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Revolutionär der Lüfte

Die Firmengeschichte von Boeing ist ein Paradebeispiel für den amerikanischen Traum. William Edward Boeing gründete 1916 das Unternehmen, das später zum Weltkonzern wurde. Vor 125 Jahren wurde er geboren.

Von Frank Grotelüschen | 01.10.2006
    Die Boeing 747, der Jumbo Jet - jahrzehntelang war er das Symbol für die Größe, für die Überlegenheit der US-amerikanischen Flugzeugindustrie. Mit mehr als 150.000 Angestellten ist Boeing heute ein Weltkonzern, ein Luftfahrtgigant. Begonnen aber hatte alles ziemlich bescheiden: 1916 mit 21 Angestellten in einer roten Scheune in Seattle.

    Der Firmengründer William Boeing wurde am 1. Oktober 1881 in Detroit geboren - als Sohn deutschstämmiger Eltern, die der Holzhandel wohlhabend gemacht hatte. Seit 1903, seit dem ersten Motorflug der Gebrüder Wright, zeigte Boeing sich von den fliegenden Kisten fasziniert. 1914 traf er auf Conrad Westervelt, einen Offizier der US Navy. Gemeinsam kauften sie ein Wasserflugzeug, nahmen es bis auf die letzte Schraube auseinander und kamen zu dem Schluss, dass sie etwas Besseres bauen könnten - und zwar zu einer Zeit, in der längst noch nicht alle das Potenzial des neuen Verkehrsmittels entdeckt hatten.

    "Wer davon ausgeht, dass das Flugzeug die Zukunft revolutionieren wird, macht sich der wildesten Übertreibung schuldig","

    schrieb der einflussreiche "Scientific American". William Boeing aber war sich seiner Sache sicher:

    ""Durch das Aufkommen dieses neuen Hochgeschwindigkeits-Transportmittels wird eine wahre Revolution stattfinden - eine Revolution in ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht."

    Am 29. Juni 1916 hob die erste Boeing ab, das Modell C, ein Doppeldecker auf Wasserkufen. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg bestellte die Armee 50 Exemplare als Ausbildungsflugzeuge. Dann, nach Kriegsende, versiegte die militärische Quelle. Boeing musste seine Firma mit dem Bau von Booten und Schlafzimmermöbeln über Wasser halten. Gleichzeitig sann er über neue Wege im Flugzeugbau nach.

    "Wir wagen uns als Pioniere auf ein Gebiet vor, das ganz neue Herausforderungen mit sich bringt. Da sollte man eine neue Idee nicht einfach mit dem Spruch abtun: Das klappt doch sowieso nicht."

    1923 stellte Boeing eine neue Idee vor: Statt Holz stabilisierten Metallrohre den Rumpf der Maschinen. Ein voller Erfolg: 1927 zählte seine Firma zu den größten Flugzeugherstellern der USA. Doch 1934 zwang ihn die Kartellbehörde, seine Firma aufzuteilen in einen Flugzeugbauer, die Boeing Airplane Company, und eine Fluggesellschaft, die United Air Lines. Enttäuscht zog sich William Boeing aus der Branche zurück, um sich fortan seinem Hobby zuzuwenden - der Zucht von Rennpferden. Das Boeing-Flugzeugwerk aber wuchs stetig weiter.

    Der Zweite Weltkrieg, eine Materialschlacht nie da gewesenen Ausmaßes: Der Boeing-Konzern baute die B17, die Flying Fortress. Richtungweisend war die Herstellung des viermotorigen Bombers: Die Einzelteile wurden von kleineren Firmen zugeliefert und bei Boeing endmontiert. Dadurch konnten mehr Flugzeuge gefertigt werden; bis Kriegsende wurden fast 13.000 Bomber gebaut.

    Nach dem Krieg wandte man sich bei Boeing der Entwicklung von Düsenflugzeugen zu. Sie versprachen höhere Geschwindigkeiten und größere Reichweiten als der Propeller. 1957 hob der erste Boeing-Passagierjet ab, die Boeing 707. Ein Triumph, den Firmengründer William Boeing nicht mehr erleben sollte. Er war im Jahr zuvor im Alter von fast 75 Jahren gestorben. Die B707 wird zum Meilenstein des Langstreckenverkehrs - ebenso wie die B747, der Jumbo Jet.

    "Sie zu fliegen, ist lächerlich einfach. Der Traum eines jeden Piloten","

    sagte Pilot Jack Waddell unmittelbar nach dem Erstflug am 9. Februar 1969. Nicht zuletzt der Jumbo Jet machte Boeing zum Marktführer. 1997 schluckte der Konzern den Konkurrenten McDonell-Douglas. Der damalige Boeing-Präsident Phil Condit:

    ""Indem wir mit McDonell-Douglas zusammenarbeiten, können wir weltweit führend werden, mehr erreichen und große Probleme lösen."

    In den letzten Jahren aber musste der Konzern einige Rückschläge hinnehmen. Mit den Plänen für einen schnellen Jet namens Sonic Cruiser hatte Boeing aufs falsche Pferd gesetzt. Er war den Fluggesellschaften schlicht zu teuer. Und der Konkurrent Airbus holte immer weiter auf. Schon bald wird der Riesenvogel A380 den Jumbo Jet als König der Lüfte ablösen.