Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Rezension
Homers letzter Satz - Die Simpsons und die Mathematik

Homer Simpson und Mathematik? Wer sich darauf an den Kopf fasst und "D'oh" (neeiiin!) stöhnt, kennt Simon Singhs neues Buch noch nicht. Der britische Wissenschaftsjournalist hat sich einer gemeinhin weniger bekannten Seite der Zeichentrickfamilie angenommen: ihrer Liebe zu Formeln und Gleichungen.

Rezension: Dagmar Röhrlich | 15.12.2013
    Die wird selbst von ihrem jüngsten Mitglied geteilt, von Maggie: Gleich in der zweiten Folge der ersten Staffel stapelt sie einen Turm aus Bauklötzen zusammen, "nuckelt am Schnuller und bewundert ihr Werk: EMCSQU - Einsteins berühmte Gleichung sozusagen in der Windelversion", schreibt der Autor. Hohe Mathematik für Kleinkinder. Und das war erst der Anfang. Anscheinend verfolgen die Bewohner von Springfield die Mission, interessierten Zuschauern heimlich selbst die größten Probleme der Mathematik näher zu bringen.
    Homers letzter Satz - Die Simpsons und die Mathematik Autor: Simon Singh, übersetzt von Sigrid Schmid Hanser Verlag, 320 Seiten, 15,99 Euro ISBN 978-3-446-43773-9
    Cover: Homers letzter Satz - Die Simpsons und die Mathematik (Hanser Verlag)
    Hinter dieser Mission stecken einige Simpsons-Autoren, die - ehe sie sich der Comedy und dem Zeichentrickfilm verschrieben haben - an Eliteuniversitäten erfolgreich Mathematik oder Informatik studierten. Und so lernt Simon Singh während eines Besuchs bei den Machern der Serie in Los Angeles, dass Mathematik ein integraler Bestandteil ist: offen oder in Form versteckter Gags, die nur ein paar Eingeweihten verstehen, und oft genug lassen sie sich nur erkennen, wenn man das Bild anhält.
    Mit Simon Singh praktischer Hilfe wird die Zahl der Connaisseurs nun steigen. Seine Leser erfahren, dass keineswegs Physiker des CERN die Entdecker des Higgs-Bosoms sind, eines Elementarteilchens, dessen Existenz 1964 vermutet wurde. Nein, es war Homer Simpson, dem dieser Geniestreich 14 Jahre vor den Wissenschaftlern gelang. Er eröffnet der Menschheit außerdem, dass das Universum die Form eines Donuts hat - eine Idee, von der in Moe's Bar selbst das gelbe Alter Ego Stephen Hawkings begeistert ist: "Ihre Vorstellung von einem donutförmigen Universum ist durchaus interessant ... Die Idee werde ich Ihnen vielleicht klauen." Die Idee ist nicht aus der Luft gegriffen: Es gibt Kosmologen, die tatsächlich darüber nachdenken. Außerdem lieben die Autoren Primzahlen in allen möglichen Variationen, Baseballstatistiken, die Kreiszahl Pi, Fermats letzten Satz, und in einem Streit zwischen Homer und seinem Nachbarn Ned Flanders dient schließlich die Unendlichkeit als Argumentationshilfe.
    Nach der Lektüre von Simon Singhs Buch ist klar: Sobald bei den Simpsons eine Zahl auftaucht, kann man sicher sein, dass sie alles andere als beliebig ist. Als Baseballstar Buck Mitchell seiner Frau Tabitha Vixx eine Liebeserklärung auf dem riesigen Stadionbildschirm machen möchte, taucht dort kurz eine Quizaufgabe auf. Man solle schätzen, wie viele Zuschauer im Stadion sind: 8128, 8208, 8191 - oder mehr als sich sagen lässt. So willkürlich die Zahlen aussehen, so sorgfältig sind sie ausgesucht: 8128 ist eine "vollkommene Zahl ", das heißt, die Summer ihrer Teiler ist die Zahl selbst. 8208 ist eine narzisstische Zahl: Wenn man von jeder dieser vier Ziffern die vierte Potenz bildet und die Resultate addiert, kommt wieder die Zahl selbst heraus: 8^4 + 2^4 + 0^4 + 8^4 = 8208. 8191 schließlich ist eine Mersenne-Primzahl: Sie gehorcht dem von dem französischen Mathematiker Marin Mersenne im 17. Jahrhundert entdeckten Muster 2p-1, wobei p eine Primzahl ist. Mathematiker finden anscheinend seltsame Dinge interessant.
    Aber genau das macht "Homers letzter Satz" zu einem hinreißenden Buch - und zwar selbst für Nicht-Mathe-Fans und Leute, die keine Ahnung von Baseball haben: Es erlaubt Einblicke in eine Welt, die ihnen normalerweise verschlossen erscheint. Und so liest man plötzlich Seite um Seite zur Wahrscheinlichkeitsrechnung, ohne es so recht zu merken. Es macht einfach Spaß. Und vielleicht beschließt ja der eine oder andere Leser, sich doch etwas Näher mit dieser Welt der Nerds zu beschäftigen.
    Ein Lob außerdem für Sigrid Schmid: Sie hatte die nicht ganz leichte Aufgabe, dieses Buch zu übersetzen - und sie hat ihre Sache gut gemacht. Auch wenn sie manchmal erst die Aussprache erklären muss.