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René Wilke von den Linken
Oberbürgermeister will kriminelle Flüchtlinge ausweisen lassen

Der 34-jährige René Wilke ist Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) und damit das jüngste Stadtoberhaupt im Land. Aber nicht deshalb macht er bundesweit Schlagzeilen, sondern weil er eine Gruppe gewalttätiger syrischer Flüchtlinge ausweisen lassen will - gegen die Linie seiner Partei "Die Linke".

Von Vanja Budde | 07.11.2018
    Das Foto zeigt René Wilke (Linke), Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder), im Juni 2018.
    René Wilke wurde erst im Mai als neues Stadtoberhaupt von Frankfurt (Oder) vereidigt (picture-alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Im Bahnhof von Frankfurt (Oder) sind die Passanten an diesem grauen, regnerischen Vormittag in dicken Steppjacken unterwegs. Sie haben alle gehört von der Gruppe - zumeist syrischer Flüchtlinge - die in den Parks und auf Plätzen herum lungern, sich Schlägereien liefern, zuletzt den Musikclub "Le Frosch" überfallen haben.
    "Wenn sie straffällig geworden sind, ist es schon richtig, auszuweisen. Aber man soll nicht alle über einen Kamm scheren."
    "Dass man auch mal ein Exempel statuieren sollte, ist schon wichtig. Das ist auch ein Zeichen für die Integrationswilligen. Die sehen das nämlich selber sehr kritisch."
    "Es gibt zwar viele Korrekte und Freundliche, aber die hier die Welle machen: Das muss hier nicht sein"
    Der Überfall auf den "Le Frosch" brachte das Fass zum Überlaufen: Zwei Mitglieder der Gruppe, manche nennen sie auch eine Gang, gerieten in dem Club mit Deutschen in Streit, holten 15 bis 20 Landsleute zur Verstärkung. Die waren mit Messern und Eisenstangen bewaffnet, warfen Steine, gingen auf Gäste los. Es gab fast ein halbes Dutzend Verletzte. Nach dem Abend hatte Oberbürgermeister René Wilke, 34, Linker und eigentlich gegen Abschiebungen, genug.
    Ins Rathaus der Stadt mit knapp 60.000 Einwohnern ist René Wilke im Mai eingezogen: Ein smarter, sehr schlanker Typ im weißen Hemd ohne Schlips. Von Natur aus ein freundlicher, zugewandter Mensch. Doch der Gruppe krimineller syrischer Flüchtlinge will Wilke mit allen Mitteln Grenzen aufzeigen. Er wies die Ausländerbehörde an, ein Ausweisungsverfahren gegen die Mitglieder zu prüfen. Gegen sieben von ihnen wurde es nun eingeleitet. Anders sei denen nicht beizukommen, meint Wilke: Seit geraumer Zeit verstoße diese Freundesclique immer wieder gegen die Gesetze. Die Gewaltbereitschaft sei hoch, das Unrechtsbewusstsein kaum bis gar nicht vorhanden.
    "Und da endet die Bereitschaft und das Verständnis von der Bevölkerung. Ich kann das auch nachvollziehen, dass sich dann Leute fragen: 'Mensch, wir wollen Leuten helfen, die aus Kriegsgebieten kommen, aber wir wollen nicht in Angst vor ihnen leben müssen'."
    Distanzieren von den Gewaltbereiten
    1.500 Geflüchtete leben in Frankfurt (Oder). Wilke hält sie für eine Bereicherung, die Frankfurter haben sie vielleicht nicht immer begeistert, aber gut aufgenommen. Es gibt keine rassistischen Aufmärsche hier wie in Cottbuss oder Chemnitz. Doch die Gruppe Syrer und ihr Umfeld belasteten das Klima für alle in der Stadt, sagt auch Iad Al Sawaf aus Damaskus, 29 Jahre alt, seit einem Jahr in Frankfurt (Oder).
    Tarek Al Sabach (links) und Iad Al Sawaf (rechts) - die zwei Syrer leben in Frankfurt (Oder), Podium 7.11.2018 von Vanja Budde
Bild nur im Zusammenhang mit Podium von Frau Budde verwenden!
    Tarek Al Sabach (links) und Iad Al Sawaf (rechts) - die zwei Syrer leben in Frankfurt (Oder) (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    "Ich distanziere mich von diesen Leuten, aber persönlich kenne ich diese Leute nicht. Wir sind in Frankfurt (Oder) über 1.000 Flüchtlinge. Es gibt ungefähr 25 oder 30 Personen, die Probleme machen, aber andere Personen bemühen sich darum, Deutsch zu lernen und Arbeit zu finden."
    Dass die Stadt nun ein Ausweisungsverfahren eingeleitet hat, begleitet und beraten vom SPD-geführten Innenministerium in Potsdam, das sei eine gute Lösung, meint Al Sawaf. Aber noch besser wäre es, den Bandenmitgliedern die Sozialhilfe zu kürzen. Iad Al Sawaf selbst ist Anästhesist und fängt nächstes Jahr im Krankenhaus als Assistent an, wie er berichtet. Wir haben uns in einem eingerüsteten grauen Plattenbau im schmucklosen Büro von Thomas Klähn getroffen: Sozialarbeiter in einem Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
    "Als die Vorfälle im Frosch damals waren, da wurde ich gefragt, ob ich die Leute kenne. Und dann habe ich rumgehorcht und dann hat sich sehr schnell rausgestellt das, was Iad auch gesagt hat, dass keiner aus der arabischen Community irgendwie einen Zugang zu diesen Jungs hat." Und auch kein Sozialarbeiter.
    Erschwerter Familiennachzug ist eine Ursache
    Die jungen Männer zwischen 17 und Mitte 20 stammen fast alle aus derselben umkämpften Region in Syrien. Thomas Klähn sieht den schwierigen Familiennachzug als eine der Ursachen dafür, dass "die Jungs", wie er sie nennt, abgerutscht sind, aggressiv sind, hoch empfindlich gegenüber Beleidigungen.
    Thomas Klähn - Sozialarbeiter in einem Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Frankfurt Oder. Vanja Budde, Podium 7.11.18
    Thomas Klähn - Sozialarbeiter in einem Wohnheim für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Frankfurt Oder (Deutschlandradio / Vanja Budde)
    "Angst, Druck und dann ein blöder Spruch und dann rappelt's im Karton. Dazu kommt, dass das Rechtssystem in Deutschland gründlich arbeitet, aber leider langsam. Und in dieser Zeit muss man was tun. Und das kann nicht sein, sie wegsperren, weil es das Gesetz nicht hergibt. Man muss davon ausgehen, dass die Jungs, selbst wenn sie jetzt im Knast in Wriezen sitzen, im nächsten Viertel-, halben Jahr wieder draußen sind, weil es nicht ausreichende Gründe gibt, um sie länger im Gefängnis zu lassen. Und was dann?"
    Auch ein erfolgreiches Ausweisungsverfahren würde nichts ändern, meint Klähn, weil nach Syrien nicht abgeschoben werden kann. Dessen ist sich Oberbürgermeister René Wilke bewusst. Aber:
    "Wenn das Verfahren erfolgreich ist, aber noch nicht ausgewiesen werden kann, weil Syrien nicht sicher ist, ist es so, dass wir mit ganz anderen Maßnahmen agieren können. Da gibt es Aufenthaltsbeschränkungen, die wir verhängen können, Meldepflicht, die wir verhängen können, also eine engmaschigere Kontrolle, eine deutlich engmaschigere, die uns in der Lage versetzt, auch noch zügiger zu intervenieren, falls uns auffällt, dass da wieder was aus dem Ruder läuft."
    "Das ist nicht vermittelbar"
    Bürgermeister bundesweit beobachten derzeit genau, wie weit der Linke Wilke in Frankfurt (Oder) mit diesem Vorstoß kommt. Weil man sich auch andernorts fragt: Wie umgehen mit denen, die im Gastland, in dem sie Schutz und Asyl gesucht und gefunden haben, zur Gefahr werden? Tarek Al Sabach sagt: Es braucht Zeit. Der nachdenkliche 26Jährige hat daheim in Syrien Wirtschaft studiert, sucht einen Ausbildungsplatz als Zahntechniker oder Informatiker und macht ein Praktikum im Altenheim. Er wirbt um Verständnis, sieht kulturelle Unterschiede als Ursache.
    Schon klar, sagt Tarek Al Sabach, der Frauen den Handschlag verweigert, dass man hierzulande nicht mit Eisenstangen und Messern auf eine Beleidigung reagieren darf: "Aber es dauert, braucht Zeit, wenn man das Gesetz hier lernt. Die Leute kommen vom Krieg. Das braucht Zeit."
    "Ich glaube nicht, dass wir die Zeit haben. Ich kann doch den Frankfurtern nicht sagen: 'Okay, ihr habt jetzt Angst und ihr wurdet bedroht, manche wurden auch verletzt, aber bleibt mal ganz locker, in ein paar Jahren wird das schon besser, die kriegen sich schon ein'. Das ist nicht vermittelbar und nicht zumutbar und ich halte das auch für den falschen Weg."