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Rettung des Schneeleoparden

Kirgisien ist ein Gebirgsland in Mittelasien. Und Zentralasien wiederum ist die Heimat des Schneeleoparden, einer Raubkatze, die unter Schutz steht. In Kirgisien gibt es mittlerweile nach Schätzungen von Experten nicht einmal mehr 300 dieser Wildkatzen, deren Zahl vor wenigen Jahren noch zwei- bis dreimal so hoch lag. Aber Wilderei und illegaler Handel mit Fellen dezimieren die Zahl der Tiere unaufhörlich. Der Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, hatte schon 1999 eine Wildhütertruppe zum Schutz des Schneeleoparden ins Leben gerufen und zugleich Umweltbildungsmaßnahmen im gesamten Land durchgeführt. Die Aktion zeigt Erfolge.

Von Jan Pallokat | 02.08.2005
    An einem Berghang hoch über dem Isikul-See, einem der größten Hochgebirgsseen der Welt, liegt etwas versteckt an einer staubigen Piste, ein romantisches Holzhaus. Bolot Zenalijew und Alexej Muchin verbringen hier den Tag, ein altes Batterieradio dudelt lokale Hits, und es gibt Tee. Die beiden Männer sind keine Einsiedler, vom kirgisischen Ableger des Umweltbundes "NABU " bezahlte Aufseher und Tierpfleger. Sie sind zuständig für ein weiter oben am Hang gelegenes Gehege, in dem sich drei Schneeleoparden von Verletzungen erholen, die Fallensteller ihnen beigebracht haben.

    Alexej Muchin führt uns zum Rand des Geheges und zeigt uns, wie gut es den Tieren geht. Der Ausläufer eines kleinen Bachs schlängelt sich durch das Gehege, hier können sie trinken, sagt Muchin. Ein paar Mal wirft er seine Mütze durch den Zaun ins Gehege, um die großen Raubkatzen zu locken, doch der Trick misslingt. In der Mittagshitze schauen die Tiere etwas gelangweilt zwischen den Felsen hervor, in deren Schatten sie sich ausgestreckt haben, und dösen weiter:

    "Im Winter ist es besonders faszinierend, da kann man sie mit ihrem weißen Fell fast gar nicht sehen auf dem Schnee."

    Schneeleoparden sind mittelgroße Katzen, die in der Bergwelt Zentralasiens zu Hause sind. Dass sich die Zahl der vom Aussterben bedrohten Tiere zuletzt stabilisiert hat, ist – neben Alexej Muchtins - auch das Werk von Thorsten Harder. Der deutsche Umweltschützer arbeitet seit zehn Jahren in Kirgistan – 1999 schob er das Schneeleoparden-Projekt an:

    "Kernstück war eine Anti-Wilderer-Einheit, die operativ und verdeckt in den Bergen ermittelt, aber auch auf Basaren illegale Waffen und Fallen beschlagnahmt, aber eben auch Felle und lebende Tiere."

    Gefahr droht den Raubkatzen weniger durch allgemeine Umweltzerstörung als durch den Menschen selbst:

    "Es geht ums Fell, und es ist eigentlich nur ein Prestigegeschenk. Die Felle kommen aus den Regionen, die werden an einen Rayon-Häuptling geschickt oder einen reicheren Geschäftsmann. Und der will sich dann einen guten Kontakt erkaufen und schenkt das einem Minister oder einem Freund von einem Minister, dass man sich dafür Gunst erwirbt oder jemand einem einen Gefallen schuldig ist. Dass war zumindest früher so bis zur so genannten Revolution, ob es jetzt noch so sein wird, weiß ich nicht, aber ich denke mal, es bleibt so."

    Das Land, aus dem im März der autoritäre Präsident Akjaew verjagt wurde, ist deswegen noch nicht über Nacht zur vollentwickelten Demokratie nach westlichen Maßstäben geworden. Sippen- und Clanloyalitäten sind im Zweifel wichtiger als politische Überzeugungen – und manchmal auch wichtiger als das Gesetz. Denn das Töten der Tiere war schon in den 90er Jahren gesetzlich verboten:

    "Die Leute im Umweltvollzug kriegen vielleicht 25 Dollar im Monat. Und dafür soll man sich mit Wilderern rumschlagen und vielleicht noch sein Leben riskieren – wozu? Als unsere Ranger, die viel besser bezahlt werden, gezeigt haben, wie man es macht, änderte sich das. Da kamen die ins Fahrwasser, und heute arbeitet der offizielle Vollzug besser als unsere Ranger."

    Bezahlt wird das Projekt inzwischen zur Hälfte vom Naturschutzbund Deutschland, die andere Hälfte bringt ein britischer Umweltverband auf. Was aber sagen Kirgisen selbst dazu, dass erst Ausländer kommen mussten, um den Schutz des Schneeleoparden voranzubringen – und nicht sie selbst, die eigentlich sehr stolz sind auf ihre Natur?

    Die kirgisischen Mitarbeiter des deutschen Umweltverbands betonen, Umweltschutz sei ein Zeichen für die Entwicklung eines Landes – und Kirgistan stehe da eben verglichen mit Deutschland erst am Anfang. Und sie sind sich einig in einem: Es fehle eben an Geld. Ein ausgeprägtes Bewusstsein für den Umweltschutz muss man sich leisten können. Bei Schwarzmarktpreisen von 1000 bis 1500 Dollar für ein Fell, etwas mehr als ein durchschnittliches Zwei-Jahres-Gehalt, kapitulieren auch umweltbewusste Kirgisen schnell.