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Risiken für Drei-Eltern-Babies
Heikles Mitochondrien-Verfahren

Das erste Baby mit drei Eltern - in Mexiko kam es im April zur Welt. Die Geburt fand dort statt, weil der Embryo vorerst nicht in eine Gebärmutter eingepflanzt, sondern erst genetisch untersucht wurde. Das ist in den USA verboten. Allerdings konnten die Ärzte so verhindern, dass das Kind an einer genetischen Störung erkrankt, die sich über die Mitochondrien vererbt.

Von Michael Lange | 02.12.2016
    Babyhand an Erwachsenendaumen
    Das Drei-Eltern-Verfahren birgt Risiken und ist noch nicht vollends ausgereift. (Jan-Martin Altgeld)
    Mitochondrien sind kleine Bestandteile im Zellinnern und gelten als Kraftwerke der Zellen und besitzen eigenes Erbmaterial. Wenn dort Mutationen auftreten, sind seltene, aber schwere Krankheiten die Folge. Sie schädigen insbesondere das Nerven- und Muskelsystem. Vererbt werden sie immer von der Mutter, denn Mitochondrien stammen aus der Eizelle, nicht aus dem Spermium.
    Um die Vererbung der krank machenden Mitochondrien mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung zu verhindern, haben Wissenschaftler der Oregon Health and Science University ein neues in vitro-Verfahren entwickelt. Dabei wird das Erbmaterial der Mutter, also der Krankheitsüberträgerin, in eine Eizelle mit gesunden Mitochondrien verpflanzt. Sie stammt von einer Eizellen-Spenderin.
    Der Stammzellenforscher Shoukhrat Mitalipov hat die Methode entwickelt. Der erste Teil ähnelt dem Klonverfahren, mit dem vor zwanzig Jahren das Schaf Dolly entstand.
    "Man kann die Eizelle anschließend künstlich befruchten. So entstehen Embryonen, die wir vorerst nicht in eine Gebärmutter einpflanzen. Das ist in den USA nicht zugelassen. Stattdessen führen wir genetische Untersuchungen durch, um herauszufinden, ob der Embryo sich gesund weiter entwickeln könnte."
    "Fanden die kranken Mitochondrien-Gene der Mutter in vielen Zellen des Embryos"
    Würde der Embryo in einer Gebärmutter weiter heranreifen, entstünde ein Drei-Eltern-Baby. In Mexiko ist ein gesundes Baby mit zwei Müttern und einem Vater bereits im April geboren worden. In der Studie der Universität von Oregon wurden 13 Eizellen von vier Frauen untersucht, die als Überträgerinnen veränderter Mitochondrien in Frage kommen. Die daraus im Labor entstandenen Embryonen haben Shoukhrat Mitalipov und sein Team dann genetisch analysiert. Wider Erwarten fanden sie neben den Mitochondrien der Eizellen-Spenderin auch große Mengen die veränderten Mitochondrien der Mutter in den Embryonen.
    "Wir haben dieses unerwartete Phänomen bei Embryonen im Labor eindeutig festgestellt. Wir fanden die kranken Mitochondrien-Gene der Mutter in vielen Zellen des Embryos. Ob das für Kinder, die sich aus diesen Embryonen entwickeln, relevant ist, können wir noch nicht sagen. Bei Tierversuchen mit Makaken waren diese Fehler nicht aufgetreten."
    Der Stammzellenforscher Shoukhrat Mitalipov
    Der Stammzellenforscher Shoukhrat Mitalipov ist Entwickler der künstlichen Befruchtungsmethode (picture alliance / dpa / OHSU)
    Einige wenige veränderte Mitochondrien der Mutter wurden anscheinend beim Transfer der Erbinformation in die gesunde Eizelle der Spenderin mitübertragen.
    Nach der künstlichen Befruchtung begann die Zellteilung und somit die Vermehrung der Mitochondrien. Die wenigen krankmachenden Mitochondrien der Mutter sollten dabei von der Überzahl der Mitochondrien der Eizellen-Spenderin verdrängt werden. Das dachte man. Aber Shoukhrat Mitalipov fand etwas anderes.
    "Bei der Drei-Eltern-Methode entstehen Embryonen, die im Zellkern alle gleich sind. Die Gene in den Mitochondrien jedoch unterscheiden sich von Zelle zu Zelle. Sie stammen sowohl von der Mutter als auch von der Eizellen-Spenderin. Vermutlich haben sich die Zellen mit den veränderten Mitochondrien manchmal durchgesetzt, weil sie schneller wachsen."
    Wunsch nach Gentest bevor das Drei-Eltern-Verfahren in großem Stil Anwendung findet
    In einigen Fällen haben Zellen mit veränderten Mitochondrien die Oberhand gewonnen. Bei den Kindern könnten deshalb die vererbbaren Mitochondrien-Krankheiten, die man ja verhindern wollte, trotzdem auftreten. Die Medizinerin Paula Amato, die am Projekt beteiligt ist, mahnt deshalb zur Vorsicht. Sie wünscht sich einen Gentest, der einsatzbereit sein sollte, bevor das Drei-Eltern-Verfahren in großem Stil Anwendung findet.
    "Wir schlagen vor bei ersten klinischen Studien eine Vorauswahl bei den Eizellenspenderinnen zu treffen – ganz ähnlich wie bei der Auswahl passender Organspender. So ließe sich die Sicherheit erhöhen. Dabei würden wir Eizellen bevorzugen, deren gesunde Mitochondrien sich schnell teilen."
    Um dies sicher zu stellen, müssen die US-Forscher einen genetischen Test entwickeln. Der sollte vorhersagen, welche Mitochondrien sich später durchsetzen. So ließe sich das jetzt entdeckte Risiko minimieren, bevor das Verfahren in den USA zugelassen wird. In Deutschland ist das Drei-Eltern-Baby verboten, da das Spenden von Eizellen für die künstliche Befruchtung grundsätzlich nicht erlaubt ist.