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Rheinland-Pfalz und Hessen
Islamischer Religionsunterricht auf dem Prüfstand

In Hessen und Rheinland-Pfalz wird derzeit geprüft, ob und welcher Form der islamische Religionsunterricht an Schulen weitergeführt wird. Grund dafür sind Kooperationen mit dem Islamverband Ditib, über die verhandelt wird. Studierende der Islamischen Religionspädagogik sind verunsichert.

Von Anke Petermann | 19.11.2018
    Der Religionslehrer Ridwan Bauknecht steht am 27.8.2012 in Bonn an der Robert-Koch-Schule im Islamunterricht vor der Klasse.
    Islamischer Religionsunterricht kann zur Integration beitragen. Probleme bereiten allerdings die lokalen Ansprechpartner (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    An der Anne-Frank-Realschule plus in Ludwigshafen ist der islamische Religionsunterricht äußerst gefragt, stellt Ömer Acar fest: "Wir haben in jeder Klassenstufe zwei Islam-Gruppen. Das heißt, es gibt eine evangelische Gruppe, eine katholische Gruppe, aber zwei Islamgruppen."
    Acars Zehntklässler sollen an diesem Tag in Gruppenarbeit ein Plakat über den Aufbau des Korans erstellen. Die 16-jährige Şura findet:
    "Es gibt ja viele Gruppen, die einen sagen so, die anderen so – und man weiß nicht, was ist richtig, was falsch. Deswegen mache ich eher in der Schule mehr mit, weil ich denke, hier ist es richtiger, was wir lernen, also, in der Schule werde ich eher aufgeklärt als mit den ganzen verschiedenen Gruppen."
    Über religiöse Inhalte auf deutsch sprechen
    Die Propheten, das Fasten, die Feste – all das bespricht Ömer Acar im Unterricht. Bei seinen Schülern beobachtet der 28-Jährige:
    "Es macht ihnen auch Spaß, über ihre Religion in deutscher Sprache Inhalte zu lernen, das ist wichtig. In der Koranschule lernen sie eher auf Türkisch, oder in ihrer Muttersprache Arabisch, Albanisch, Bosnisch. Die Schüler von uns, die bringen ja ganz viele unterschiedliche Migrationshintergründe." Und Perspektiven ein. Teils aus tief religiösen Familien, teils aus solchen, die einen liberalen Islam leben.
    "Das ist ja insgesamt für die Integration und für die Kommunikation wichtig, dass man sich über die Inhalte in deutscher Sprache unterhalten kann. Und sie können sich dann natürlich mit anderen darüber austauschen, die Nicht-Muslime sind. Das brauchen wir doch eigentlich auch, um miteinander reden zu können."
    Warum es dann immer noch keinen landesweiten islamischen Religionsunterricht gibt? Der Mainzer Bildungsstaatssekretär Hans Beckmann von der SPD begründet es so:
    "Wir brauchen halt, um das landesweit anzubieten, einen landesweiten Ansprechpartner. Und den haben wir nicht, deswegen müssen wir den Weg des Modellprojekts weitergehen mit den lokalen Ansprechpartnern."
    Die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts ist ungewiss
    In Ludwigshafen ist das eine Islamische Frauen-Bildungsstätte. Die Verhandlungen mit dem Moscheeverband Ditib als dem größten landesweiten Ansprechpartner liegen dagegen auf Eis. In Rheinland-Pfalz und Hessen befürchten die Bildungsministerien, Ankara könnte über die staatsnahen türkischen Mitglieder in den Ditib-Landesvorständen Inhalte vorgeben, Lehrer und Unterricht beeinflussen. Hessen droht Ditib damit, die bestehende Kooperation Ende des Jahres aufzukündigen, falls der Vorstand sich nicht neu aufstellt.
    Eine Hängepartie für angehende muslimische Lehrer an der Uni Frankfurt, weiß Harry Harun Behr, Professor für Islamische Religionspädagogik:
    "Meine gegenwärtig rund 200 eingeschriebenen Studierenden auf Lehramt Islam sind sehr verunsichert, weil sie für die Sekundarstufe studieren, und das Fach Islamische Religion nicht an die Sekundarstufen ausgeweitet wurde, so wie das für den Herbst 2017 vorgesehen war. Das heißt, meine Studierenden sind verunsichert, ob es das Fach, das sie studieren, überhaupt noch gibt, wenn sie fertig sind mit dem Studium."
    "Ja, deshalb hab' ich jetzt auch ein Drittfach, und zwar Philosophie", sagt Yilmaz, der - wie andere auch - seinen Nachnamen nicht nennt. Zwei Fächer braucht er, und weil er die Islamische Religion wackeln sieht, macht er sich den Stress, drei zu studieren. Sein Kommilitone Cengiz ergänzt:
    "Mit einer möglichen schwarz-grünen Koalition weiß ich jetzt nicht, ob es sich doch zum Guten wenden könnte, deswegen würde ich sagen, ich warte erstmal ab und versuche, mein Studium gut abzuschließen."
    Idee: Gründung einer Religions-Unterrichts-Interessensgemeinschaft
    Cengiz hofft, dass CDU und Grüne in Hessen weiter regieren. Alexander Lorz, Bildungsminister von der CDU, hatte die Studierenden der Islamischen Religionspädagogik besucht und ermutigt, dranzubleiben. Sie würden ihrem Abschluss gemäß eingesetzt, versicherte er ihnen. Was aber soll das "alternative Angebot" sein, das Lorz an die Stelle des Islamischen Religionsunterrichts setzen will, falls die Kooperation mit Ditib endet? Dazu schweigt Wiesbaden. Islamkunde unter staatlicher Aufsicht, so wird spekuliert. Rita, eine albanisch-stämmige Studentin, sieht muslimische Lehrer unter Generalverdacht gestellt, sich von Ditib indoktrinieren zu lassen.
    "Finde ich eigentlich absurd, denn ich selber bin keine Türkin, und ich werde dann sozusagen in einen Topf mit der Gemeinde gesteckt. Und man setzt dann auch hinter meiner Persönlichkeit ein Fragezeichen, was ich schrecklich finde."
    Professor Behr würde das Grundgesetz gern flexibler interpretieren. Und zwar mit Blick auf die Religionsgemeinschaften, die es als Ansprechpartner für den Islamischen Religions-Unterricht vorsieht.
    Denkbar fände er: "Zum Beispiel eine Religions-Unterrichts-Interessensgemeinschaft, unterschiedlicher Moscheevereine, die sagen, wir beantragen einen Religionsunterricht. Und das Ministerium fragt nicht mehr, seid ihr überhaupt Kirche? Sondern sagt, in Ordnung, wir probieren das Format aus."