Freitag, 29. März 2024

Archiv

Rheinland-Pfälzische Kitas
Personalschlüssel erschwert Sprachförderung

Seit Anfang 2006 gibt Rheinland-Pfalz jährlich sechs Millionen Euro für Sprachfördermaßnahmen in Kitas aus. Im Jahresschnitt nehmen etwa 18.000 Kinder daran teil, mehr als die Hälfte von ihnen stammt aus Familien mit Deutsch als Muttersprache. Aber die Personaldecke ist dünn.

Von Anke Petermann | 13.12.2014
    Fatima, gehört zu den "alten Hasen", so heißen die Vorschulkinder der Kita in Mommenheim bei Mainz. Ihr Spitzname Fati ist zweisprachig wie sie selbst, davon ist die Fünfjährige überzeugt.
    "Fati ist eine deutscher Name und ein türkischer Name. Und mein Papa kann drei Sprachen. Mein Papa kann Deutsch, Türkisch und Englisch, und meine Mama kann auch Deutsch, Türkisch und Englisch."
    Fati will es ihnen nachmachen - und am liebsten noch Russisch lernen. An zwei Vormittagen in der Woche geht sie in die Sprachfördergruppe, darauf ist sie stolz. Mit acht Kindern ist diese Gruppe nur ein Drittel so groß wie die regulären.
    "Also, ich singe ganz viel mit den Kindern, ich spiele Spiele, ich erzähle Bilderbücher, lasse sie nacherzählen," sagt Ute Schwarz. Als sogenannte Sprachförderkraft arbeitet die Erzieherin mit zwei Kleingruppen in der Mommenheimer Kita. Etwa jedes sechste Kind hat hier Migrationshintergrund, Tendenz steigend.
    "Ich frage sehr viel aus dem täglichen Leben, wie war euer Wochenende, an Weihnachten - was macht ihr da, was wünscht ihr euch."
    "Wir sind zufrieden, dass es überhaupt etwas gibt," bilanziert Ursula Baurmann-Kamya als Kita-Leiterin mit Blick auf die Sprachförderung," zufrieden sind wir allerdings nicht mit unserem Personalschlüssel. In den Alltag müsste ja mehr Sprachförderung auch noch integriert sei, und das schaffen wir bei diesem Personalschlüssel nicht," mit zwei Erzieherinnen in einer Gruppe von 25 Kindern.
    "Klar, wir haben auch ein Musikprogramm - Sie können ganz gut Kinder in Gruppen sprachlich bedienen, aber Sie können natürlich nicht auf das einzelne Kind eingehen, weil Sie dazu gar keine Zeit mehr haben. Es gibt Kinder, die sind sprachlich sehr gewandt, es gibt aber auch Kinder, die sind nicht so gewandt. Und die müssten sprachlich einen Ein-zu-eins-Austausch haben, und diesen Eins-zu-eins-Austausch, den können wir praktisch nicht leisten."
    "Bitte schön, Galena - das ist auch eine schwere Frage: Was erledigst du täglich?"
    Ein Fragespiel im kleinen Kreis mit sechs Kindern. Olga Papazoglou, studierte Germanistin griechischer Muttersprache, fördert die Älteren in der Kita der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen.
    "Was machst du jeden Tag, immer wieder?" "Ähm – ein, ein Wasser?" "Du trinkst Wasser – jeden Tag, das ist sehr gut."
    Achtzig Prozent der Kinder in dieser multikulturellen Kita kommen aus Familien nicht-deutscher Muttersprache. Olga Papazoglou ist eine von zwei Sprachförderkräften, die Kinder in flexiblen Kleinstgruppen intensiv betreuen. Etwa sechzig der rund hundert Kinder werden dafür jährlich in Screenings ausgewählt, mit unterschiedlichen Stundenkontingenten. Und, so ergänzt Karin Janson als Kita-Leiterin: "Wir legen Wert darauf, dass sich ErzieherInnen fortbilden."
    "Ich glaube, wir haben jetzt fünf Sprachförderkräfte schon im Haus, es ist auch im Alltag sehr wichtig, also nicht nur in der Kleinstgruppensituation, sehr bewusst dahin zu schauen, wie ist meine Dialoghaltung, und auch einzuschätzen, wie alt ist das Kind, auf welcher Entwicklungsstufe steht es, passt es mit der Sprache."
    Doch die Sonderförderung in Minigruppen sei unverzichtbar, betont Janson. Darin ist sie sich einig mit der Kita-Leiterin im rheinhessischen Mommenheim. In rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten macht sich allerdings der Argwohn breit, die rot-grüne Landesregierung beabsichtige, die Intensivbetreuung zu streichen - zugunsten der sogenannten "alltagsintegrierten Sprachförderung", die fortgebildete ErzieherInnen in den Regel-Gruppen leisten sollen.
    "Wir denken, das ist nur eine einfache Sparmaßnahme des Landes,"
    mutmaßt Olga Papazoglou im pfälzischen Ludwigshafen. Eine Evaluation durch die Fachhochschule Koblenz habe ergeben, dass der "alltagsintegrierte" Ansatz effektiver sei als die Sprachförderung in Extra-Gruppen, erklärt die Sprecherin des Mainzer Familienministeriums. Welche Konsequenzen man daraus ziehe, werde diskutiert. Noch sei nichts beschlossen.
    "Noch zweimal Sprachförderung, dann ist Weihnachten."
    So verabschiedet sich in Mommenheim Ute Schwarz aus ihrer Achtergruppe. Fatima, kurz Fati, nickt begeistert und winkt.