrt. Die Eltern brachten ihre Kinder dann heimlich in die Moschee. Jetzt gibt es die Regel, dass Kinder unter 18 Jahren keine religiöse Bildung bekommen dürfen. Wir können unsere Kinder nur noch zuhause erziehen."
    Auch wenn China offiziell ein atheistisches Land ist, laut Verfassung herrscht seit 1982 Religionsfreiheit. Die gibt es aber mal mehr, mal weniger und mal gar nicht. Unter Staats- und Parteichef Xi Jinping ist der Bewegungsspielraum für Religionen kleiner geworden. Besonders den Islam und das Christentum sieht die kommunistische Führung als Bedrohung für die eigene Machtbasis.
    Die katholische Kirche Nanqiao im Distrikt Fengxian in Shanghai, China. Die Kirche erinnert an den französischen Missionar und ehemaligen Admiral Auguste Leopold, welcher am 17. Mai 1862 bei Kämpfen gegen die Taping Rebellen im Süden Shanghais ermordet wurde.
    Sollen Christentum und Islam "sinisiert" werden? Die katholische Kirche Nanqiao bei Shanghai. (picture alliance / Imaginechina / Weng Lei)
    "Die Partei sorgt sich um ihre Macht"
    Hong Guang hebt seinen Stock, wenn er schimpft. Sie seien in China heute wieder zur Zielscheibe der Politik geworden:
    "Die Partei sorgt sich um ihre Macht. Sie haben Angst vor starken Ideologien. Ich habe in der Vergangenheit viel erlebt. Jetzt unterdrücken sie wieder und verfolgen. Auch die Nationalflagge hängt jetzt wieder in der Moschee. Es gibt da drüben an der Kreuzung einen Halal-Supermarkt. Nach der Renovierung durfte der sein Namensschild 'Familie der Muslime' nicht mehr aufhängen."
    Die Niujie – Rinderstraße – in Peking ist muslimisch geprägt. Es gibt kleine Restaurants, Brot-, Gebäck- und Fleischläden. Dass sich hier ein Halal-Supermarkt umbenennen muss, verwundert nicht.
    Sogar ein Fluss wurde umbenannt
    Vor wenigen Wochen haben Chinas Behörden einen ganzen Fluss in der muslimisch geprägten Provinz Ningxia umbenannt. Weil sein Name Aiyi angeblich an Aisha, den Namen der dritten Frau des Propheten Mohammeds erinnert. Jetzt heißt der Fluss Diannong. Die Umbenennung soll die traditionelle chinesische Kultur stärken, hieß es in der Parteizeitung "Global Times". Für Hong Guang sind das Wellenbewegungen:
    "Es war so während der Kulturrevolution und nach den Religionsreformen von 1958. Mal kontrollieren sie streng, mal ist die Kontrolle etwas lockerer. 1968, während der Kulturrevolution, wurden Imame rausgeschmissen und auf die Dörfer geschickt. Man durfte auch kein Freitagsgebet abhalten."
    27. April 2018 in Brüssel: Maskierte Person auf einem Protestmarsch für die Schließung der chinesischen Umerziehungslager, in denen Uiguren aus der Autonomen Region Xinjiang festgehalten werden
    27. April 2018 in Brüssel: Maskierte Person auf einem Protestmarsch für die Schließung der chinesischen Umerziehungslager, in denen Uiguren aus der Autonomen Region Xinjiang festgehalten werden (AFP / Emmanuel Dunand)
    In Peking ist das zumindest noch möglich. Nicht so in Xinjiang, der Heimat des muslimischen Turkvolkes der Uiguren. Viele Moscheen dort sind geschlossen, religiöse Alltagsrituale verboten, Muslime sitzen in Umerziehungslagern.
    Es ist Parteichef Xi Jinping, der die Sinisierung der Religionen fordert. Danach stehen Religionen wie im Wettbewerb zum Kommunismus, sie sollen sich dem Sozialismus chinesischer Prägung unterordnen und ebenfalls der Partei dienen. Auch Christen trifft es immer härter. Die große, nicht registrierte evangelische Zion-Gemeinde in Peking wurde kürzlich zerschlagen.