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Rettungseinsätze
Sanitäter besser auf Kindernotfälle vorbereiten

Bei knapp zehn Prozent der Rettungseinsätze geht es um kranke oder verletzte Kinder. Für Sanitäter zählen diese Notfälle zu den größten Herausforderungen. Die Dosierung der Medikamente ist schwierig, oft lenken besorgte Eltern von der Arbeit ab. Das Thema müsste verstärkt in der Ausbildung behandelt werden.

Von Mirko Smiljanic | 26.03.2019
Ein verletzter Jungen liegt auf einer Liege, hinter ihm steht eine Rettungssanitäterin und neben ihm kniet ein Kinderarzt.
Die Anforderungen bei Kindernoteisätzen sind hoch (picture-alliance / dpa / Ulrich Baumgarten)
Wenn Rettungssanitäter und Notfallmediziner Einsätze starten, erfahren sie häufig erst unterwegs, was sie erwartet. Ob etwa ein 70-Jähriger einen Herzinfarkt erlitten hat oder eine 45-Jährige ausgerutscht und die Treppe heruntergefallen ist. Routiniert bereiten sie sich mental auf ihre Arbeit vor, immerhin sind Profis am Werk. Etwas anders sieht es aus, wenn die Leitstelle kranke oder verletzte Kinder ankündigt.
"Zum einen, weil sie Besonderheiten haben seitens der Anatomie, also des körperlichen Aufbaus, auch der Physiologie, das heißt, der Abläufe innerhalb des Körpers. Aber auch natürlich für das Rettungsdienstpersonal und für uns Ärzte gibt es immer Besonderheiten, weil sie zum einen nicht sehr häufig vorkommen und natürlich man auch immer so ein bisschen geprimt ist, hat man eigene Kinder, ist man emotional sehr gebunden an diese Situation oder ist man neutral aufgestellt?"
Schwierige Dosierung der Medikamente
PD Dr. Jörg Christian Brokmann, Leiter der Zentralen Notaufnahme am Universitätsklinikum Aachen. Wie unterschiedlich die Anforderungen bei Kindernoteisätzen sind, verdeutlicht ein Blick auf das mögliche Alter der Patienten: Es reicht vom Neugeborenen bis zum fast erwachsenen Jugendlichen. In dieser Altersspanne sind Herzinfarkte oder Schlaganfälle natürlich absolute Raritäten, dafür schieben sich andere Krankheiten in den Vordergrund, so PD Dr. Florian Hoffmann, Oberarzt und Notfallmediziner am Dr. von Haunerschen Kinderspital München.
"Wir haben sehr viel häufiger mit respiratorischen, mit Atemwegsproblemen zu tun, Kinder sind sehr viel mehr gefährdet an Sauerstoffmangel zu erkranken und im Rahmen von ganz banalen Atemwegsinfektionen, schwer krank zu werden. Wir haben eine große Gruppe an neurologischen Notfällen, wo epileptische Anfälle das Feld dominieren, und wir haben natürlich ganz, ganz häufig, je größer die Kinder sind, desto mehr Traumatologie, das heißt, das Kind, das runterfällt, eine offene Fraktur hat, Schmerzen hat und natürlich eine adäquate Schmerztherapie braucht."
Schwierig wird es häufig bei der Vergabe von Medikamenten. Untersuchungen zeigen, dass 30 bis 50 Prozent der Medikamente entweder zu hoch oder zu niedrig dosiert sind.
"Der Erwachsenenmediziner gibt eine halbe bis eine Ampulle langsam aus der Hand und weiß, dass er in der Regel immer eine richtige Dosierung finden wird, denn die Ampullen sind so konzipiert, dass ein Erwachsener mit einer Ampulle niemals lebensbedrohlich überdosiert wird. Das ist beim Kind anders, der Kinderarzt rechnet in Milligramm pro Kilo von einer Substanz, dann muss er wiederum wissen, wie viel Milligramm sind in einem Milliliter von dieser Substanz drin, dann muss er den Dreisatz rechnen."
Fortbildungen könnten Einsätze verbessern
Eine Lösung wäre speziell ausgebildetes Notfallpersonal für Kinder. Städte wie München gehen diesen Weg, für ländliche Regionen ist er aus Kostengründen nicht möglich. Alternativ setzen Rettungsleitstellen zunehmend auf digitale Techniken. Kinderärzte werden binnen weniger Minuten per Bild und Ton zugeschaltet und unterstützen die Sanitäter vor Ort. Sobald die Eltern des Kindes anwesend sind, gibt es neben der medizinischen Herausforderung immer auch ein psychologisches Problem – so Jörg Christian Brokmann.
"Wenn Kinder ihre Eltern dabei haben, ist das eine besondere Situation, weil man nicht nur auf das Kind eingehen muss, sondern auf die besorgten Eltern. Man muss immer gucken, dass man den Blick auf das Kind hält und nicht durch die Eltern abgelenkt wird."
Die Qualität der Einsätze lasse sich nur verbessern, so Florian Hoffmann, wenn das Thema verstärkt Eingang in die Ausbildung findet. Dazu bedarf es spezieller Angebote, dazu bedarf es aber auch der Motivation des Rettungspersonals, sich fortbilden zu lassen. Auch daran hapert es mitunter.