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Reparationsstreit mit Griechenland
Der lange Schatten der Vergangenheit

Der Begriff Reparationen zählt in Deutschland zu den schlimmsten politischen Reizvokabeln - mitten aus der Giftküche einer unseligen Historie. Deshalb läuteten hierzulande sämtliche Alarmglocken, als noch siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Griechenland solche Forderungen erhob.

Von Norbert Seitz | 08.05.2015
    Der neue griechische Premier Tsipras legt während einer Zeremonie in Kessariani Blumen an einem Denkmal nieder, das an erschossene Widerstandskämpfer während der Besatzung Griechenlands durch die Nationalsozialisten erinnert.
    Griechenlands Premier Tsipras legt während einer Zeremonie in Kessariani Blumen an einem Denkmal nieder, das an erschossene Widerstandskämpfer während der Besatzung Griechenlands durch die Nationalsozialisten erinnert. (AFP Photo / Intime News / Chalkiopoulos Nikos)
    "Bei den Erwägungen über die Regelung der deutschen Auslandsschulden trat natürlich auch zugleich das Reparationsproblem in Erscheinung. Ich glaube sagen zu können, dass die alliierten Hauptmächte – obgleich ein offizieller Verzicht nicht ausgesprochen worden ist – nicht beabsichtigen, gegen alle Regeln wirtschaftlicher Vernunft noch Reparationsforderungen geltend zu machen."
    Konrad Adenauer 1953 vor dem Deutschen Bundestag nach dem Londoner Abkommen über deutsche Auslandsschulden. Der Kanzler baute schon mal vor, denn der Begriff Reparationen zählt in Deutschland zu den schlimmsten politischen Reizvokabeln - mitten aus der Giftküche einer unseligen Historie. Deshalb läuteten hierzulande jüngst auch sämtliche Alarmglocken, als noch siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland über seinen stellvertretenden Finanzminister Dimitris Mardas Reparationsforderungen erhob in Höhe von 278,7 Milliarden Euro. Die gigantische Summe setzt sich im Einzelnen zusammen aus:
    1. Entschädigungszahlungen für die Opfer der deutschen Besatzung
    2. Schadensersatz für die im Krieg zerstörte Infrastruktur
    3. Rückzahlungen für die sogenannte Zwangsanleihe
    Diese betrug 476 Millionen Reichsmark, die die Bank von Griechenland seinerzeit der Deutschen Reichsbank für "Besatzungskosten" zu gewähren hatte. Professor Heinz A. Richter ist emeritierter Historiker an der Uni Mannheim und ausgewiesener Griechenland-Experte. Er erinnert an ganz andere Berechnungen:
    "Es ist insofern etwas amüsant, als die Griechen 1945 im Oktober die Zahl vorlegten, die sie beanspruchen wollten, waren das damals zehn Milliarden Dollar. Der griechische Botschafter Diamantopoulos in Washington meinte, die Zahl und die Forderung seien 'problematical'. Die Amerikaner haben es dann überprüft und kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Zahlen etwas 'frivolous', frivol, seien. Wie man von zehn Milliarden auf diese paar hundert kommt, ist mir nicht ganz klar."
    Zunächst tut Begriffsklärung not: Was sind Reparationen, was Entschädigungen? Welche rechtliche Qualität haben sie? Dazu der Göttinger Völkerrechtler Frank Schorkopf:
    "Es gibt keine 100 Prozent, von allen geteilte Definitionen dazu. Aber man kann im Großen und Ganzen dazu sagen, dass Reparationen diejenigen Kosten sind, die aus den unmittelbaren Kriegshandlungen entstanden sind, die der Kriegsgewinner vom Kriegsverlierer verlangen kann. Während man sagen kann, dass Entschädigungen die Gelder sind, die insbesondere Menschen, die persönliches Leid erlitten haben, von dem Schädiger, also in diesem Fall von dem Staat, der den Krieg begonnen hat und die Schädigungshandlungen vorgenommen hat, erhalten kann. Man würde also sagen: Das eine fließt in die Taschen des Staates, das andere Geld bekommen unmittelbare Opfer."
    Seit dem Wiederaufleben der Reparationsfrage um Griechenland wird um vier Punkte gestritten:
    Um den Zwei-plus-vier-Vertrag von 1990, das wahre Ausmaß der NS-Gräuel, die Höhe der bislang geleisteten Zahlungen und um Wege aus den Reparationsansprüchen.
    Erster Streitpunkt: Wurde Griechenland beim Zwei-plus-vier-Vertrag über den Tisch gezogen?
    Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags in Moskau, v.l.n.r.: James Baker (USA), Douglas Hurd (Großbritannien), Eduard Schewardnadze (UdSSR), Roland Dumas (Frankreich), Lothar de Maizière (DDR), Hans-Dietrich Genscher (BRD)
    Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags in Moskau, v.l.n.r.: James Baker (USA), Douglas Hurd (Großbritannien), Eduard Schewardnadze (UdSSR), Roland Dumas (Frankreich), Lothar de Maizière (DDR), Hans-Dietrich Genscher (BRD) (AP Archiv)
    Der damalige Kanzlerberater Horst Teltschik bestätigte jüngst, dass es der Regierung Kohl/Genscher um ein friedensvertragsähnliches Abkommen gegangen sei, das aber gleichwohl nicht Friedensvertrag genannt werden sollte:
    "Wir hatten ja die Anfrage aus Moskau, ob die Bundesregierung möglicherweise bereit sein könnte zu einem Friedensvertrag. Wir haben einen Friedensvertrag von vornherein abgelehnt, weil nicht zuletzt wegen der Gefahr von Reparationsforderungen. Und da wäre ja nicht nur Griechenland ein Fall gewesen, sondern bekanntlich war das Nazi-Regime mit über fünfzig Ländern dieser Welt im Kriegszustand. Und stellen Sie sich vor, wir hätten Reparationsforderungen von über fünfzig Staaten auf dem Tisch gehabt." Schon 2010 hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion alle Reparationsansprüche zurückgewiesen:
    "Deutschland hat seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges in hohem Maße Reparationsleistungen erbracht, die die betroffenen Staaten nach allgemeinem Völkerrecht zur Entschädigung ihrer Staatsangehörigen verwenden sollten. Allein durch Wiedergutmachung und sonstige Leistungen wurde ein Vielfaches der ursprünglich auf der Konferenz von Jalta ins Auge gefassten Reparationen in Höhe von 20 Milliarden Dollar erbracht."
    In diesem Sinn äußerte sich auch Vizekanzler Sigmar Gabriel zur Frage nach möglichen Reparationszahlungen an Athen:
    "Die Wahrscheinlichkeit ist null, weil wir eine klare rechtliche Antwort auf solche Forderungen haben, nämlich dass die spätestens mit den Zwei-plus-vier-Verhandlungen und den Ergebnissen alle diese Themen rechtlich beendet worden sind."
    Doch der SPD-Vorsitzende macht dabei die Rechnung ohne Teile seiner widerborstigen Partei. Der Publizist und Volljurist Albrecht von Lucke beobachtet die Debatte innerhalb der politischen Linken:
    "Wir haben es mit dem erstaunlichen Phänomen zu tun, dass sowohl in der SPD als auch in der Linkspartei als auch bei den Grünen erhebliche Stimmen darauf verweisen, dass die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen letztlich – und Herr Teltschik hat das ja beispielhaft zugegeben - ein Versuch waren, den Reparationszahlungen in gewisser Weise ein Schnippchen zu schlagen. Das heißt, wir haben es mit einem Phänomen zu tun, dass wir hier so etwas wie eine Koalition der durchaus bejahenden Stimmen haben, die durchaus sagen: Es gibt ein nicht nur moralisches, sondern nach wie vor vorhandenes rechtliches Moment, dass die Reparationsfrage weiterhin relevant erscheinen lässt."
    Hat die Regierung Kohl also beim Abschluss des Zwei-plus-vier-Vertrages getrickst? Der Völkerrechtler Schorkopf widerspricht dieser Darstellung:
    "Ich glaube das nicht. Das wird heute so dargestellt, und das Ganze als ein Problem, das hier sehr stark mittlerweile moralisiert ist, sodass wir hier in einem immer dichter werdenden Nebel uns befinden. Die offizielle Auffassung, die die Bundesregierung vertritt, ist die, dass mit dem Abschluss des Zwei-plus-vier-Vertrages und dann in der wenige Monate später abgeschlossenen Charta von Paris, an der viele weitere europäische Staaten beteiligt waren, die Reparationsfrage wie überhaupt alle Nachkriegsfragen, die mit dem Zweiten Weltkrieg zusammenhingen, abschließend geregelt worden sind. Das ist nicht so, dass hier die Bundesrepublik Deutschland unter der damaligen Regierung des Kanzlers Kohl einseitig etwas oktroyiert hätte."
    Schauen wir zurück: Um welche Verbrechen handelt es sich konkret, die während der deutschen Besatzung Griechenlands von Angehörigen der Wehrmacht begangen wurden?
    Zweiter Streitpunkt: Nazi-Gräuel ohne Sühne?
    Bundespräsident Joachim Gauck legt am 06.03.2014 am Grabmal des unbekannten Soldaten in Athen einen Kranz nieder.
    Bundespräsident Joachim Gauck am Grabmal des unbekannten Soldaten in Athen (dpa/Wolfgang Kumm)
    "Das ist für einen deutschen Präsidenten kein leichter Weg."
    Sagte Bundespräsident Gauck 2014 während seines Griechenland-Besuches, als er den dortigen Präsidenten Papoulias in das Dorf Lyngiades begleitete, wo die Mittenwalder Gebirgsjäger im Oktober 1943 achtzig Einwohner aus Rache an Partisanen ermordet hatten. Dazu der Bremer Rechtshistoriker Christoph Schminck-Gustavus:
    "Es war eine sogenannte Sühnemaßnahme. Zuvor war der Regimentskommandeur mit seinem Fahrer in einen Hinterhalt der Partisanen geraten und getötet worden. Der kommandierende General befahl, dass dieser "ruchlose Banditenmord" eine "schonungslose Vergeltung" erforderlich mache."
    Der Historiker Heinz A. Richter erinnert an andere Stätten von Massakern, zum Beispiel Kalavryta: "Da waren sechzig deutsche Kriegsgefangene drei Monate in Gefangenschaft, die sollten befreit werden und wurden von Partisanen erschossen. Daraufhin kam es auch in anderen Staaten der Welt üblichen – Zahl 1 zu 10 – Geiselerschießungen (...) als Revanche. Das war die Regel. Es gibt einige Ausnahmen, die SS in Distomon. Die wurde vom Nachbardorf beschossen und rächte sich und brachte dort alle Menschen um."
    Distomo hatte ein juristisches Nachspiel, als 1997 Kinder der Opfer vor dem Landgericht in Livadia klagten, und die Bundesrepublik zur Zahlung von 37,5 Millionen Euro verurteilt wurde. Damals zögerte die Athener Regierung noch, eine Zwangsvollstreckung deutschen Eigentums zu bewilligen. Im März dieses Jahres drohte jedoch Justizminister Nikos Paraskevopoulos mit einer Beschlagnahmung deutscher Vermögenswerte, um die den Hinterbliebenen zugesprochenen Beträge einzutreiben. Doch dieses Verfahren ist rechtlich fragwürdig, wie Frank Schorkopf erläutert:
    "Ja, da muss man unterscheiden, ob der Gegenstand, um den es geht, öffentliches oder privates Eigentum ist. Und das Goethe-Institut steht als Eigentum in der öffentlichen Hand. Und wenn der griechische Staat seine Hand darauf legt, dann kommt er in Konflikt mit der sogenannten Staatenimmunität; ein Grundsatz des Völkerrechts, der altehrwürdig ist, den der Internationale Gerichtshof in Den Haag auch übrigens in einem Fall unter deutscher Beteiligung wieder bestätigt hat."
    Dritter Streitpunkt: Die "Zwangsanleihe" oder Was wurde bisher an Zahlungen geleistet?
    Griechenlands Reparationsansprüche gegenüber den beiden anderen Besatzungsmächten, Italien und Bulgarien, wurden über Naturalien, zum Beispiel die Versendung von Schiffen, sowie über die Verrechnung von Schulden aus der Vorkriegszeit abgegolten. Doch eine Rückzahlung für die sogenannte "Zwangsanleihe" Nazi-Deutschlands steht noch aus.
    "Wenn man sich genau anschaut, insbesondere auch diese Wehrmachtsanleihe, da kommt man ja sehr viele unschöne Argumentationen und Debatten hinein, weil man etwa, ich nenne nur ein Beispiel – bei der Wehrmachtsanleihe – die Frage stellen müsste, inwieweit etwa so eine Zwangsanleihe nach dem geltenden Völkerrecht der 1940er Jahre vielleicht sogar rechtmäßig war."
    Eine Zurückzahlung der "Besatzungskosten" oder der "Anleihe" ist nie erfolgt. Was Kritiker als geradezu peinlich bewerten, wenn das reiche Deutschland im Rahmen der EU dem bankrotten Griechenland eine Schuldenrückzahlung abverlange, selbst aber nicht bereit sei über eine Rückzahlung des Zwangskredits zu sprechen. Albrecht von Lucke geht noch einen Schritt weiter und sieht sogar die Glaubwürdigkeit der hiesigen Erinnerungskultur infrage gestellt:
    "Wir sehen heutzutage viel zu wenig die Opferseite der NS-Zeit, die Tatsache, dass wir meinen, wie haben gewissermaßen mit der Einrichtung einer Gedächtniskultur das Unsere getan, um der Schuld zu erinnern, korrespondiert nicht mit der hochpräsenten Opfergeschichte innerhalb – speziell beispielsweise – Griechenlands, das verhältnismäßig wenig bisher an Wiedergutmachung erfahren hat.
    Der Historiker Heinz A. Richter widerspricht im Detail:
    "Der moralische Tatbestand, dass Deutschland keine Reparationen gezahlt habe, stimmt nicht. Die erste Tranche waren 30.000 Tonnen Industriegüter. Das war kein Schrott, das sind Maschinen gewesen, die noch liefen im Wert von dreißig Million Dollar, der Dollar umgerechnet 1 zu 4, das sind 120 Millionen Deutsche Mark, 1949."
    Richter spielt auf die sogenannte "Schrott"-Affäre um das unkommerzielle Verhalten der Reparationskommission Griechenlands in der Bundesrepublik an, die trotz besserer Angebote aus dem Inland das Maschinenmaterial nach England verkaufte, was die Griechen - laut einer Schätzung aus dem Jahre 1952 - mehr als zweieinhalb Millionen Drachmen, das heißt 700 000 Mark, gekostet habe.
    Piräus nicht fand – alles unter griechischer Regie übrigens – der Rest war so verrostet, inkompetent gelagert – auch unter griechischer Regie -, dass er als Schrott verkauft wurde, das Geld fand nie den Weg nach Athen."
    1953 wurde das Londoner Schuldenabkommen mit der jungen Bundesrepublik geschlossen und die Frage von Reparationen auf den Tag einer künftigen Wiedervereinigung, und das hieß aus damaliger Sicht: auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Frank Schorkopf:
    "In der Londoner Schuldenkonferenz 1953 hat man ein Stück weit die Lehren aus dem verheerenden Versailler Vertrag gezogen. Damals war klar, dass die Gebietsverluste des ehemaligen Deutschen Reiches durch die Teilung, wenn es ökonomisch irgendwie auf die Beine kommen soll, dass man hier einen neuen Weg gehen will."
    Seit Ende der 1950er-Jahre wurden mit zwölf Staaten Entschädigungsabkommen zur Wiedergutmachung für NS-Unrecht geschlossen. An zwei davon, die über Umwege Reparationen erhielten, erinnert der Historiker Richter:
    "Das war erstens Jugoslawien. Die bekamen fünfhundert Millionen DM 1957, wenn ich mich richtig erinnere. Getarnt, um nicht andere auf Ideen zu bringen, als Investitionskredit. Die Griechen bekamen das mit..."
    ... und erhielten ebenfalls Gelder:
    "Man nennt das Ding nicht Reparationen, sondern in Übereinstimmung mit den Griechen nennt man es Investitionskredit, bekamen die Griechen zugestanden 200 Millionen Deutsche Mark, mit denen Griechenland von der Nordgrenze bis nach Kreta elektrifiziert wurde. Das Braunkohlekraftwerk Ptolemaida zum Beispiel wurde damit finanziert. Das war Athen noch nicht genug und man forderte noch mehr. Und Bonn war dann bereit, 115 Millionen Deutsche Mark in Cash zu bezahlen als Entschädigung für die Juden in Thessaloniki und woanders und für die Ermordeten von Geiselaktionen etc. Insgesamt wurden 75 Prozent dieser Summen veruntreut, die verschwanden in den Taschen der Politiker. Die deutsche Botschaft wusste das und sagte nichts."
    So scheint die Reparationsdebatte derzeit in unerquicklichen Auf- und Gegenrechnungen von Opfern und Zahlungen, moralischen Schuldvorwürfen und unerbittlichen Rechtspositionen zu ersticken. Erschwerend kommt das reichlich provokative Vorgehen der Tsipras-Regierung hinzu.
    Vierte Streitfrage: Gibt es noch eine Verständigungschance?
    Kritiker der Regierung in Athen halten das Reizthema der finanziellen Schuld Deutschlands allein schon durch die zahlreichen Wohlstandstransfers seit dem EG-Beitritt Griechenlands 1981 für längst erledigt. Dagegen sehen Kritiker der Bundesregierung das kategorische Nein Deutschlands zu Reparations- oder Entschädigungsforderungen als weiteres Indiz dafür an, über die moralische Umkehr hin zu einem gerechteren Europa nachzudenken. Albrecht von Lucke:
    "Insofern ist diese Frage, wie weit wird Europa noch einmal neu begründet, auch die Frage: Wer trägt welche Verantwortung, fast zwangsläufig noch einmal neu auf dem Tisch."
    Gleichzeitig steckt die moralisch aufgeladene Schulddebatte voller Scheinheiligkeiten. So sei daran erinnert, dass es die rot-grüne Bundesregierung war, die vor fünfzehn Jahren das Projekt eines „deutsch-griechischen Zukunftsfonds" verhinderte, aus dem NS-Opfer entschädigt werden sollten. Zur Entschädigung der polnischen Zwangsarbeiter wurde dagegen eine Stiftung gegründet, die von dem FDP-Politiker Graf Lambsdorff geleitet und im Jahre 2000 im Bundestag präsentiert wurde:

    "Über eine Million ältere und alte Menschen haben darauf 55 Jahre gewartet. Bei den Diskussionen über viele juristische Details sind die Bilder der ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter häufig verblasst. Ich denke, heute haben wir allen Anlass, wieder an sie zu denken."
    Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan während einer Gesprächsrunde in den Kammerspielen des Theater Lübeck.
    Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan (Olaf Malzahn/dpa)
    In diesem Sinn mahnt auch Gesine Schwan (SPD) eine Verständigung mit Griechenland in der Reparationsfrage dringend an.
    "Den Griechen etwas Ähnliches strikt zu verweigern, nur weil sie im Vergleich zu Polen ein kleines Land sind, überzeugt nicht, macht die Reaktion der Bundesregierung auch nicht gerade sympathisch. Dass die Verbrechen nun knapp 70 Jahre her sind, ist kein Argument."
    Während Teile der politischen Linken um Verständnis dafür werben, dass Griechenland in seiner schier ausweglosen Lage auch die Reparationskeule schwingt, geht die hohe Ablehnung solcher Forderungen in der Bevölkerung bis weit in die Wählerschaft der Linkspartei hinein.
    "Ich nehme die momentane Debatte so wahr, dass viele Menschen auch in Deutschland es als eine Art Taschenspielertrick, als kalte Argumentation empfinden, sich auf Völkerrechts-Argumente sich in diesem Zusammenhang zu berufen."
    Immerhin gibt es seit September 2014 einen bilateralen „Zukunftsfonds", den das Auswärtige Amt finanziert. Seine Aufgabe besteht in der Förderung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten zur historischen Aufarbeitung der Weltkriegsereignisse. Und wie äußert sich unser Bundespräsident Joachim Gauck dazu? Obwohl er die Rechtsauffassung der Bundesregierung in Sachen Reparationen nicht in Abrede stellen möchte, rät er dennoch zu einer salomonischen Lösung:
    "Wir sind ja nicht nur die, die wir heute sind, sondern auch die Nachfahren derer, die im Zweiten Weltkrieg eine Spur der Verwüstung in Europa gelegt haben – unter anderem in Griechenland, worüber wir beschämend lange wenig wussten. Es ist (deshalb) richtig, wenn ein geschichtsbewusstes Land wie unseres auslotet, welche Möglichkeiten von Wiedergutmachung es geben könnte."