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Requisiten von Props & Co.
Großes Kino dank guter Kulissen

Von der Miniserie bis zum Hollywood-Schlager: Alle brauchen sie Requisiten. Der Verein Props und Co auf dem Wiener Nordwestbahnhof bietet eine Million Leihstücke aus drei Jahrhunderten. Film- und Fernsehmacher rollen hier mit großen Einkaufswagen durch die Gänge.

Von Alexander Musik | 28.10.2016
    Hüte im Wandel der Zeit zeigt am 12.06.2014 im LVR-Industriemuseum in Ratingen die Ausstellung "Chapeau". Zu sehen sind bis zum 19.04.2015 über 200 Hüte und andere Kopfbedeckungen im modischen Wandel der Zeit.
    Hüte in unterschiedlichen Zeiten - hier zu sehen in einer Ausstellung im im LVR-Industriemuseum in Ratingen - sind auch ein Thema für Props & Co. (dpa / Roland Weihrauch)
    Taborstraße 95, Ladestraße 3, Magazin 6 – die Adresse auf dem Wiener Nordwestbahnhof deutet schon an, dass Props & Co. nicht leicht zu finden ist und hier außerdem jederzeit ein Lkw um die Ecke donnern kann.
    Im Innern der dreistöckigen Lagerhalle öffnet sich dann eine andere Welt. Es riecht nach Holz, Leim und Firnis. Hier findet sich auf 3.200 Quadratmetern alles, was eine Film- oder eine Theaterproduktion braucht, um Räume oder auch ganze Häuser auszustatten, bis ins kleinste Detail. Telefone aus allen Epochen, Möbel, Werkzeuge, Geldspielgeräte, Zigarettenschachteln mit neutralem Aufdruck, Leninbüsten oder auch Pflastersteine aus bemaltem Styropor als Barrikadenattrappe.
    Alles ist in vielen Varianten vorhanden und ausleihbar, alles ist wohlgeordnet. Andernfalls würde es wohl Tage dauern, etwas in Österreichs größtem Fundus auszuleihen. Filmausstatter Thomas Vögel hat maßgeblich dazu beigetragen, mehrere im Land verstreute Requisitenlager und seinen eigenen Fundus an einem Ort zusammenzulegen. Das war sehr wichtig für die Branche, erklärt Vögel:
    "Die Halle war mehr oder weniger komplett leer, sie hatte ein kaputtes Dach, das hat man zuerst gar nicht gesehen, erst als der erste Regen, Platzregen, kam, hat es derart in die Halle herunter geregnet, das hat doll ausgesehen. Überall, wie aus einer riesigen Brause kam das Wasser in diese Halle herein geschossen. Und wir hatten Gott sei Dank noch nicht viel gemacht, wir waren erst am Beginn."
    Mit großen Einkaufswagen rollen die Kunden nun seit 2005 durch die Gänge, arbeiten die Ausstattungslisten ab, die sie für ihre Produktionen zusammengestellt haben.
    Kosten je nach Wert, Leihdauer und Produktionsaufwand
    An der Laderampe wird dann jedes Stück fotografiert, ein Lieferschein wird ausgestellt. Bei der Rücknahme kann man so genau erkennen, ob etwas fehlt oder kaputt gegangen ist. Die Leihmiete variiert je nach Wert, Leihdauer und Produktionsaufwand.
    Bei No-Budget-Studentenfilmen gewährt Props großzügige Rabatte, um Brancheneinsteiger zu unterstützen. Doch Vögel, ein Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung, betreut - wie seine Kollegen - auch internationale Großproduktionen:
    "Die letzte aufwendige oder sehr große Geschichte war in Südtirol. "Wie Brüder im Wind" hieß der Film, da hatten wir einiges zu tun. Davor hatten wir "Der stille Berg" - Kinofilm, Erster Weltkrieg. Dann hatten wir für eine Ami-Produktion gearbeitet: "Point Break", da wurde einiges in Österreich gedreht, also so ein Remake von diesem Klassiker."
    Branchenurgestein Thomas Vögel hat den Verein Props & Co. zusammen mit österreichischen und tschechischen Kollegen aufgebaut. Ihren Lebensunterhalt verdienen alle als professionelle Ausstatter. Das Ausleihgeschäft übernehmen je nach Saison zwei bis fünf Angestellte. Filmbegeisterte, die jeden Winkel der Halle und den genauen Standort jedes Stückes aus dem FF kennen.
    "Das, was der Verein erwirtschaftet über den Verleih, fließt fast komplett in die Mitarbeiter hinein, in notwendige Reparaturen."
    Sagt Vögels Kollegin Gesche Glöyer. Die Beiden kommen gerade aus Oberösterreich zurück, wo eine neue Folge von "Soko Donau" gedreht wurde und auszustatten war. 3.000 Euro flossen so in die Kasse von Props & Co, bilanziert Glöyer:
    "Was wurde da gebraucht? Gar nicht so viel, aber wir haben zum Beispiel einen Schäferhund angefertigt und ansonsten dort nur kleine Dinge. Aber in Wien mussten wir aus der Soko Donau-Wache, die ja fix ist, mussten wir eine Quarantänestation machen, das war eine ziemliche Herausforderung."
    Suche nach einem neuen Standort
    Die nächste größere Herausforderung ist die Suche nach einem neuen Standort; sie dauert schon zwei Jahre. Denn die liebevoll in Eigenregie für die Bedürfnisse der Filmbranche angepasste Lagerhalle im Eigentum der österreichischen Bundesbahnen wird abgerissen und das gesamte Bahnhofsgelände zum Wohngebiet.
    Spätestens 2017 müssen Vögel und Glöyer den Umzug organisiert haben. Monatelanges Einpacken und Inventarisieren stehen bevor. Ausweichlagerhallen gibt es genug, aber nur wenige in innerstädtischer Lage. Und langfristige günstige Mietverträge sind auch Mangelware. Die Besitzer warten lieber alle aufs Christkind, sagt Vögel amüsiert. Nämlich darauf, dass ihre Halle vielleicht doch einmal umgewidmet wird – und plötzlich zehn Mal so viel wert ist:
    "Dieses Teil umzusiedeln, dafür braucht man mindestens ein halbes Jahr, bis wir wieder gesettled am neuen Standort sind, den es leider auch so noch nicht gibt. Wir müssten im Oktober anfangen. Über den Winter durch müsste man das einpacken. Und man müsste im Frühjahr am neuen Standort fertig sein."
    Der Konjunktiv ist hier durchaus angebracht. Denn Thomas Vögel glaubt nicht, dass der Zeitplan sich halten wird. Noch immer hat Props & Co. kein geeignetes Ausweichquartier gefunden. Und der laufende Betrieb muss schließlich aufrecht erhalten werden. Vielleicht kommt ja für Vögel und seine Kollegen einmal das Christkind – in Form einer günstigen, zentral gelegenen neuen Heimat für eine Million Leihrequisiten aus drei Jahrhunderten.