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Republikflucht über Bulgarien
Zwei Seiten einer Geschichte

Rund 2.000 DDR-Bürger haben in den Jahren bis 1989 versucht, über Bulgarien in den Westen zu gelangen. Nur etwa 500 von ihnen gelang die Flucht. Mit der Aufarbeitung dieses Themas tut sich in Bulgarien nicht nur die Politik, sondern auch die Bevölkerung schwer.

Von Rayna Breuer | 05.03.2019
Sofia, Bulgarien.
Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des kommunistischen Regimes wird in Bulgarien nicht in dem Ausmaß geführt wie in anderen Ländern des Ostblocks (Deutschlandradio / Bettina Klein)
Das bulgarische Strandzha-Gebirge - an der Grenze zur Türkei. "Hier siehst Du, wie die Drähte verrostetet sind, das ist die alte Sperranlage, überwuchert von Gebüsch und Ästen. Hier, dieser Draht ist tief eingerissen, von den Wildschweinen, die sich hier ihren Weg auf der Suche nach Futter bahnen."
Stanka Papazova - eine 80 Jahre alte Dame, schmächtig, mit gebückter Haltung - zeigt mit einem Stock auf die Überreste der alten Sperranlage, jene Grenze, die den Ostblock vor dem – wie es im damaligen Jargon hieß - imperialistischen Feind schützen sollte. Seit dem Fall der kommunistischen Regime erfüllt sie keine Funktion mehr. Ende der 1990er-Jahre wurde sie endgültig zurückgebaut. Doch an schwer zugänglichen Stellen im Wald finden sich immer noch Reste der alten Anlage - vom Wald zurückerobert, fast unsichtbar für den unachtsamen Spaziergänger. Stanka Papazova ist hier aufgewachsen - und erinnert sich genau an die Zeit vor 1989.
Überreste der bulgarisch-türkischen Grenze
Überreste der bulgarisch-türkischen Grenze (Deutschlandradio / Rayna Breuer)
"Einmal saßen im Wald ein Mann, eine Frau und zwei Kinder, etwa fünf bis sechs Jahre alt, und haben gegessen. Ich war auf dem Weg zu unseren Tieren. Als sie mich sahen, hat der Vater etwas in einer anderen Sprache gesagt, sie haben alles schnell eingepackt und sind zügig weitergelaufen. Ein anderes Mal wurden sogar zwei Kilometer vom Dorf entfernt ein Mann und eine Frau gefasst. Wir, damals noch Kinder, wollten gucken, doch eine Polizeikette ließ uns nicht durch. Ich habe Schüsse gehört und später erfahren, dass der Mann erst die Frau erschossen hat und dann sich selbst. Ich habe nur von Weitem gesehen, wie sie an Ort und Stelle begraben wurden. Es passierte alles direkt neben unserer Schafherde auf der anderen Seite des Dorfes. Wer die Menschen waren, woher sie kamen, kann ich nicht sagen. Keiner hat uns irgendwas erzählt. Republikflüchtlinge, nur das wussten wir. Ja, Republikflüchtlinge."
Etwa 500 DDR-Bürger gelang die Flucht
Nach aktuellem Forschungsstand haben in den Jahren bis 1989 rund 2.000 DDR-Bürger versucht, über Bulgarien in den Westen zu gelangen. Etwa 500 von ihnen ist der Fluchtversuch tatsächlich gelungen, circa 1.500 wurden gefasst und an die Stasi ausgeliefert. Andere wurden von bulgarischen Grenztruppen erschossen. Dass es so gefährlich ist, ahnte Hendrik Voigtländer aus Ost-Berlin damals nicht.
"Es kam nicht einmal die Nachricht - nicht einmal -, dass irgendjemand in Tschechien, damals noch Tschechoslowakei, oder in Ungarn oder in Bulgarien von uns Ostdeutschen ums Leben gekommen ist - nicht einmal."
Wie viele andere dachte auch Hendrik Voigtländer, dass die Grenze Bulgariens viel leichter, weniger gefährlich zu überqueren sei als die innerdeutsche Grenze – jene 1.400 km lange Todeszone, die die Menschen fast 30 Jahre gewaltsam daran hinderte, aus der DDR zu entkommen. Mit gefälschten Pässen, für die Flucht präparierten Autos, mithilfe von BRD-Bürgern oder ganz auf sich allein gestellt hofften daher viele, über einen anderen Teil des Ostblocks den Weg in die ersehnte Freiheit zu finden – wie etwa über Bulgarien.
Burgas am Schwarzen Meer in Bulgarien, August 1968
Burgas am Schwarzen Meer in Bulgarien, August 1968 (imago / ZUMA / Keystone)
Anfang 1988 ahnt keiner, dass die DDR bald von der politischen Weltkarte verschwinden wird, dass die kommunistischen Regime in Osteuropa eins nach dem anderen wie Dominosteine umfallen werden. Hendrik Voigtländer ist zu dem Zeitpunkt 24 Jahre alt - ein geselliger Mann, ein Abenteurer, ein Reisender, einer, dem die eigenen vier Wände schon zu eng erscheinen und der gerne in die Ferne reist. In seiner Jugend bereist er ganz Osteuropa - von Rumänien über Polen nach Russland. Doch er will mehr von der Welt sehen, er will nach Kuba. Dieser Wunsch wird ihm vom Staat verwehrt. Der Grund: Er habe nicht an allen FDJ-Nachmittagen teilgenommen.
Anfang 1988 fragt ihn ein Schulfreund, ob er mit ihm nach Bulgarien reisen möchte. Doch Bulgarien soll nicht Endstation der beiden sein. Mehr noch: Er fragt ihn, ob er mit ihm abhauen will. In den Westen. Acht Monate später, am 24. September, ist es soweit. Seiner Mutter sagt Hendrik Voigtländer beim Abschied lediglich, dass sie sich vielleicht länger nicht sehen werden. Keine Andeutungen, keine Anzeichen. Mit dem Wartburg Tourist seines Freundes fahren sie bis zum Flughafen in Leipzig. Sie lassen das Auto dort stehen und steigen in die Maschine nach Burgas ein. Drei Stunden Flugzeit - und schon war man im Urlaubsparadies Bulgarien.
"Schön, sich auszustrecken im heißen, feinkörnigen Sand. Die Sonne ist hier unentwegt zugange, die Wellen, die rastlos, leichtfüßig an den Strand hüpfen, bringen den herben Geruch des Meeres mit sich…"
Mehr als ein Urlaub in Bulgarien
Bulgarien - das Traumland, das Reiseparadies für ostdeutsche Touristen. So beschreibt es diese DDR-Radiosendung aus dem Jahr 1987. Lange Küstenstreifen, leckeres Essen, heiße Sommertage - vor allem der Goldstrand im Norden und der Sonnenstrand im Süden lockten damals viele Urlauber aus den ehemaligen Ostblockstaaten an. Die Zahl der DDR-Touristen in Bulgarien stieg von Jahr zu Jahr. Waren es 1980 noch knapp 20.000 DDR-Touristen, so besuchten 1988 bereits 30.000 das Land am Schwarzen Meer.
Hendrik Voigtländer ist einer von ihnen. In Burgas gelandet, fahren er und sein Freund in den etwa zehn Kilometer entfernten Kurort Sonnenstrand. Sie verbringen einen normalen Urlaub, gehen baden und spielen Tennis.
Bis zum 3. Oktober. An diesem Tag stehen die beiden um 6:30 Uhr auf. An der Rezeption sagen sie, dass sie im Gebirge spazieren gehen wollen. Sie nehmen nichts mit, jeweils nur eine Flasche Wasser, Goldkettchen um den Hals, Uhr am Arm, sie sind schick gekleidet.
"Einige DDR-Grenzverletzer, die wir gefasst hatten, hatten sehr detaillierte Karten der Grenzregion bei sich. Bei einem haben wir eine abgerissene Seite aus einem Buch gefunden, darauf genau zu sehen, wo der Grenzfluss Weleka entspringt, wo sich die genaue Flussgrenze zwischen der Türkei und Bulgarien bildet, man konnte genau sehen, welches Dorf der Fluss durchquert. Andere Grenzverletzer haben sich an den Bergspitzen orientiert. Es gibt ein paar spezifisch aussehende Berge genau an der Grenze zur Türkei, die man sogar von Burgas aus sehen kann."
Erinnert sich Stoyan, Mitte 60, ein kleiner Mann mit weißen Haaren, der seinen richtigen Namen nicht öffentlich nennen will. Er lebt mit seiner Frau in der Grenzstadt Malko Tarnovo. Direkt auf der anderen Seite liegt die Türkei. Damals bewachte er als Soldat die bulgarische Grenze an jenem Abschnitt, den Hendrik Voigtländer und sein Freund zu überqueren planten. Stoyan hatte am Tag der Flucht der jungen Männer Dienst. Die vielen Steilhänge und das hohe Gestrüpp habe viele bei der Flucht aufgehalten, erzählt Stoyan, sie konnten nicht so schnell weglaufen, wenn sie in so ein Gebiet eingetreten waren. Doch das wussten die meisten nicht. Hendrik Voigtländer war optimistisch. Schwieriger als an der deutsch-deutschen Grenze kann es nicht sein, denken sich die beiden Freunde.
DDR-Touristen wurden in Bulgarien überwacht
"Es gab eine klare Prozedur: Die DDR-Touristen wurden, noch bevor sie in den Urlaub gingen, sozusagen filtriert. Sobald sie in Bulgarien gelandet waren, haben Stasi-Offiziere, die vor Ort unter anderem am Sonnenstrand tätig waren, die verdächtigen Namen der bulgarischen Staatssicherheit gegeben. In einigen Unterlagen kann man nachlesen, dass DDR-Bürger unter Fluchtverdacht tagelang beobachtet wurden."
Erklärt Momchil Metodiev. Er ist Historiker, sein Forschungsschwerpunkt - die Rolle und Funktion der bulgarischen Staatssicherheit sowie die Zusammenarbeit mit dem MfS.
Die Kooperation zwischen der Stasi und dem bulgarischen Sicherheitsdienst begann sehr zögerlich, formell, vielmehr auf Initiative der bulgarischen Behörden. Erst in den 1960er-Jahren intensivierten sich die Beziehungen zwischen den beiden Diensten. In den größten Kurorten, wie etwa Sonnenstrand, nahmen sogenannte operative Gruppen ihre Arbeit auf: Das waren Stasi-Mitarbeiter, die mit den Behörden vor Ort kooperierten und verdächtige deutsche Urlauber ins Visier nahmen. Die Zusammenarbeit trug schnell Früchte: Ende der 1960er-Jahre verzeichneten die bulgarischen Behörden einen deutlichen Rückgang der Fluchtversuche.
"Bei den DDR-Bürgern wurde auf den Moment gewartet, wo sie den tatsächlichen Fluchtversuch unternommen haben, um sie auf frischer Tat zu fassen. Wenn wir auf der anderen Seite über bulgarische Fluchtwillige sprechen, und es gibt viele Beispiele von jungen Menschen oder Soldaten, war die Strategie, sie von Anfang an, also bereits beim Planen des Fluchtversuchs von der Idee abzubringen. Die bulgarischen Sicherheitsbehörden trafen Maßnahmen, um sie einzuschüchtern, sprich ihnen deutlich klar zu machen, was passieren wird, wenn sie flüchten. Also der Versuch sollte von Beginn an vereitelt werden. Im Falle der DDR-Bürger glaube ich, dass sie das Interesse hatten, die Menschen zu dem Moment zu bringen, wo sie tatsächlich den Versuch unternahmen."
Flucht Richtung Istanbul
So der Historiker Momchil Metodiev. Doch Hendrik Voigtländer und sein Freund sind zuversichtlich, dass ihr Plan aufgehen wird. Drei Stunden sind sie schon unterwegs, entlang der alten Landstraße, die sie nach Istanbul führen wird. Erschöpft entscheiden sie sich einen Bus anzuhalten.
"Der Busfahrer hielt an. Woher kommt Ihr? Wir kommen aus Hamburg, sagten wir. Es stand ja nicht eingraviert in der Stirn 'DDR'. Wir fahren also in Richtung Istanbul zu dritt. Nach circa 20 Kilometer kam auf der rechten Seite ein Grenzhäuschen der bulgarischen Armee. Sie winkten uns weiter. Ich strahlte schon wie ein Honigkuchenpferd. Jetzt sind es noch 330 Kilometer. Nach circa 40-50-60 Metern fuhr der Busfahrer aber rechts ran."
Sie müssen aussteigen und am Straßenrand warten. Stoyan, der junge Grenzsoldat aus der Grenzstadt Malko Tarnovo, hat an jenem 3. Oktober Dienst. Er fährt mit einem Jeep die Grenzzone ab. Er bekommt ein Signal und eilt zum Einsatz: 13 Kilometer von der Grenze entfernt, in der Nähe des Dorfes Balgare, so der Vermerk in den Akten. Am Straßenrand stehen Hendrik Voigtländer und sein Schulfreund.
Behörden versuchten Tötungen zu vertuschen
"Ich hatte meinen DDR-Personalausweis in den doppelten Boden der Adidas-Unterhose eingenäht. Der Schulfreund leider nicht. Man findet den Personalausweis von dem Schulfreund, meinen Personalausweis hatte man nicht gefunden. Sie holen zwei Säcke aus dem Jeep, das geht sehr, sehr schnell und ziehen die Säcke nach vorne zu, machen uns die Handschellen vorne an und verfrachten uns sehr professionell in den Jeep."
"Ja, wir haben denen Säcke über gezogen, damit sie sich nicht orientieren können. Hat er das so gesagt."
Sichtlich verlegen antwortet Stoyan, der bulgarische Grenzsoldat, der die beiden in den Jeep verfrachtete. Wer Widerstand zeigte und die Anweisungen der Grenzer nicht befolgte, war in Gefahr. Bereits 1951 und im Sommer des darauffolgenden Jahres wurden Befehle erlassen, die den Gebrauch der Waffe festschrieben, und zwar auch gegen Personen, die aus einem Nachbarstaat die Staatsgrenze gesetzwidrig überquerten und nicht dem Befehl der Grenzeinheit Folge leisteten. Laut aktuellem Forschungsstand ist die Rede von mindestens 18 Fällen, die tödlich endeten. Jeder zweite getötete ausländische Flüchtling an der bulgarischen Grenze war ein DDR-Bürger. Die meisten Todesfälle sind nur schwer zu rekonstruieren, denn die Behörden waren sehr darauf aus, die Tötungen zu vertuschen. Die ostdeutschen Männer zeigen keinen Widerstand und werden in die nächste bulgarische Grenzstadt zum Verhör gefahren.
Grenzer erhielten Geschenke für vereitelte Fluchten
"Nein, ich habe nie geschossen. Aber ja, Angeschossene gab es. Nicht erschossen, angeschossen. Das Schießen passierte an der eigentlichen Staatsgrenze, wenn er die Sperranlage schon passiert hat und wenn er sich nicht unseren Befehlen beugte, wurde zuerst in die Luft geschossen. Sollte er nicht anhalten, dann wurde geschossen, aber nicht um ihn zu töten, sondern anzuhalten. Es wurden alle Mittel genutzt, damit er die Grenze nicht überquert. Denn bei jeder erfolgreichen Grenzverletzung, also Flucht, wo wir ihn nicht fassen konnten, musste das komplette Team auf dem roten Teppich in Sofia Rede und Antwort stehen: Wir mussten erklären, wieso das passieren konnte. Und die Grenzsoldaten wurden sanktioniert. So war das Gesetz."
Erklärt Stoyan. Das Regime hatte ein ausgeklügeltes System entwickelt: Auf der einen Seite bestätigen Akten aus jener Zeit, dass die Grenzsoldaten mit strengen Sanktionen zu rechnen hatten, auf der anderen Seite existierte ein System der Belohnung und Würdigung: Soldaten bekamen Geschenke, wie etwa Uhren, Radiogeräte oder Textilien. Hingegen lässt sich die weit verbreitete Annahme, die Grenzer hätten eine Kopfprämie von bis zu 1.000 DM erhalten, aus den Akten nicht bestätigen. Stoyan habe für Festnahmen von sogenannten Grenzverletzern materielle Geschenke, aber auch Zusatzurlaub, bekommen. Grenzer und ihre Vorgesetzten wurden rechtlich nie belangt. Selbst als Hinterbliebene von deutschen Opfern versucht haben, ein Gerichtsverfahren in Bulgarien anzustoßen, hat die Staatsanwaltschaft nicht reagiert.
Schwierige Aufarbeitung in Bulgarien
Die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des kommunistischen Regimes wird in Bulgarien nicht in dem Ausmaß geführt wie in anderen Ländern des Ostblocks, mehr noch: Sie wird verhindert durch die Bulgarische Sozialistische Partei. Diese bildete in den 90ern-Jahren mehrfach die Regierung. Weitere Gründe: Das fehlende Lustrationsgesetz, das ehemaligen Mitarbeitern der Staatssicherheit verbietet, öffentliche Ämter zu bekleiden. Hinzu kommt die zögerliche Haltung eines Großteils der Bevölkerung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
"Die Bevölkerung war stark indoktriniert. Während in Ungarn und Tschechien die Grenzanlage mit Bulldozern einfach abgerissen wurde und die Menschen Rosen aus dem Stahl angefertigt und verkauft haben, wollte die Bevölkerung hier das alles nicht."
Sagt Dimitar Ludjev, stellvertretender Ministerpräsident in den Jahren nach der Wende und bis 1992 Verteidigungsminister. In seiner Amtszeit stellt die Abgeordnete Verzhinija Velcheva im Parlament die Frage nach den Toten an der bulgarischen Grenze. Am 21. Februar 1992, die Parlamentarier der Bulgarischen Sozialistischen Partei, ehemals Bulgarische Kommunistische Partei, waren sichtlich irritiert von der Frage, so vermeldet es das Protokoll der Sitzung. Es gab Zwischenrufe und Beschuldigungen seitens der ehemaligen Kommunisten. Und harsche Gegenreaktionen: Die Vertreter der Bulgarischen Sozialistischen Partei sollen den Mund halten, wenn über Getötete gesprochen werde, rief ein Abgeordneter der Union der Demokratischen Kräfte. Verteidigungsminister Dimitar Ludjev und Innenminister, Yordan Sokolov, zu deren Ressorts die Grenztruppen abwechselnd gehörten, beantworteten die Frage und lieferten Zahlen, nicht ganz lückenfrei, und dennoch wegweisend. Denn es war das erste Mal in Bulgarien, das dieses Thema überhaupt auf der Tagesordnung stand. In den Jahren zwischen 1946 bis 1985, wobei drei Jahre in der Statistik fehlen, so Dimitar Ludzhev in seiner damaligen Antwort, ist die Zahl der registrierten Morde an der Grenze der Republik Bulgarien 339.
Stasigefängnis in Berlin Hohenschönhausen
Zellen und Zellengang im Stasigefängnis in Berlin Hohenschönhausen (imago/Rolf Kremming)
Der Fluchtversuch von Hendrik Voigtländer und seinem Freund endet hinter Gittern: Nach dem Verhör in der Grenzstadt Malko Tarnovo landet er zunächst im Gefängnis in Burgas. Nach neun Tagen wird er in ein Gefängnis nach Sofia verlegt, wo er zwei Monate verbringt. In einer kleinen Zelle mit zwei anderen Personen, auf engstem Raum, ohne Kanalisation, und nur alle paar Tage frisches Trinkwasser. Anschließend wird er in Begleitung von Stasi-Mitarbeitern in die DDR überführt und dort in das Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen in Berlin verlegt. Hier verbringt er mehrere Wochen, bevor er erneut verlegt wird. Schließlich löst ihn die BRD kurz vor dem Mauerfall aus. Heute führt er durch Hohenschönhausen und erzählt seine Geschichte – jeden Tag aufs Neue.
"Für mich ist das eine Aufarbeitung."
Neue Grenzanlage soll Flüchtlinge abwehren
Der ehemalige Grenzsoldat Stoyan lebt mit seiner Frau noch immer in der kleinen Stadt Malko Tarnovo – und denkt nicht gerne an die alte Zeit. Sein Sohn ist ebenfalls Grenzer geworden – und bewacht nun an der neuen Grenzanlage die EU-Außengrenze. Diese steht seit zwei Jahren unweit der alten Sperranlage. Der neue Zaun - bewehrt mit NATO-Draht und Kameras - erstreckt sich entlang der gesamten bulgarischen Grenze zur Türkei und soll Menschen am Eindringen in die Europäische Union hindern. 30 Jahre nach dem Fall des Kommunismus und der Einigung zwischen Ost und West steht unweit von Stanka Papazovas Zuhause erneut ein Symbol der Trennung und Abgrenzung.