Mittwoch, 24. April 2024

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Retrospektive auf Hans Hofmann
Auflösung des Raumes

Der Maler Hans Hofmann ist in Deutschland immer noch ziemlich unbekannt, in den USA hingegen ist der 1880 im bayerischen Weißenburg geborene Avantgardekünstler eine Legende. Mit seiner Vermittlung moderner Malereitheorie gilt er als maßgeblicher Wegbereiter des Abstrakten Expressionismus in den Vereinigten Staaten – nun zeigt die Bielefelder Kunsthalle eine große Retrospektive.

Von Carsten Probst | 06.11.2016
    Die früheste Arbeit in der Ausstellung stammt aus der Mitte der 1920er-Jahre, da ist Hans Hofmann bereits Mitte 40 und hat eigentlich die Zeit der künstlerischen Beeinflussung hinter sich. Das waren seine Jahre in Paris, wo er nach seinem Kunststudium zwischen 1904 und 1914 gelebt und Freundschaften unter anderen mit Picasso, Georges Braque, Henri Matisse und vielen Fauvisten unterhalten hatte. Die Bilder aus diesen Jahren sind bis heute verloren.
    Eine Lungenkrankheit bewahrte ihn bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor dem Kriegsdienst. Doch konnte er nach einer Erholungsreise nicht nach Paris zurück. Und so siedelte er sich wieder in München an und gründete dort eine private Kunstschule. Schon, dass er den Ersten Weltkrieg im Gegensatz zu vielen Künstlerkollegen so vergleichsweise unversehrt überstanden hat, gibt seinem Werk eine historische Sonderstellung.
    Historische Sonderstellung des Werkes
    Jene frühe Arbeit in der Bielefelder Ausstellung von Mitte der 20er-Jahre gibt davon ein beredtes Zeugnis: Man erkennt darin Andeutungen eines Interieurs, von Möbeln und einer Vase, wie Henri Matisse es gemalt haben könnte – zugleich jedoch auch die Auflösung des Raumes in lauter Farbflächen. Jutta Hülsewig-Johnen, die Vizedirektorin der Bielefelder Kunsthalle und Co-Kuratorin dieser Ausstellung:
    "Er hat von Anfang an das Bild als ein Faktum aus eigenem Recht gesetzt. Er hat also nie damit begonnen, zu sagen, ein Bild bildet etwas ab. Also diese traditionelle Sicht kommt bei ihm überhaupt nicht mehr vor. Weil das Bild als Faktum ist ja das Bild als eine neue Wirklichkeit. Und man sieht durch sein Werk hindurch, wie Bilder als Fakten gesehen werden aus eigenem Recht, die man auch so zu behandeln hat als Künstler."
    Als Kunstlehrer hat Hofmann in München viele ausländische Schüler, weil er sich im Gegensatz zu den Staatlichen Kunstakademien an keine Beschränkung für deren Zahl halten muss. So ergeben sich Kontakte in die Vereinigten Staaten. Anfang der 30er-Jahre wird er an die Universität von Berkeley, im Jahr darauf nach Los Angeles eingeladen, um Malereikurse abzuhalten. Als sich 1932 in München die Machtübernahme der Nationalsozialisten ankündigt und Hofmanns Malerei bereits als entartet bezeichnet wird, siedelt er nach New York über und gründet dort in der 8th Street von Manhattan eine neue Kunstschule. Lucinda Barnes vom Berkeley Art Museum hat viele Ausstellungen über die kalifornischen Universitätssammlungen kuratiert. Sie beschließt mit der Ausstellung über Hans Hofmann in der Kunsthalle Bielefeld ihre Karriere:
    "Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Künstler aus Paris und Europa wichtig für junge amerikanische Künstler. Etliche reisten nach Paris, nach Berlin, kamen zurück. Und in den 1930er-Jahren, als die europäischen Künstler anfingen, ins amerikanische Exil zu gehen, kam es auch in den USA zu vielen Kontakten. Hans Hofmann war so bedeutend, weil er während der entscheidenden Jahre um zwischen 1904 und 1914 in Paris gewesen war und alle die großen Künstler dieser Zeit gekannt hatte. Aber vor allem war er auch ein wirklich begabter Lehrer."
    Bedeutender Wandel in den USA
    Und auch Hans Hofmann macht unter dem Einfluss seiner Schüler in den USA eine bedeutende künstlerische Wandlung durch. Er befreit sich vom Ballast europäischer Kunstdebatten und geht augenscheinlich mit einer ganz neuen Unbefangenheit an sein eigenes Werk.
    Die Auflösung des Raumes in Farbflächen, die Mischung impressionistischer, abstrakter aber auch landschaftlicher Elemente erzeugen in seinen Bildern eine materielle Leichtigkeit, die in Europa zu dieser Zeit mit den ideologisch eingeführten Grenzen zwischen Abstraktion und figürlicher Malerei undenkbar wäre.
    Vermutlich ein Grund, weshalb er in Europa zunächst kaum mehr rezipiert wird. Eine Malerei Hofmanns von 1943 zeigt die charakteristischen Spuren der Drip Paintings, vier Jahre bevor Jackson Pollock diese Technik anwendet.
    Für den Transfer von Ideen der europäischen Avantgarden nach Amerika ist Hofmann neben Joseph Albers, Marcel Duchamp und Mies van der Rohe eine der großen Schlüsselfiguren.
    Ausstellungsinfos:
    "Hans Hofmann – Creation in Form and Colour", Kunsthalle Bielefeld, bis zum 05.03.2017