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Religionspolitik der SPD
Kein Herz für säkulare Sozis

Eine Gruppe von Sozialdemokraten setzt sich für die strikte Trennung von Religion und Staat ein. Bei ihrer Gründung nannten sie sich Laizisten, nun Säkulare. Sie würden gern als Arbeitskreis anerkannt werden, so wie Christen, Juden und Muslime in der SPD, doch das verwehrt die Parteiführung bisher.

Von Sebastian Engelbrecht | 28.03.2019
Die deutsch-türkische SPD-Politikerin Lale Akgün im September 2017 beim Ökumenischen Fest der EKD in Bochum.
Sie kämpft für einen sälularen Arbeitskreis in ihrer Partei - SPD-Politikerin Lale Akgün (imago / epd)
"Laizistischer Arbeitskreis in der SPD", nannten sie sich bei ihrer Gründung vor acht Jahren – eine Gruppe von Sozialdemokraten, die sich für die strikte Trennung von Staat und Religion einsetzt. Der Kreis will sich auch für die Interessen der Nichtreligiösen in der Partei stark machen. 2015 verzichteten sie auf den "Kampfbegriff" Laizismus und nennen sich seither "Säkulare Sozialdemokraten". Am vergangenen Samstag wählten sie den Religionswissenschaftler Adrian Gillmann aus Frankfurt am Main und die ehemalige Bundestagsabgeordnete Lale Akgün aus Köln zu ihren Sprechern.
Gegenwärtig kämpfen Gillmann und Akgün weniger für die Interessen der Säkularen in der Gesellschaft, sondern gegen Widerstände in der eigenen Partei.
"Das ist eigentlich unser Ziel: Wir möchten als ein ‚Arbeitskreis Säkulare Sozialdemokraten‘ in der Partei anerkannt werden, so wie es Arbeitskreise für Christen, Juden und Muslime gibt."
Antrag abgelehnt
Im vergangenen Jahr stellten die "säkuaren Sozis", wie sie sich auch nennen, deshalb den Antrag. Der SPD-Bundesvorstand lehnte ab. Die Säkularen protestierten – und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil reagierte am 5. März mit einem Brief. Darin verwies Klingbeil erneut auf den Beschluss des Parteivorstandes.
Warum die SPD-Führung einen offiziellen Arbeitskreis "Säkulare Sozialdemokraten" ablehnt, hätten wir uns gern von Generalsekretär Klingbeil erläutern lassen. Der verweigert Interviews zu diesem Thema. SPD-Pressesprecherin Bianca Walther verschickt stattdessen ein schriftliches Statement:
"Die Nutzung des Parteilogos und des Namens der SPD […] ist klar geregelt. Grundsätzlich steht die Nutzung neben unseren Funktions- und MandatsträgerInnen im Rahmen der Parteiarbeit nur offiziellen Organisationseinheiten und Gremien zu. Und welche das sind, darüber entscheidet der Parteitag oder der Parteivorstand."
Mit wachsendem Selbstbewusstsein
Aber wovor fürchten sich Parteivorstand und Generalsekretär eigentlich? Der Arbeitskreis der Säkularen Sozialdemokraten, der kein Arbeitskreis sein darf, fordert die Abschaffung der Staatsleistungen an die Kirchen, diskutiert über die Kirchensteuer, Sterbehilfe und Beschneidung von Jungen. Mit wachsendem Selbstbewusstsein annoncieren säkulare Sozialdemokratinnen wie Lale Akgün ihre Themen in der Partei.
"Zum einen ist es mir wichtig – oder uns ist es wichtig, dass wir das widerspiegeln, was in der Gesellschaft ist. Wissen Sie, vor ein paar Wochen ist ja die 40-Prozent-Marke geknackt worden. Das heißt: 40 Prozent der Bevölkerung gehören überhaupt keiner Konfession oder Religionsgemeinschaft mehr an. Das ist eine stattliche Zahl, die sich auch in einer Partei wie der SPD widerspiegeln muss."
"Sie wissen vielleicht auch, dass jeden Tag so viele Menschen die beiden Kirchen verlassen wie in einen Intercity-Express reinpassen. Das zeigt eigentlich, dass die Kirchen heute nicht mehr die moralische Kraft sind, die sie mal waren und auch nicht mehr so eigentlich das Schicksal der Republik mitbestimmen können."
Aus Rücksicht auf die Kirchen?
Da die SPD-Führung in der Öffentlichkeit schweigt, liegt es nahe zu vermuten, dass der Bundesvorstand aus Rücksicht auf die Kirchen eine so starre Haltung einnimmt. Die politischen Positionen von Sozialdemokraten und Kirchen sind sich sehr nahe. In zeithistorischen Studien über die evangelische Kirche nach 1945 war schon vom starken "Sozialdemokratismus" der Protestanten die Rede. Parteichefin Andrea Nahles ist bekennende Katholikin – vor einigen Jahren schrieb sie ein Buch mit dem Titel "Frau, gläubig, links."
In der schriftlichen Stellungnahme der SPD-Sprecherin Bianca Walther heißt es, die SPD bekenne sich "zum jüdisch-christlichen und humanistischen Erbe Europas und zur Toleranz in Fragen des Glaubens". Maßstab dafür sei die Verfassung. Weiter schreibt Walther:
"Kernanliegen der ‚Säkularen Sozis‘ ist die strikte Trennung von Kirche und Staat. Das ist eine legitime Position. Es ist allerdings nicht die Position der SPD, so wie es auch nicht die Position des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist. 2011 hat der SPD-Parteivorstand daher die Einrichtung eines laizistischen Arbeitskreises einstimmig abgelehnt."
Diese Position will Generalsekretär Klingbeil den rebellischen Säkularen in der SPD in einem Gespräch in den kommenden Wochen erläutern. Dennoch ist Lale Akgün überzeugt, dass der SPD-Bundesvorstand nachgeben und seine Position zu ihrem Arbeitskreis überdenken wird.
"Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das ausräumen werden, weil ich glaube, dass wir Positionen vertreten, die die Partei dringend auch braucht. Wir wollen der Partei helfen."
Bei der politischen Konkurrenz von den Grünen gibt es den Arbeitskreis schon: Die "Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne".