Donnerstag, 28. März 2024

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Richtiger Weg zur Rettung des Suhrkamp Verlages

Der Antrag auf Gläubigerschutz sorge dafür, dass die Gewinne und das Vermögen des Verlages erst einmal in der Kasse blieben. Dadurch könne eine Insolvenz vermieden werden, sagt der Publizist Michael Naumann. Zudem berge das Verfahren "eigentlich keine Risiken" für die Verlagsarbeit und die Autoren.

Michael Naumann im Gespräch mit Christoph Schmitz | 28.05.2013
    Christoph Schmitz: Wann kommt ein Buchverlag schon einmal auf die Titelseiten der großen überregionalen Tageszeitungen, wie heute zu sehen? Sehr selten und dann kann es sich bei diesem Verlag nur um Suhrkamp handeln. Er gilt nach wie vor als kulturelle Institution, in der man wie in keiner anderen die intellektuelle, literarische und ästhetische Avantgarde nach dem Zweiten Weltkrieg gespiegelt sieht. Der jahrelange Machtkampf aber zwischen den Köpfen der Anteilseigner, der Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz und der Minderheitsgesellschafter Hans Barlach, schien in den letzten Monaten die Existenz des Verlages zu bedrohen. Doch seit gestern bekannt, ein Schutzschirmverfahren soll die Gefahr bannen. Drei Monate lang haben Gläubiger keinen Zugriff auf den Verlag, somit auch nicht Hans Barlach. Der hatte von einem Gericht nämlich über zwei Millionen Euro an Gewinnausschüttung zugesprochen bekommen. Aber ob ein solches Schutzschirmverfahren wirklich der richtige Weg ist, um Suhrkamp nachhaltig zu stabilisieren, das ist die Frage, und diese Frage habe ich gestellt dem Publizisten und einstigen Verleger Michael Naumann.

    Michael Naumann: Das glaube ich schon, es ist gewissermaßen das natürliche Resultat, befördert durch eine Reform des Insolvenzgesetzes, die Prozesse, die Barlach geführt hat gegen den Verlag, nun in ihrer Konsequenz sichtbar zu machen. Er hat darauf bestanden, und ein Gericht hat das auch so entschieden, dass die Sondergewinne, die durch den Verkauf des Archivs und von Grundstücken und Ähnlichem in Frankfurt, ihm als Minderheitsanteiler am Suhrkamp Verlag zustehen, auch ausgezahlt werden. Das bedeutet natürlich auch, dass die entsprechenden Summen dann auch an den Mehrheitsbesitzer, nämlich die Familienstiftung des Suhrkamp Verlages als Muttergesellschaft ausgezahlt werden müssen. Dieses führt formaljuristisch zu einem massiven Liquiditätsengpass des Verlages, und um eine Insolvenz zu vermeiden, ist darum dieses Schirmschutzverfahren notwendig geworden, und das wird dafür sorgen, dass dieses Geld erst einmal in der Kasse des Verlages bleibt.

    Schmitz: Sie sagen aber erst einmal. Drei Monate gilt der Schutzschirm, und dann?

    Naumann: In der Zwischenzeit gibt es drei Dinge zu erledigen. Erstens, glaube ich, Herrn Barlach klarzumachen aus der Perspektive des Verlages, dass die Bewertung des Verlages durch unabhängige Gutachter vorgenommen werden wird, und sie wird zu einem Ergebnis kommen, was wohl in der Nähe von 20 Millionen Euro liegt. Und damit wird ihm deutlich gemacht, dass seine Vorstellung, dass der Verlag 80 Millionen Euro wert sei, mithin sein Anteil an dem Verlag entschieden höher ist als das, was er sich in Wirklichkeit vorstellt, sein Anteil an diesem Verlag eben wesentlich geringer ist, mithin auch der Kaufpreis für seine Anteile, der ihm offenkundig vorschwebt, auch wesentlich geringer sein wird und sein muss. Und das wird ihn möglicherweise in die Realität zurückführen.

    Schmitz: Das war Punkt eins.

    Naumann: Das weitere Prozedere wird vorsehen, wenn dieses Verfahren dann auch wirklich genehmigt wird, dass in dem Verlag eine Form interner Sanierung und vielleicht auch programmmäßiger Reduzierung und Profilierung stattfinden wird, um die Kreditwürdigkeit des Verlages weiterhin aufrechtzuerhalten. Man muss eines wissen: Der Verlag hatte praktisch keine Schulden, gemessen an anderen Verlagen hatte er eine sehr hohe Eigenkapitalquote, die natürlich durch dieses Urteil gefährdet wird, eben das ursprüngliche Urteil, nämlich Auszahlung von Windfall Profits an die Teilhaber des Verlages zu realisieren. Ohne diese Auszahlung wäre dieses Verfahren, dieses Schirmschutzverfahren nicht nötig gewesen.

    Schmitz: Hans Barlach, der Minderheitsgesellschafter wird aber weiterhin ja Anteilseigner bleiben und ja auch mitreden können. Das heißt, die Diskussion wird weitergehen, wie sie bisher stattgefunden hat?

    Naumann: Sie wird weitergehen, aber sie wird einen kleinen Unterschied haben: Sie wird auf der Basis einer von einer dritten Seite festgelegten und dann wahrscheinlich auch praktisch unanfechtbaren Darstellung des Gesamtwertes des Verlages einen genauen Wert des Verlages darstellen. Und vor diesem Hintergrund wird sich dann Herr Barlach fragen, ob das weitere Prozessieren – ich vermute das einmal, ich unterstelle ihm das nicht –, ob das weitere Prozessieren Sinn macht.

    Schmitz: Was meinen Sie denn, welche Risiken dieses Verfahren birgt?

    Naumann: Ich glaube, es birgt eigentlich keine Risiken, nicht für die Verlagsarbeit, und auch nicht für die Autoren, und im Grunde genommen ist das zentrale Risiko eigentlich, liegt darin, dass, was ja auch nicht ausgeschlossen ist, Herr Barlach Fremdfinanzierer hat, die für ihn plötzlich sagen: Nein, das machen wir nun nicht mehr mit, denn das ist ein Fass ohne Boden, ein Prozessfass ohne Boden gewissermaßen.

    Schmitz: Aber Sie sind guten Mutes, dass jetzt mit diesem Schutzschirmverfahren ein gangbarer Weg eingeschritten worden ist, um den Verlag in seiner jetzigen Form und mit seiner jetzigen Idee zu retten.

    Naumann: Ja, absolut!

    Schmitz: Sagt kurz und bündig Michael Naumann.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.