Freitag, 19. April 2024

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Rentenstreit
"In der derzeitigen Form halte ich das für falsch"

Union und SPD planen, dass Arbeitnehmer in Zukunft nach 45 Beitragsjahren mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können. Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag, kritisiert im DLF-Interview, dass bei der Berechnung des Rentenbeginns auch Zeiten von Arbeitslosigkeit mit einbezogen werden können.

Michael Fuchs im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 09.04.2014
    Fuchs sagte im Deutschlandfunk, er halte den Kompromiss in seiner derzeitigen Form für falsch. "Wir haben das auch nicht im Koalitionsvertrag vereinbart, dass jemand direkt aus der Arbeitslosigkeit über eine Frühverrentung in die Rente mit 63 gehen kann."
    Es dürfe nicht ermöglich werden, dass jemand mit 61 Jahren kündige, Arbeitslosengeld beziehe, um dann mit 63 in Rente zu gehen. Fuchs sagte, er sei dafür, dass nur jemand, der 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt habe, mit 63 in den Ruhestand gehen könne.

    Das Interview mit Michael Fuchs in voller Länge
    "Frühverrentung muss ausscheiden"
    Tobias Armbrüster: In der Union gärt es in diesen Tagen. Aber eigentlich gärt es schon seit Wochen und Monaten. Grund dafür ist der mit der SPD ausgehandelte Rentenkompromiss. Arbeitnehmer sollen demnach künftig schon mit 63 in Rente gehen können. Einige vermuten allerdings, dass das eigentlich die Rente schon mit 61 durch die Hintertür ist.
    In den vergangenen Tagen sind nun mehrere Stimmen laut geworden, die sagen, dieses Rentengesetz ist eine Abkehr vom harten Reformkurs der vergangenen Jahre und es kostet unnötig viel Geld. Aber seit Montag sind die Kritiker auf einmal erstaunlich ruhig geworden. Es heißt, die Bundeskanzlerin habe ein Machtwort gesprochen.
    Am Telefon ist jetzt Michael Fuchs, Fraktionsvize der Union im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen, Herr Fuchs.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Fuchs, hat Angela Merkel auch Ihnen den Kopf gewaschen?
    Fuchs: Ich habe das nicht gemerkt. Ich wasche mir den selber. Da braucht mir keiner zu helfen. Ich weiß, was ich will, und ich weiß, welche Vorstellungen ich habe, und die mache ich auch deutlich, und wenn das notwendig ist, sage ich das auch nach draußen. Wenn es nicht notwendig ist, sage ich es nicht nach draußen.
    "Nicht nach längerer Arbeitslosigkeit mit 63 in die Rente gehen können"
    Armbrüster: Dann sagen Sie es uns. Sind Sie für die Rente mit 63 in der derzeitigen Form?
    Fuchs: In der derzeitigen Form halte ich das für falsch. Wir haben das auch nicht im Koalitionsvertrag so vereinbart, dass jemand direkt aus der Arbeitslosigkeit über quasi eine Frühverrentung in die Rente mit 63 gehen kann.
    Ich bin dafür, dass jemand, der hart gearbeitet hat, der 45 Jahre eingezahlt hat in die Rentenkasse, der sich damit auch seine Rente verdient hat, dass der mit 63 Jahren Feierabend hat und in Rente gehen kann. Das finde ich richtig und gut und angebracht. Aber wenn jemand über längere Arbeitslosigkeit mit 63 dann auch noch in Rente geht, dann ist das in meinen Augen so nicht in Ordnung.
    Wir müssen eine Lösung finden, dass Frühverrentung ausscheidet. Das darf nicht der Fall sein. Da bin ich mir nebenbei auch mit meinem Fraktionschef Volker Kauder einig.
    Armbrüster: Das heißt also, Herr Fuchs, Sie würden gegen ein solches Gesetz stimmen, wenn es in den Bundestag kommt?
    Fuchs: Wenn es nicht möglich ist, dieses zu verhindern, dass jemand mit der Rente mit 61 quasi über Frühverrentung aus Arbeitslosigkeit bereits mit 63 in Rente geht, das würde ich gerne verhindern. Das möchte ich verhindern, daran müssen wir arbeiten. Ich weiß auch, dass die Bundesarbeitsministerin darüber nachdenkt, dass wir beispielsweise mit einer Stichtagsregelung so etwas verhindern. Es kann nicht sein, dass wir auch der deutschen Wirtschaft die Fachkräfte entziehen. Wir haben ein Demographieproblem, das wird Tag für Tag deutlicher. Dieses immer deutlicher werdende Demographieproblem muss von der Politik adressiert werden, da müssen wir dran arbeiten, und ich gehe davon aus, dass das jeder weiß.
    Armbrüster: Jetzt sagen, Herr Fuchs, die meisten Experten, dass sich solch eine Stichtagsregelung nicht finden lässt, weil sie juristisch auch nur schwer durchsetzbar ist.
    Fuchs: Ich gehe mal davon aus, dass wir schlaue Juristen haben, die eine rechtssichere Lösung finden werden. Ich bin kein Jurist, aber es muss eine geben. Ich möchte verhindern – die Unternehmen sind da nebenbei mit gefordert, die sind sehr findig -, dass jemand mit 61 in die Arbeitslosigkeit geht, zwei Jahre ALG I bezieht, eventuell sogar noch mit Unterstützung seines Unternehmens, aus dem er ausscheidet, und dann mit 63 in Rente. Genau das hat es ja bereits gegeben. Das hat es zu Zeiten gegeben, wo wir das auch politisch gewollt haben. Das war schon zu Norbert Blüms Zeiten so, es war aber auch in der ersten Großen Koalition so, als wir noch fünf Millionen Arbeitslose hatten. Wir haben aber keine fünf Millionen Arbeitslose mehr, die Situation ist völlig anders, und deswegen müssen wir jetzt auch andere Lösungen finden, die besser sind.
    "Koalitionspartner möchte dieses Problem nicht sehen"
    Armbrüster: Jetzt fassen sich allerdings in diesen Tagen und Wochen wahrscheinlich jede Menge 20- und 30-Jährige an den Kopf, die sich überlegen, hey, für uns wird das erst was mit der Rente mit 67, und die derzeitige Große Koalition vereinbart auf einmal eine Rente mit 63 für die Leute, die jetzt alt sind. Wo ist da eigentlich die Generationengerechtigkeit geblieben?
    Fuchs: Das sehe ich genauso als Problem. Aber unser Koalitionspartner möchte gerne dieses Problem nicht sehen. Ich kann das nicht verhindern. Wir haben das so noch im Koalitionsvertrag vereinbart und wenn das vereinbart ist, dann wird sich auch die CDU/CSU an diese Vereinbarungen halten.
    Armbrüster: Oder kann es sein, dass Sie das auch vereinbart haben, dass das deshalb so schwierig ist zu kritisieren, weil Sie auch die Mütterrente bekommen haben?
    Fuchs: Die Mütterrente, die steht auf einem vollkommen anderen Blatt. Wir wollen festhalten, dass es da um Gerechtigkeit gegenüber den Müttern, die vor 92 ihre Kinder bekommen haben, geht. Das haben wir in unserem Parteiprogramm gehabt, das haben wir in unserem Wahlprogramm gehabt, das haben wir auf dem letzten Parteitag in Leipzig auch so beschlossen und das haben wir jetzt mit diesem Gesetz umgesetzt. Es hat ja immer die Diskussion gegeben, warum …
    "Mütterrente steht auf einem ganz anderen Blatt"
    Armbrüster: Das sagt die SPD allerdings auch über die Rente mit 63. Das haben die lange angekündigt.
    Fuchs: Das haben die lange angekündigt. Aber wir haben auch nicht vereinbart, dass jemand in die Frühverrentung gehen kann. Das hat die SPD nebenbei auch nicht gewollt und deswegen müssen wir da eine Lösung finden.
    Armbrüster: Einige Leute sagen nun, die Mütterrente, das ist eine nachträgliche Vergoldung der Vergangenheit.
    Fuchs: Na das ist nicht wahr. Das ist nicht eine nachträgliche Vergoldung, das ist nämlich ein Stück Gerechtigkeit. Können Sie mir den Unterschied von einem Kind, was vor 92 geboren wurde, zu einem, was nach 92, also am 1. 1. 93 geboren wurde, sagen? Ich kann das nicht.
    Armbrüster: Na ja. Die Mütter, die dieses Kind damals geboren haben, die wussten zumindest, was auf die zukommt. Die haben nicht gedacht, okay, in 20 Jahren gibt es möglicherweise eine Koalition, die mir noch ein bisschen was draufgibt.
    Fuchs: Das mag sein. Aber wir haben dies immer als ungerecht empfunden. Das war nicht das erste Mal auf dem Parteitag in Leipzig gewesen, sondern wir haben das schon über die letzten zehn Jahre immer wieder diskutiert und jetzt eine Lösung gefunden, auch eine Lösung, die einigermaßen finanziell tragbar ist.
    Armbrüster: Wenn Sie nun so eine Lösung gefunden haben, warum muss die ausgerechnet aus der Rentenkasse bezahlt werden, so ein Geschenk? Warum können Sie das nicht aus Steuergeldern finanzieren?
    Fuchs: Das wird ja auch nicht der Fall sein. Wir werden ja spätestens ab 2018 einen Zuschuss des Bundes in die Rentenkasse einführen, um damit diese Zahlungen auch aus Steuergeldern zu machen. Ich halte das auch nebenbei für vollkommen richtig. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe muss aus Steuern finanziert werden und nicht aus der Rentenkasse. Einige Gelder, die jetzt in der Rentenkasse sind, aber zu viel aus Bundesmitteln eingezahlt wurden, die werden jetzt dafür verwendet.
    Armbrüster: Das heißt, Sie können den jüngeren Rentenzahlern heute garantieren, Leute, die Mütterrente, die läuft nicht auf Kosten euerer Rentenbeiträge?
    Fuchs: Ich hoffe, dass das so ist. So wurde es mir jedenfalls aus den Kreisen der Rentenversicherung gesagt.
    Armbrüster: Sie hoffen das?
    Fuchs: Ich gehe davon aus, dass das auch stimmt.
    Armbrüster: Oder kann es einfach bei diesen Geschenken, die da verteilt werden, sein, dass die sich derzeit bei Rentnern besonders gut rechnen, weil die Rentner so besonders fleißig wählen gehen?
    Fuchs: Das glaube ich nicht. Das ist auch nicht die Intention. Bei uns war das Thema Mütterrente seit ewigen Zeiten in der Diskussion und dieses ist jetzt umgesetzt worden. Das ist gut so.
    Armbrüster: Michael Fuchs war das, der Fraktionsvize der Union im Deutschen Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.
    Fuchs: Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.