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Rheinland-Pfalz vor Landtagswahl
CDU-Kritik an Beförderungspraxis in grünem Ministerium

Vier Monate vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz macht die CDU-Opposition Druck. CDU-Spitzenkandidat Christian Baldauf will Rücktritte sehen, nachdem rechtswidrige Beförderungspraktiken im grün geführten Umweltministerium öffentlich geworden sind.

Von Anke Petermann | 24.11.2020
16.09.2020, Rheinland-Pfalz, Mainz: Ulrike Höfken (Bündnis90/Die Grünen), Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, sitzt auf ihrem Platz im Landtag. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz hat die Beförderungspraxis für Beamte im Umweltministerium in Teilen als rechtswidrig gerügt. In der aktuelle Plenarsitzung im Landtag von Rheinland-Pfalz geht es unter anderem um eine Schlussberatung über das Hochschulgesetz, erste Beratungen zum Landesinklusionsgesetz und das E-Government-Gesetz. Foto: Andreas Arnold/dpa | Verwendung weltweit
Ulrike Höfken, grüne Umweltministerin in Rheinland-Pfalz, steht wegen der Beförderungspraxis in ihrem Haus in der Kritik (picture alliance / dpa / Andreas Arnold)
Ein marodes Beförderungssystem, "grob rechtswidrig", "geprägt von Willkür", behaftet mit "erheblichen Mängeln" – das vernichtende Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom Spätsommer schien zunächst nur Einzelfälle von Beamten im Umweltministerium zu betreffen. Beamte, die zwar ihre Stelle behielten, aber mehr Verantwortung und damit auch eine höhere Besoldungsgruppe zugeordnet bekamen. Und zwar – so bemängelte das Gericht – nach Gutsherrenart: ohne dass die Beförderungsstelle ausgeschrieben und der Bewerber oder die Bewerberin formal auf Eignung und Leistung hin überprüft worden wären.
Opposition kritisiert "Günstlingswirtschaft"
Doch der Südwestrundfunk enthüllte, dass das Umweltressort schon unter SPD-Führung in zwei Dritteln und unter grüner Führung in 90 Prozent der Fälle nach Gutsherrenart befördert hatte. CDU-Oppositionschef Christian Baldauf:
"Wir haben eine klare Rechtsverletzung. Wir haben ein Gericht, das von Willkür spricht. Wir müssen von Günstlingswirtschaft ausgehen. Da reicht es nicht, sich zu entschuldigen. Da muss man die Konsequenz ziehen und man muss auch die Verantwortung übernehmen."
11.11.2020, Rheinland-Pfalz, Mainz: Christian Baldauf, Fraktionsvorsitzende der CDU, antwortet im rheinland-pfälzischen Landtag, der in der Rheingoldhalle tagt, auf die Regierungserklärung zur Corona-Pandemie. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa | Verwendung weltweit
Oppositionschef Baldauf will Rücktritte (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
Die Konsequenz, so beteuern Ministerin Ulrike Höfken und ihr Staatssekretär Thomas Griese, sei gezogen, die rechtswidrige Praxis abgestellt. Seit dem OVG-Beschluss würden alle Beförderungsstellen intern ausgeschrieben, alle Bewerber beurteilt. Griese hat sich für die Fehler entschuldigt. Wie die Ressortchefin betont er aber, es habe sich nur um "Verfahrensfehler" gehandelt. Fehler im Zusammenhang mit einer honorigen Absicht: Verwaltungsabläufe zu vereinfachen nämlich. In der Sache behaupten die grünen Spitzenpolitiker, niemand sei ohne Eignung nur aufgrund des grünen Parteibuchs oder spezieller Beziehungen befördert worden.
"Im Ergebnis sind Beamtinnen und Beamte (…) stets aufgrund ihrer Leistungen und Fähigkeiten befördert worden und nicht aus sachfremden Erwägungen", so Ministerin Höfken dazu im Landtagsplenum. "Dass aufgrund des mangelhaften komprimierten Verfahrens in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstehen konnte, tut mit insbesondere für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Haus leid."
CDU-Politiker will Rücktritte
Keine klare Entschuldigung in der Sache, konstatiert die CDU. Dass Höfken und Griese, beide Mitte 60, mit Ablauf der Wahlperiode aufhören wollen, wie unlängst angekündigt, fasst Oppositionsführer Christian Baldauf nicht als "Verantwortungsübernahme" auf. Der rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidat will Rücktritte. Und da die beiden Grünen-Politikerinnen dazu nicht bereit sind, hat er Regierungschefin Malu Dreyer brieflich aufgefordert, sie zu entlassen.
Will die CDU also aus der Affäre Höfken eine Affäre Dreyer machen – um die qua Beliebtheit unangreifbar wirkende Sozialdemokratin zu beschädigen? Dreyer-Konkurrent Baldauf wehrt ab:
"Wenn Frau Höfken den zwingend notwendigen Schritt des Rücktritts gemacht hätte, käme Frau Dreyer gar nicht ins Spiel. Die Ursache setzt Frau Höfken. Und nach der Verfassung ist Frau Dreyer befugt und aus meiner Sicht auch gezwungen, Frau Höfken zu entlassen. Wenn Frau Dreyer auch auf dem Boden des Rechtsstaates und der Verfassung steht, wovon ich ausgehe, kann sie mit Frau Höfken nicht mehr zusammenarbeiten."
Grafik zeigt Stimmzettel zur Landtagswahl 2021 in Rheinland-Pfalz
Man werde Baldaufs Brief an die Ministerpräsidentin beantworten, äußere sich aber in solchen Fällen grundsätzlich nicht zu Inhalten, heißt es aus der Staatskanzlei.
"Wenn er natürlich in den nächsten Tagen nicht beantwortet wird, müssen wir darüber nachdenken, weitere Schritte einzuleiten", kündigt CDU-Politiker Baldauf an.
Verwunderung über lange Antwortfrist
Ein Misstrauensantrag gegen die Ministerin könnte ein solcher Schritt sein, die AfD würde die CDU dafür gern ins Boot holen. Doch die hält sich da zunächst bedeckt, zweifelt offensichtlich, dass sich die Ampel-Koalition auseinanderdividieren lässt.
Die Grünen halten indes fest an ihrer Ministerin, nur vereinzelt sprechen Kritiker aus den eigenen Reihen von einem verheerenden Verlust von Glaubwürdigkeit. Die langjährige Umweltpolitikerin Höfken und Staatssekretär Griese gelten als integer, dass sie vorsätzlich gegen verfassungsmäßige Leistungsprinzipien verstießen, um eigene Günstlinge in der Beamtenlaufbahn nach vorn zu pushen, mögen viele in der Partei nicht glauben. Nur: Hat die grüne Basis einen objektiven Blick auf das, was andere 'grünen Filz' nennen?
Mit einer Großen Anfrage zur Beförderungspraxis in allen Ministerien wollen die Christdemokraten die Regierung Dreyer indes weiter in die Enge treiben. In der zweiten Dezemberwoche soll die Antwort fertig sein. Christian Baldauf ist nur bedingt zufrieden.
"Die Regierung hat sich Fristverlängerung geben lassen, das ist auffällig. Weil man natürlich in jeder Ausschreibungsakte die Unterlagen hat, man müsste nur auf ein Knöpfchen im Computer drücken. Deshalb ist schon auffällig, wie lange das dauert." Nur im SPD-geführten Innen- und im FDP-geführten Justizressort sei alles ohne Wenn und Aber korrekt gelaufen, wird schon gemunkelt. "Deshalb sind wir sehr gespannt auf die Antwort."
Neue Klimaliste Rheinland-Pfalz auf dem Wahlzettel
Die Neulinge von der Klimaliste Rheinland-Pfalz sind indes gespannt auf ihren ersten Wahlkampf und die Landtagswahl vom 14. März. Die Grünen wollen sie in der Klimapolitik vor sich hertreiben. "Wenn jetzt deutlich wird, dass bei den Grünen nicht alles rund läuft, dient das der Sache nicht, und das bedauern wir", sagt Benjamin Kraff von Scientistis for Future, Direktkandidat im Wahlkreis Bingen. Umso wichtiger zu zeigen, dass die Klimaliste nicht gefangen in den alten Strukturen sei. "Der frische Wind weht bei uns" wirbt Kraff.
Zusammenarbeit mit den Grünen nach der Wahl komme aber durchaus in Frage.