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Religionen in "Game of Thrones"
Neue contra alte Götter

Die Fernsehserie "Game of Thrones" hat weltweit Millionen Fans. Sie lieben die komplexe Handlung: Dutzende Charaktere schmieden Allianzen und schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein. In ihren religiösen Überzeugungen allerdings sind sie flexibel. Die Welt der Serien-Götter ist vielschichtig. Damit hält "Game of Thrones" modernen Gesellschaften den Spiegel vor.

Von Christian Röther | 06.04.2017
    Ein Werbebild der Serie «Game of Thrones» (undatiertes Handout). Die deutsche TV-Ausstrahlung der zweiten Staffel der Erfolgs-Serie startete am 8. März 2013 auf RTL II.
    Religion spielt große Rolle in der US-Serie "Game of Thrones" (dpa / 2011 Home Box Office)
    Die Welt von "Game of Thrones" erinnert an das europäische Mittelalter, garniert mit einigen Fabelwesen und ein bisschen Magie. Ein wesentliches Merkmal von Büchern und Fernsehserie: Es gibt dutzende Hauptcharaktere. Immer wieder kommen neue Helden und Anti-Helden dazu, andere werden ermordet. Handlung und Figuren sind außergewöhnlich komplex – das macht für die Fans einen großen Reiz aus.
    Catelyn Stark: "Nach all den Jahren fühle ich mich noch immer wie eine Außenseiterin, wenn ich hier her komme."
    Ned Stark: "Du hast fünf nördliche Kinder. Du bist keine Außenseiterin."
    Catelyn Stark: "Ich frage mich, ob die alten Götter es auch so sehen."
    Ned Stark: "Deine Götter machen all die Regeln."
    Der "Glaube an die Sieben"
    Komplex sind in "Game of Thrones" auch die Religionen. Da wäre zunächst der "Glaube an die Sieben", die vorherrschende Religion. Sie erinnert – zumindest was die äußere Form betrifft – stark an die katholische Kirche des Mittelalters, mit Priestern, Nonnen und prächtigen Sakralbauten. Statt der Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist – gibt es hier eine Siebenfaltigkeit. George R. R. Martin, Autor des Fantasy-Epos, erklärt die sieben Aspekte des von ihm geschaffenen Gottes:
    "Es gibt drei männliche Aspekte: den Vater, den Krieger und den Schmied. Es gibt drei weibliche Aspekte: die Mutter, die Jungfrau und die alte Frau. Der siebte Aspekt ist der Fremde. Er ist weder männlich noch weiblich und repräsentiert das Unbekannte und den Tod."
    So Martin im offiziellen Youtube-Kanal von "Game of Thrones". Neben der Dreifaltigkeit bedient er sich noch bei anderen Elementen des Christentums. Eine Art Wikinger-Volk etwa verehrt den "Ertrunkenen Gott" – samt einer Radikalisierung der christlichen Taufe.
    "When you are young, almost as a baptismal rite, they actually drown you and then you are brought back to life."
    Vom Christentum inspiriert
    Junge Menschen werden also in dieser Phantasie-Religion erst im Meer ertränkt und dann wiederbelebt. Und eine Auferstehung von den Toten gibt es auch: Einer der Helden von "Game of Thrones" wird am Ende der fünften Staffel ermordet. Doch zu Beginn der sechsten Staffel gelingt es einer Priesterin, den Toten wieder zum Leben zu erwecken. Deutet das darauf hin, dass dieser Mann – mehr soll hier nicht verraten werden – in der Serie der Heiland ist, der Retter der Welt? Noch ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt.
    Der US-amerikanische Autor George R.R. Martin liest am 21.06.2015 in Hamburg als Gast beim Harbour Front Literaturfestival im Congress Centrum Hamburg (CCH).
    Der US-amerikanische Autor George R.R. Martin hat die vielschichtige Story zu "Game of Thrones" geschrieben (picture alliance / dpa / Bodo Marks)
    George R. R. Martin lässt sich also ausgiebig vom Christentum inspirieren. Aber er bedient sich auch bei anderen religiösen Traditionen. Seine "alten Götter des Waldes" erinnern an vorchristliche europäische Glaubenswelten, bei denen die Natur im Mittelpunkt stand:
    "Die alten Götter sind die Götter der Bäume, Steine und Berge. Es gab keine Kirchen, Tempel oder Priester."
    Patchwork-Religion lässt grüßen
    Die alten Götter des Waldes werden von einigen Charakteren in "Game of Thrones" weiter verehrt, obwohl sie offiziell vom Glauben an die Sieben ersetzt wurden. Eine Gesellschaft im religiösen Umbruch also. Das erinnert daran, wie das Christentum in Europa andere Religionen verdrängte, jedoch nie komplett auslöschte.
    Eine weitere Religion findet in "Game of Thrones" immer mehr Anhänger: der Glaube an den "Herrn des Lichts". Als Feuergott ringt er mit der Dunkelheit. Martin wurde dazu von dualistischen Religionen inspiriert, wie er in einem New Yorker Kulturzentrum erklärte:
    Martin: "The religion of the Lord of Light is based in part on a couple of the dualist religions that actually existed in our world. One of them the Zoroas... the Zoro... I can never say that."
    Moderatorin: "Zoroastrian?!"
    Martin: "Yeah, whatever that is, yes. And the other one."
    "Wie kann ein intelligenter Mensch nur an so etwas glauben?!"
    Ein schwieriges Wort. Der Erfinder der Serie bezieht sich also auf den Zoroastrismus. Außerdem sei er durch die Katharer inspiriert worden, auch Albigenser genannt. Eine christliche Bewegung des späten Mittelalters, die vor allem im Süden Frankreichs auftrat – und brutal niedergeschlagen wurde.
    Nicht nur hier wird deutlich: Der Fanatsy-Autor George R. R. Martin kennt sich offenbar aus in der Geschichte der Religionen. Und er weiß das kreativ zu nutzen. Bleibt die Frage: Warum werden die Religionen in "Game of Thrones" gerade auf diese Weise präsentiert?
    Der US-Amerikaner Martin stammt aus einer katholischen Familie – und sieht die Religion sehr kritisch, wie er in einer Dokumentation von Arte erzählte:
    Szene aus der TV-Serie "Game of Thrones"
    Szene aus der TV-Serie "Game of Thrones" (imago/ZUMA Press)
    "Ich wurde katholisch erzogen, aber glaubte nie wirklich daran. Wir sollen uns an diese Gesetze halten, weil ein unsichtbarer Typ im Himmel das gesagt hat? Wie kann ein intelligenter Mensch nur an so etwas glauben?!"
    "Die Sieben haben meine Gebete nie erhört"
    Und so lässt sich Martins Phantasie-Religion, der Glauben an die Sieben, deuten als eine Abrechnung mit dem Christentum – denn der Glaube der Sieben ist in der Serie völlig wirkungslos:
    Samwell Tarly: "Ich wurde im Licht der Sieben benannt, wie auch mein Vater und dessen Vater vor ihm."
    Allisar Thorn: "Warum willst Du den Göttern Deines Vaters und Deines Hauses abschwören?"
    Samwell Tarly: "Die Sieben haben meine Gebete nie erhört. Vielleicht tun es die alten Götter."
    Andere Religionen sind in "Game of Thrones" deutlich wirkmächtiger. Es gibt Visionen und magische Verwandlungen, die offenbar mit den alten Göttern des Waldes in Verbindung stehen. Und die Auferweckung von den Toten durch eine Priesterin des Herrn des Lichts.
    "Bei den alten Göttern und den neuen"
    Die Religionen der Minderheiten sind also mächtiger als die Staatsreligion. Das lässt sich als Kritik am Christentum lesen: Es wäre dann eine Religion, die – verbündet mit der weltlichen Macht – trotz ihrer Heilsbotschaft keine bessere Welt geschaffen hat. In "Game of Thrones" wenden sich einige Figuren deshalb lieber gleich an die Götter unterschiedlicher Religionen:
    "Ich schwöre es, Milord, bei den alten Göttern und den neuen."
    Patchwork-Religionen lassen grüßen. Die Serie spielt an auf die religiöse Beliebigkeit des modernen Menschen. Doch es gibt auch Radikale und Extremisten, die die Religion vermeintlich rein halt wollen – im echten Leben wie in "Game of Thrones": Der "Hohe Spatz" übernimmt die Macht im Glauben an die Sieben. Er etabliert eine Art Inquisition: Barfüßige Bettelmönche setzen ihre strenge Moral gewaltsam durch. So droht der Hohe Spatz der weltlichen Macht gefährlich zu werden. In "Game of Thrones" können reale Regierungen und Despoten etwas lernen: Wer sich mit Extremisten verbündet, kann leicht selbst untergehen.
    Die Hauptcharaktere in "Game of Thrones" sind nicht von religiösen Motiven geleitet, dennoch müssen sie sich ständig mit Religionen auseinandersetzen. Verhandelt wird der Ur-Konflikt zwischen Religiösem und Säkularem. Eine Erkenntnis der Fernsehserie passt deshalb auch auf unsere moderne, scheinbar säkulare Welt: Die Religionen wurden durch weltliche Gesetze gebändigt, viele Menschen distanzieren sich vom Glauben – trotzdem verteidigt das Religiöse hartnäckig seine Macht.